GEO: Herr Goldammer, sind Wald und Feuer eigentlich unvereinbar?
Johann Georg Goldammer: Feuer braucht Brennmaterial. Es lebt von dem Ort, an dem es brennt – und manchmal leben auch die Orte mit dem Feuer. Ganze Ökosysteme, ganze Wälder wachsen mit natürlichen Feuern auf, die durch Blitzschlag entstehen – beispielsweise in Sibirien oder Australien. Unsere Wälder in Mitteleuropa haben jedoch eine andere Entstehungsgeschichte, sie waren von Natur aus weitgehend feuerfrei, wurden aber durch Umwandlung in Kulturlandschaften historisch durchaus durch Feuernutzung geprägt. Aufgrund der zunehmenden Trockenzeiten als Folge der Klimakrise müssen wir uns jetzt aber auf zukünftige Brände vorbereiten. Das bedeutet, die Wälder so umzubauen, dass man mögliche Feuer dort beherrschen kann.
Was ist beim Waldumbau zu beachten?
Verschiedene Waldformen sollten koexistieren. Ich nutze dafür den Begriff der räumlichen Ordnung. Damit meine ich, dass ein Nebeneinander von Nadelwald, Laub- und Mischwald unterschiedliche Funktionen abdeckt als Erholungsgebiet, als Kulturlandschaft, als Wirtschaftswald oder Naturschutzgebiet. Ein einziger Wald kann nicht alles leisten. Das muss in die Strategien von Waldumbau und Waldbrandschutz einfließen.
Das klingt, als wäre eine einheitliche Linie für den Waldbrandschutz schwierig.
Im Hinblick auf den Schutz von Biodiversität und zur Kohlenstoffspeicherung setzt die Forstwirtschaft mittlerweile auf Laub- und Mischwälder, in denen Totholz belassen wird, statt es einer Nutzung zuzuführen. Für die Insektenwelt bieten Laubstreu und Totholz einen wichtigen Lebensraum, für das Feuer aber auch. Feuer in Totholzauflagen brennen länger und mit höheren Temperaturen, die in den Humusauflagen, im Boden und damit auch im Wurzelwerk schwere Schäden anrichten. Die regelmäßig durchgeführten Waldzustandserhebungen zeigen darüber hinaus, dass Buchen- und Eichenwälder mehr unter der Klimakrise leiden als erwartet. Das heißt, Waldumbau ist mit vielen Unsicherheiten und Problemen verknüpft, die sich teilweise erst im Laufe der Zeit offenbaren.
Wie standhaft sind Nadelwälder in Bezug auf Feuer und den Klimawandel?
Stellen Sie sich einen offenen Kiefernwald mit Grasbestand darunter vor. Wenn da ein Bodenfeuer durchbrennt, huscht es über die Fläche. Da reicht die Energie des Bodenfeuers nicht aus, um tödliche Temperaturen im Stammfuß alter Kiefern zu erzeugen, und vor allem nicht, um in den Kronenraum zu gelangen. Die Kiefern überleben eher und keimen wieder aus. Werden Kiefernforste allerdings nicht bewirtschaftet, liegen auch hier Totholz, Äste, Zweige und Stämme, die zu Brennmaterial für Feuer werden.
Welcher Waldtyp hat denn eine höhere Resilienz gegenüber Feuer?
Die verschiedenen Waldtypen haben jeweils Vor- und Nachteile. Kiefernforste werden oft als ökologische Wüsten gesehen, sind aber einen großen Teil ihres Lebens sehr resilient gegen Feuer. Wir müssen schauen, welche Forste im Klimawandel bestehen. Die Fichten beispielsweise haben den Menschen über Jahrhunderte Ressourcen geliefert. Sie waren eine Wertanlage und aus forstwirtschaftlicher Sicht eine stabile Angelegenheit. Doch sie wurzeln nicht tief und fallen der Klimakrise auch ohne Brände zum Opfer. Das heißt, wir haben neue Rahmenbedingungen für die Baumarten. Was Jahrhunderte lang funktioniert hat, funktioniert heute und in Zukunft nicht mehr.
Gibt es überhaupt den perfekten Wald, der Brandprävention, Beständigkeit, Biodiversität und den Nutzen für uns Menschen vereint?
Nein, in einem voll geschützten Wald – wie beispielsweise einer Wildnisfläche – könnte ja beispielsweise auch keine Freizeitgestaltung mehr stattfinden. Man kommt in so einen Wald schon durch den Bewuchs gar nicht mehr rein – und das ist ja auch so gewollt. Dann haben wir nur das Problem, dass dort, wo Totholz nicht aufgearbeitet wird, ein erhöhtes Brandrisiko herrscht.

Totholz und unterschiedliche Waldformen sollen also erhalten bleiben. Gleichzeitig müssen wir Totholz aus Feuerschutzgründen aus dem Wald entfernen. Wie kann eine Lösung aussehen?
Wir setzen sehr stark auf Brandschutzkorridore. Wenn wir eine Kernzone mit Totholz haben, die wir aus Gründen des Biodiversitätsschutzes erhalten wollen, müssen wir den Außenbereich absichern. Die Korridore sollen das Wildfeuer ausbremsen. Sie müssen frei von Totholz sein und eine lichte Fläche zwischen beispielsweise Kiefern bieten, sodass die Feuerwehr die Flammen dort einfangen kann.
Welche Konflikte ergeben sich daraus?
Fachlich gesehen – keine. Politisch gesehen – einige. Interessengruppen, die die Waldbewirtschaftung regeln, sollten sich geschlossen auf Fachexpertise zum Brandschutz stützen. Die geht über Eigentumsgrenzen hinaus, was Konflikte mit sich bringt. Da ist zum Beispiel die Frage, wer den Brandschutz bezahlt. Jemand muss das Totholz regelmäßig aufräumen. Das können Privatwaldbesitzer sein, die Gemeinden, ein Bundesland, und auf Waldflächen des Bundes die Bundesforstverwaltung.

Der Wald in Deutschland gehört zu rund 20 Prozent Körperschaften, mehr als 40 Prozent sind Privatwald, ungefähr 30 Prozent gehört den Ländern und nur gut drei Prozent dem Bund. Wie sollen die sich über den Waldbrandschutz einig werden?
Es gibt Arbeitskreise innerhalb der Innenministerkonferenz zu diesem Thema. Aber die dienen eher dem Austausch und weniger dem Beschluss von verbindlichen Maßnahmen. In unserem föderalen Staat sind Waldbrandprävention und Feuerlöschen Ländersache. Die Waldeigentümer kümmern sich um den vorbeugenden Brandschutz. Waldschutzpolitik ist geleitet von idealisierten Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit des Waldes. Diese sind – im Hinblick auf Artenschutz, Biodiversität und Kohlenstoffspeicherung – gut gemeint. Doch mit den Risiken, die sich aus dem Klimawandel ergeben, kurzsichtig. Und die kürzlich entwickelte Nationale Vegetationsbrandbekämpfungsstrategie der Innenministerkonferenz ist letztlich nur eine Empfehlung an alle Akteure.
Statistiken und Schätzungen zeigen, dass weltweit mehr als 90 Prozent der Waldbrände menschengemacht sind. Sollten wir uns da nicht alle verantwortlich fühlen?
Das ist mein klares Credo. Jeder müsste doch sein Eigentum, sein Haus, sein Land schützen wollen. Wir müssen aufmerksamer durch den Wald gehen, darauf vorbereitet, einen entstehenden Brand über die bekannte Notrufnummer 112 zu melden. Gut vorbereitete Dienststellen von Forst und Feuerwehr können dann bei unserer insgesamt guten Erschließung der Wälder auch rasch vor Ort sein. Doch auch Gemeindehöfe, Landwirte und Grundbesitzer können die Feuerwehr unterstützen.
Wie können sie das tun?
In den mehr als 250.000 landwirtschaftlichen Betrieben und in der Forstwirtschaft sind deutschlandweit mehr als 100.000 Traktoren vorhanden, die ein standardisiertes "Dreipunkt"-Kupplungssystem für Anbaugeräte haben. Für diese wurde kürzlich ein sogenannter Löschrucksack entwickelt – der per Hoch- und Niederdruck Löschwasser aus einem integrierten Wasserbehälter ausbringen kann. Die Traktoren können den Wald und landwirtschaftliche Flächen besser befahren als normale Feuerwehrfahrzeuge. Wenn es nicht brennt, können diese Geräte auch Pflanzen und Äcker bewässern oder zur Hochdruckreinigung eingesetzt werden.

Im brandenburgischen Beelitz schlugen die Flammen 2022 bis zu 30 Meter an die Häuser heran. Kann es passieren, dass sie auf ganze Ortschaften übergreifen?
In Brandenburg gibt es viele Ortschaften, die direkt an den Wald grenzen oder auch in den Wald hineinreichen. Das, was beispielsweise in Los Angeles passiert ist, wird in dieser Dimension bei uns wohl nicht vorkommen. Im Mikrokosmos aber schon. Das ist dann das Haus oder das Dorf in Brandenburg.
Wie können sich besonders gefährdete Regionen, wie Beelitz, schützen?
Dort koordiniert die Öko-Agrarmanagerin Juliane Baumann die Waldbrandprävention. Sie spricht mit den Menschen im Ort. Denn es obliegt am Ende dem Hauseigentümer, dafür zu sorgen, dass das Brennholz für den Kamin nicht direkt unterm Dach lagert und auch der Garten frei von leicht brennbarem Material ist. Auch hölzerne Dachstühle sind offene Pforten für Feuer. Gleichzeitig lichtet die örtliche Feuerwehr dort den angrenzenden Wald. In Zukunft werden auch Schafe um den Wald herum weiden, um das Brennmaterial zu minimieren.
Die 1,5-Grad-Marke der globalen Erderwärmung ist überschritten. Ist das Brandrisiko in der kommenden Saison besonders hoch?
Ich warne immer davor, den Waldbrand zu vergessen. Mit 2023 und 2024 hatten wir zwar zwei gute regenreiche Jahre, doch bereits in diesem Jahr sehen wir, dass der Niederschlag wieder stark im Defizit liegt. Das Wetter für die kommende Brandsaison ist noch nicht vorherzusehen, aber wir müssen immer auf den Extremfall vorbereitet sein.
Dieses Interview wurde zuerst im Mai 2025 veröffentlicht und aus aktuellem Anlass aktualisiert.