Die katastrophalen Waldbrände, die im Jahr 2023 wochenlang in Kanada wüteten, haben nicht nur 18,4 Millionen Hektar Forst zerstört – etwa fünf Prozent der gesamten kanadischen Waldfläche. Der dabei freigesetzte Feinstaub hat, so rechnet ein internationales Forschungsteam im Fachjournal "Nature" vor, das Leben von annähernd 70.000 Menschen weltweit verkürzt.
Zwischen Mai und September 2023 färbten dichte Rauchwolken in weiten Teilen Nordamerikas den Himmel gelb – und sorgten für Gesundheitswarnungen nicht nur in Kanada, sondern auch im Norden der USA. Und noch in Europa bewirkte der ultrafeine Staub, mit westlichen Winden verweht, eine deutliche Verschlechterung der Luftqualität.

Das Problem: Feinstaubpartikel, die weniger als 2,5 Mikrometer messen – fachsprachlich PM2,5 genannt –, können über die Lunge in die Blutbahn gelangen. Und zahlreiche Herz-Kreislauf- oder Atemwegs-Erkrankungen auslösen oder verschlimmern.
Der Studie zufolge waren in Nordamerika und Europa durch die Waldbrände insgesamt 354 Millionen Menschen einer PM2,5-Konzentration ausgesetzt, die oberhalb des als sicher geltenden Grenzwerts der World Health Organisation (WHO) liegt. Bei den Todeszahlen unterscheiden die Autorinnen und Autoren der Studie zwischen akuten (5400) und chronischen (64.300) Todesfällen. Für seine Berechnungen nutzte das Forschungsteam maschinelles Lernen ebenso wie Satellitendaten.
Waldbrände könnten für weitaus mehr Todesfälle verantwortlich sein
Fachkollegen halten die Zahlen gleichwohl für zu niedrig angesetzt. "PM2,5 wird häufig mit flüchtigen organischen Verbindungen in Verbindung gebracht, die als Vorläuferstoffe für troposphärisches Ozon dienen, sodass die gesundheitlichen Auswirkungen dieses anderen sekundären Schadstoffs zu den Auswirkungen von PM hinzugerechnet werden sollten", erklärt der nicht an der Studie beteiligte Experte für die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, Julio Díaz vom Madrider Health Institute Carlos III. "Dieses troposphärische Ozon hat gesundheitliche Auswirkungen, die manchmal größer sind als die von PM selbst."
Unsicherheiten in ihren Schätzungen räumen auch die Studienautoren selbst ein – bleiben aber bei ihrem Resümee: "Die allgemeine Schlussfolgerung dieser Studie bleibt gültig, dass ein einziger großer Waldbrand eine enorme und weitreichende PM2,5-Belastung und Gesundheitsgefährdung verursacht." Angesichts des Trends, dass mit der Erderwärmung extreme Waldbrände häufiger werden, sei davon auszugehen, "dass die von uns untersuchten globalen gesundheitlichen Auswirkungen der Waldbrände auch in Zukunft anhalten und zunehmen werden".
Da eine drastische Verringerung der weltweiten Klimagasemissionen nicht in Sicht ist, schlagen die Autorinnen und Autoren der Studie "schnelle und kostengünstige Maßnahmen" vor: genaue Luftqualitätsvorhersagen und Luftverschmutzungswarnsysteme.