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Hirnforschung Das ewige Rätsel vom Bewusstsein: Wie das Ich in den Kopf kommt

Was lässt in einem Klumpen Materie subjektive Gefühle und Gedanken entstehen? Für dieses Mysterium hat der Neurowissenschaftler Christof Koch eine verblüffende Erklärung gefunden
Eine Illustration eines strahlenden Gehirns steht neben dem Porträt von Christof Koch
Der US-amerikanische Neurowissenschaftler Christof Koch zählt zu den einflussreichsten Forschern unserer Zeit. Koch lehrt am California Institute of Technology und ist seit 2011 leitender Wissenschaftler am Allen Institute for Brain Science in Seattle
© Jesper Klausen / Science Photo Library / Getty Images - Erik Dinnel / Allen Institute

GEO: Sie sagen, Sie können erklären, wie Bewusstsein entsteht. An diesem vielleicht größten Rätsel unserer Existenz verzweifeln kluge Köpfe seit Jahrhunderten. 

Christof Koch: Das stimmt. Bewusstes Erleben unterscheidet sich so fundamental von allem anderen in der Welt, von Stühlen, Autos oder Regenwolken, dass wir uns schwertun, dieses Phänomen systematisch zu fassen. Nicht zufällig kommt es in keiner gängigen wissenschaftlichen Theorie vor. Sie können sich die Einstein'sche Relativitätstheorie anschauen, die Quantenmechanik, das Periodensystem der Elemente, die molekulare Struktur von Genen: Nirgendwo werden Sie einen Hinweis auf Bewusstsein finden. Darauf, dass wir als Subjekte ergriffen sind, wenn wir eine Melodie von Richard Wagner hören, oder Kummer verspüren, wenn uns ein geliebter Mensch verlässt. Letztlich darauf, dass sich das Sein nach etwas anfühlt.

Intuitiv gehen viele davon aus, dass die Welt zweigeteilt ist: in die Welt der Materie, der Gegenstände. Und in die Welt des Geistes, die Welt unserer Gedanken und Gefühle. 

Diese Sichtweise folgt dem klassischen Dualismus, den der französische Philosoph René Descartes entwickelt hat. Demnach sollen Leib und Seele voneinander getrennte Einheiten sein. Das entspricht unserer täglichen Erfahrung: Der subjektive Geschmack von Erdbeeren scheint völlig anderer Natur zu sein als die Erdbeere selbst. Aber diese Vorstellung hat einen Haken: Wie sollte eine geistige, immaterielle Sphäre mit einer materiellen Welt interagieren, wenn sie doch völlig losgelöst von ihr existiert, gänzlich anderer Art ist? Anders ausgedrückt: Wie sollte ein flüchtiger Gedanke in der Lage sein, auf das Nervensystem einzuwirken, um so etwa einen Muskel in Bewegung zu setzen? Das kann ein Dualist schwer erklären.   

Also muss das Bewusstsein irgendwo in den Nervenzellen selbst zu finden sein?