Dass die Bakterien in unserem Darm eine entscheidende Rolle für unser seelisches und geistiges Wohlbefinden spielen, daran besteht kein Zweifel mehr. Reizdarmpatient*innen etwa zeigen eindrücklich, wie sehr Verdauungs- und Denkorgan über die Darm-Hirn-Achse im Austausch stehen. Doch welche Mikroben genau wirken sich positiv und welche negativ auf das Gehirn aus? Darüber rätselt die Wissenschaft schon lange. Eine als Preprint erschienene Studie des Teams um Tie-Lin Yang an der Xi’an Jiaotong University in China legt nun nahe, dass zwei bestimmte Bakteriengattungen namens Fusicatenibacter und Oxalobacter unsere Intelligenz im Guten beziehungsweise Schlechten beeinflussen könnten.
Ursache und Wirkung: Fördern Darmbakterien die Intelligenz oder umgekehrt?
Um ein möglichst verlässliches Ergebnis zu erzielen, haben die Forschenden einigen Aufwand betrieben. Denn das grundsätzliche Problem solcher Studien ist, dass sich Ursache und Wirkung meist nicht klar zuordnen lassen. Machen tatsächlich bestimmte Darmbakterien die Menschen intelligenter? Oder führt vielmehr eine hohe Bildung dazu, dass Menschen sich beispielsweise anders ernähren und dadurch bestimmte Darmbakterien fördern? Um das auseinanderzuhalten, sind ein paar statistische Kniffe erforderlich.
So konzentrierten sich die Forschenden zunächst auf Menschen, die aufgrund bestimmter Gene von Natur aus entweder eine erhöhte Konzentration an Fusicatenibacter oder Oxalobacter in sich tragen. Eine Herangehensweise, die sich Mendelsche Randomisierung nennt.
Gene beeinflussen, welche Mikroben sich bei uns wohlfühlen
Dazu analysierte das Team Mikrobiom- und Genomdaten von rund 18.000 Menschen. Die Forschenden identifizierten 10 Gene, die eine erhöhte Menge an Oxalobacter im Darm fördern und 14 Gene, die Fusicatenibacter begünstigen.
Im zweiten Schritt werteten sie separate Datensätze aus, die Genomdaten sowie Testergebnisse von rund 260.000 Menschen enthielten. Darin war etwa festgehalten, wie die Personen in mathematischen und verbalen Tests abgeschnitten hatten. Dies gilt als relativ verlässlicher Indikator für Intelligenz.
Das Ergebnis: Wer Fusicatenibacter-freundliche Gene trug, hatte im Schnitt bessere Testergebnisse als Menschen, in deren Darm sich eher Oxalobacter wohlfühlten. Darüber hinaus wiesen Fusicatenibacter-Träger*innen auch ein größeres Hirnvolumen auf. Schon zuvor hatten Forschende Hinweise gefunden, dass Fusicatenibacter unter anderem wertvolle kurzkettige Fettsäuren produzieren, die möglicherweise die Kognition stärken.
Vorsichtshalber machten die Autor*innen auch noch eine Gegenprobe: Sie schauten sich Gene an, die mit einem hohen Intelligenzwert assoziiert sind. Dann prüften sie, ob diese Gene mit dem Vorkommen einer der beiden Bakterienspezies korrelierten. Das war nicht der Fall. Die Intelligenz beeinflusste also nicht, ob jemand Fusicatenibacter- oder Oxalobacter-Träger*in war.
Darm und Intelligenz: Die Studienergebnisse sind auf Europäer beschränkt
Die Forschenden sind sich daher relativ sicher, dass die beiden Bakterienspezies direkten Einfluss auf die Intelligenz ausüben und nicht umgekehrt. Ob sie sich aber, zum Beispiel mit Pro- und Präbiotika, gezielt fördern lassen, bleibt dagegen unklar.
Es gibt aber auch Kritik am Studiendesign. So bemängelt Kaitlin Wade, Epidemiologin und Statistikexpertin von der Universität Bristol, im Magazin New Scientist, dass der Einfluss der identifizierten Gene auf das Vorkommen der beiden Bakterienspezies nicht stark genug sei. Das schränke die Aussagekraft der Studie ein. Zudem wurden fast nur Daten von europäischstämmigen Menschen untersucht. Möglicherweise sähe das Ergebnis bei anderen Ethnien anders aus.
Was dem Mikrobiom schon heute hilft
Ohnehin handelt es sich nur um eine Vorabveröffentlichung. Bevor die Studie offiziell in einem wissenschaftlichen Magazin erscheint, wird sie noch einmal im Peer-Review-Verfahren von Fachleuten geprüft. Möglicherweise muss dann an der ein oder anderen Stelle nachgebessert werden.
Aber was kann man jetzt schon für ein möglichst hirnfreundliches Mikrobiom tun? Ergebnisse früherer Studien legen nahe, dass grundsätzlich eine abwechslungsreiche, pflanzenbasierte, ballaststoffhaltige Ernährung für ein vielfältiges, gesundes Mikrobiom sorgt und krankmachende Darmbakterien in Schach hält. Das stärkt nicht nur den Körper – sondern auch den Geist.