Forensik Verwesen für die Wissenschaft: Rechtsmediziner kämpft für "Body Farm" in Deutschland

Studenten überwachen den Verwesungsprozess von Leichen
In den USA gibt es riesige Gelände auf denen menschliche Leichen unter wissenschaftlicher Aufsicht verwesen. Das liefert wertvolle Erkenntnisse für die Forensik und die Bestimmung des Todeszeitpunkts
© Robert Shults
Wenn Menschen sterben, kann ihr Leichnam ein wahres Ökosystem für Insekten bilden. Deren Untersuchung liefert Kriminalbiologen wichtige Hinweise zur Mordermittlung. Rechtsmediziner Jens Amendt setzt sich deshalb für eine "Body Farm" in Deutschland ein – wo Körper unter Beobachtung verwesen

GEO: Herr Professor Amendt, Sie sind seit 25 Jahren Spezialist für forensische Insektenkunde, untersuchen stark verfaulte Kadaver und erstellen Gutachten für die Polizei. Gewöhnt man sich an den Anblick und Geruch eines verwesenden menschlichen Körpers?

Prof. Jens Amendt: Ich mache das, weil es zum Job gehört, aber nicht, weil ich es toll finde. Bei gerade erst toten Körpern, bei denen man gefühlt noch Blickkontakt hat, habe ich ein komisches Gefühl. Aber die Leichen, mit denen ich zu tun habe, kann man oft gar nicht mehr als Mensch erkennen. Da sieht man nur noch eine Hülle, die sterbliche Hülle im wahrsten Sinne des Wortes. Deswegen ist die Optik für mich nicht das Problem. Es ist der Geruch. Der ist teilweise heftig, gerade im Sommer. Er ist für mich immer noch gewöhnungsbedürftig.

Wie kann die Forschung an Insekten der Polizei helfen?

Wir bekommen immer wieder Anfragen von Polizeidienststellen. In der Regel geht es darum, mithilfe von Insekten die Todeszeit einzugrenzen. In den ersten 24 Stunden bestimmt man diese klassischerweise über die Körpertemperatur, sowie durch Überprüfung der Leichenstarre und Totenflecken. Sobald sich die Körpertemperatur aber der Umgebungstemperatur angepasst hat, braucht man andere Methoden. Insekten, die die Leiche für sich entdeckt und besiedelt haben, sind eine verlässliche Möglichkeit. 

Nekrophage Insekten finden und fressen also menschliche Kadaver. Wie genau läuft dieser Prozess ab?

Am Anfang sind es vor allen Schmeißfliegen, die den toten Körper riechen können – auch aus größerer Distanz, bis zu ein paar Hundert Meter weit. Dort legen sie ihre Eier ab. Der Nachwuchs schlüpft dann innerhalb von etwa 20 Stunden. Dann fressen sich die Maden in den Körper. Vor allem an den natürlichen Körperöffnungen wie Augen, Nase und Mund. Deswegen ist der Kopf etwas, was schon am Anfang sehr stark weggefressen wird. Irgendwann verpuppen sich die Maden, und dann schlüpfen aus diesen "Puparien" neuen Fliegen.