Gesundheit Stimmt's? Vier Kopfschmerz-Mythen auf dem Prüfstand

Frau fasst sich mit beiden Händen an den Kopf
Auch wenn die Zahl der Leiden mit den Jahren zunimmt: Kopfschmerzen sind unter Älteren keineswegs häufiger verbreitet
© Norbert Schaefer / Corbis / Getty Images
Löst Sex Kopfschmerzen aus? Kann Schokolade Migräne triggern? Es ranken sich viele Gerüchte um die Gründe für den Schmerz und die Mittel dagegen. Einige Annahmen sind längst überholt

1. Schokolade ist ein Migräne-Trigger

Oft wird vermutet, Schokolade könne einen Migräne- Anfall hervorrufen. Für diese Annahme gibt es aber keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise. Heute ist man sich weitgehend einig: Heißhunger auf Schokolade ist kein Auslöser, sondern Vorbote für einen Schmerzanfall – vergleichbar einer Zündschnur, die glimmt, bevor es brennt.

Im Gehirn von Migränepatienten sind vermutlich bestimmte Nervenbahnen übermäßig aktiv, und Energiemangel kann schnell einen Anfall auslösen: Das Gehirn signalisiert, wenn es einen Nachschub an Nahrung braucht. Die Lust auf Süßes steigt. Wahrscheinlich spüren Betroffene vor Migräne- Anfällen darum häufig ein intensives Verlangen nach Schokolade.

Als Medizin taugt das Naschwerk aber nicht: Wenn der Heißhunger auftritt, ist es bereits zu spät; ob man dem Verlangen nachgibt, hat in der Regel keinen Einfluss mehr auf den Schmerz. Besser geeignet als ein schneller Zuckerschub durch Schokolade sind regelmäßige, ausgewogene Mahlzeiten mit Vollkornprodukten, Kartoffeln, Obst und Gemüse.

2. Man sollte nicht mit nassen Haaren in die Kälte gehen

Empfindlichen Menschen kann ein feuchter Schopf im Winter Probleme bereiten. Denn nasse Haare und frostiges Wetter kühlen das Blut in der Kopfhaut ab. Dadurch verkrampft die Muskulatur am Kopf, und es kann ein allgemeiner Kopfschmerz auftreten. Zusätzlich strömt kalte Luft in die Nase und senkt die Bluttemperatur in den Nasennebenhöhlen und Schleimhäuten.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass unser Körper nun automatisch gewisse Abwehrmechanismen ergreift, um die Kühlungsaktivität des Gehirns zu reduzieren. Dies kann vermutlich zu sogenannten Sinusitis-Kopfschmerzen und Schmerzen im Bereich der hinteren Augenpartie führen.

Es wird deshalb dazu geraten, die Haare immer gründlich zu trocknen und bei eisigen Temperaturen eine winddichte Mütze zu tragen.

3. Sex löst Kopfschmerzen aus

Einer Studie zufolge dröhnt rund einem Prozent der Menschen beim Sex oder Masturbieren der Schädel. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen, denn mit dem Schmerz kommt oft auch die Scham. Das Phänomen betrifft mehr Männer als Frauen. Betroffene berichten von einem explosionsartigen Schmerz, der mit dem Höhepunkt eintritt.

Die genaue Ursache für den Kopfschmerz bei sexueller Aktivität ist noch ungeklärt. Forscher vermuten jedoch, dass zunehmende Muskelanspannung während des Akts, erhöhte Schmerzempfindlichkeit und eine Blutdruck-­steigerung während des Orgasmus den Schmerz auslösen.

Was lässt sich dagegen tun? Betroffene sollten den Arzt aufsuchen, um andere Ursachen auszuschließen. Mit Medikamenten lässt sich dem Schmerz zuvorkommen und vorbeugen. Oftmals verschwinden die Attacken nach einiger Zeit wieder. Mediziner raten Betroffenen bis dahin, beim Sex eine eher passive Rolle einzunehmen.

4. Im Alter nehmen die Kopfschmerzbeschwerden zu

Eher das Gegenteil ist richtig: Die häufigen Spannungskopfschmerzen und der intensive Clusterkopfschmerz tauchen im Alter seltener auf. Dafür aber treten Kopfschmerzen häufiger infolge anderer Krankheiten auf. Denn mit den Jahren nehmen meist grundsätzlich verschiedene Beschwerden und auch Erkrankungen zu, wie etwa Gefäß­entzündungen, Tumorleiden oder auch Augenprobleme, zu deren Begleiterscheinungen Kopfschmerzen zählen. 

Hinzu kommt: Alte Menschen nehmen öfter mehrere unterschiedliche Medikamente ein. Auch dadurch können Kopfschmerzen entstehen – entweder durch die Substanzen selbst oder durch den Entzug eines Stoffes beim Absetzen der Arzneimittel. Früher glaubte man auch, Migräne würde im höheren Lebensalter gleichsam "ausbrennen". Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass – statistisch gesehen – die Häufigkeit der Attacken im Alter weder zu- noch abnimmt.

Eschienen in GEO Wissen Gesundheit Nr. 15 (2020)