Vor 230 Millionen Jahren bevölkern zahlreiche Reptilien, vor allem Archosaurier, den Urkontinent Pangaea. Zu ihnen zählen große Pflanzenfresser wie die Aetosaurier und Dicynodontier, aber auch fleischfressende Kreaturen wie die Rauisuchiden und die krokodilähnlichen Phytosaurier. Zwischen all diesen Wirbeltieren mit vier Gliedmaßen lebt eine noch unbedeutende Gruppe, die erst vor Kurzem die Weltbühne betreten hat: die Dinosaurier. Auffällig sind an ihnen nur die Hüften, die einigen Exemplaren ermöglichen, auf den Hinterbeinen zu laufen. Doch in Statur und Vielzahl ist die Gruppe den anderen unterlegen.
30 Millionen Jahre später haben die Dinosaurier an Größe und Vielfalt enorm zugelegt, sie dominieren die terrestrischen Lebensräume und haben die anderen Reptilien und viele große Amphibien verdrängt.
Wie konnten sich ausgerechnet die Dinosaurier durchsetzen? Ihr Aufstieg ist Forschenden bis heute ein Rätsel. Laut einer These lieferte ihr Hüftbau in Kombination mit ihren flexiblen Knöcheln einen evolutionären Vorteil: eine aufrechte Haltung, stehend auf den Hinterbeinen. Doch allein durch die Form der Knochen ließ sich der Erfolg der Dinosaurier bislang nicht vollständig aufklären.

Daher haben Paläontologinnen andere Überreste der Reptilien eingehend untersucht: Kot, Erbrochenes und Mageninhalte. Die Forschungsgruppe der Universität Uppsala hat zusammen mit Forschenden aus Norwegen, Polen und Ungarn 500 Bromalite untersucht – so heißen fossilierte Überreste aus dem Verdauungstrakt. Die Bromalite verschiedener Reptilienarten stammen aus der 30 Millionen Jahre währenden Phase, in der die Dinosaurier von einer Randgruppe zur dominanten Spezies aufstiegen. "Das Forschungsmaterial wurde über 25 Jahre hinweg gesammelt; wir haben viele Jahre gebraucht, um es zu einem schlüssigen Bild zusammenzusetzen", sagt der beteiligte Wissenschaftler Grzegorz Niedźwiedzki.
Um den fossilierten Fäkalien ihre Geheimnisse zu entlocken, untersuchten die Wissenschaftler dünne Schnitte der Proben mit optischen Mikroskopen, sie trennten und extrahierten die einzelnen Bestandteile mittels Massenspektrometrie und Chromatografie, und sie enthüllten per Synchrotron-Mikrotomografie dreidimensional das Innere der Häufchen.
Die Bromalite enthielten Überreste von Pflanzen, Fischen, Insekten und größerer Tiere, darunter Schuppen und Zähne. Einige Überreste waren hervorragend erhalten, wie winzige Käfer und halb vollständige Fische. Andere Bromalite enthielten zermahlene Knochen von knochenfressenden Raubtieren. Der Inhalt der Bromalite der ersten großen pflanzenfressenden Dinosaurier, der Sauropodomorpha, überraschte die Wissenschaftler. Sie enthielten große Mengen von Baumfarnen, neben vielen andere Pflanzenarten sowie Holzkohle. Die Paläontologen vermuten, dass die Holzkohle zur Entgiftung des Mageninhalts eingenommen wurde, da Farne für Pflanzenfresser giftig sein können.

Durch die Fülle an Funden konnten die Forschenden nicht nur das Essverhalten der Primärkonsumenten (Pflanzenfresser) und Sekundärkonsumenten (Fleischfresser) rekonstruieren, sondern diese Informationen in Beziehung setzen zur Häufigkeit der Spezies zu verschiedenen Zeiten sowie zu fossilen Pflanzen- und Paläoklimadaten.
"Die Untersuchung unverdauter Nahrungsreste und die Rekonstruktion, wer in der Vergangenheit wen gefressen hat, ist echte Detektivarbeit", erklärt Martin Qvarnström, der Hauptautor der Studie. "Zu Untersuchen, was die Tiere aßen und wie sie mit ihrer Umwelt interagierten, liefert unschätzbare Einblicke in das, was die Dinosaurier befähigte, eine Vormachtstellung zu erreichen"
Das Ergebnis der Arbeit erschien nun in der Fachzeitschrift "Nature": Die frühen Dinosaurier stachen hervor, weil sie besonders vielseitige Allesfresser waren. Sie konnten ein breiteres Nahrungsangebot als andere Reptilien nutzen. Als sich durch Umweltveränderungen und Vulkanausbrüche die Pflanzenwelt veränderte und neue Pflanzenarten entstanden, waren sie im Vorteil, spekulieren die Forschenden: Im Gegensatz zur Konkurrenz konnten sie das neue Pflanzen-Angebot verspeisen. Durch die Fülle von Pflanzennahrung spezialisierten sich manche Dinosaurier, sie wurden zu reinen Pflanzenfressern, die eine zunehmend größere Statur bildeten und sich in eine Vielzahl von Arten aufspalteten. Dies wiederum ermöglichte die Entstehung fleischfressender Dinosaurier, die dank des reichhaltigen Angebots an Pflanzenfressern zu gigantischen Kreaturen heranwuchsen.

Allerdings muss sich noch zeigen, ob dies auch den globalen Aufstieg der Dinosaurier erklären kann. Denn die Bromalite stammen allesamt aus dem polnischen Becken, das damals im Norden von Pangaea lag. Womöglich haben die Forschenden nur einen lokalen Effekt beobachtet.
Doch selbst dann belege ihre Studie, wie wichtig ökologische Widerstandsfähigkeit und Nahrungsflexibilität sind, damit Spezies überleben können, wenn sich die Umwelt verändert – bis heute: "Klimawandel, Massenaussterben und Faunenwechsel gehören leider nicht nur der Vergangenheit an", sagt Qvarnström. "Indem wir die Reaktionen der Ökosysteme in der Vergangenheit untersuchen, gewinnen wir wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich das Leben an veränderte Umweltbedingungen anpassen und gedeihen kann." Paläontologe Niedźwiedzki fasst die Studie noch knapper zusammen "Was man tun muss, um nicht auszusterben‚ ist, viele Pflanzen zu essen. Genau das taten die frühen pflanzenfressenden Dinosaurier: Der Grund für ihren evolutionären Erfolg ist eine wahre Liebe zu grünen und frischen Pflanzensprossen."