Die Geschichte des Lebens auf der Erde begann im Wasser – doch seinen eigentlichen Siegeszug trat es erst an, als es das Land eroberte. So zumindest eine verbreitete Vorstellung. Allerdings gab und gibt es auch Tiergruppen, die dem Land wieder den Rücken gekehrt und zurück ins Wasser gegangen sind. Die Wale sind das heute wohl bekannteste Beispiel für diese Strategie.
Dass Blau- und Buckelwal außerhalb des Wassers nicht überlebensfähig sind, ist offensichtlich. Doch was, wenn Lebewesen längst ausgestorben sind? Wenn wir von ihrer Existenz nur durch fossile Knochenfunde wissen? Wenn die Fundstelle nicht eindeutig auf einen aquatischen oder einen terrestrischen Lebensraum hinweist? Auf die Lebensweise fossiler Lebewesen allein aufgrund von einzelnen Merkmalen rückzuschließen, kann irreführend sein. Das zeigen jetzt Forschende der Universität Yale.
Für ihre in der Zeitschrift "Current Biology" veröffentlichte Studie analysierten sie Hunderte Fossilien aus der Sammlung des Yale Peabody Museum und anderer Institutionen weltweit. Zusätzlich nahmen sie 11.000 Messungen vor, setzten maschinelles Lernen ein – und nutzten sogar ein Verfahren aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, mit dem berechnet wurde, mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich bei einem Objekt auf dem Radarschirm um ein Flugzeug handelte. All das, um Anpassungen an das Leben im Wasser – also zum Beispiel Haut und Bindegewebe zwischen den Knochen der vorderen Extremitäten – präziser analysieren zu können.
Spinosaurus lebte im Wasser, Mesosaurier bervorzugten das Land
Auf diese Weise konnten die Forschenden zwei prominente Streitfälle beilegen. So gibt es in der Paläontologie seit Langem Uneinigkeit über den Spinosaurus, der vor etwa 113 bis 94 Millionen Jahren im heutigen Nordafrika lebte. Indizien sprechen zwar dafür, dass der Saurier unter Wasser tauchend Robben oder Pinguine gejagt hat. Anderen Hypothesen zufolge könnte der Vierbeiner aber auch überwiegend vom Gewässerrand aus gejagt haben.
"Wir konnten mit Sicherheit feststellen, dass der Spinosaurus sehr aquatische Lebensgewohnheiten hatte, was darauf hindeutet, dass er den größten Teil seiner Zeit unter Wasser verbrachte", sagt der Hauptautor der Studie, Caleb Gordon vom Florida Museum of Natural History in einer Pressemitteilung.
Umgekehrt verhält es sich im Fall der Mesosaurier, einer Reptiliengattung, die von etwa 290 bis 274 Millionen Jahren im heutigen Südafrika und Südamerika lebte. Während manche Forschende bislang von einer vollständig aquatischen Lebensweise ausgingen, erklärt Gordon: "Sie verbrachten viel Zeit an Land, ähnlich wie heutige Alligatoren oder Schnabeltiere. Mesosaurier haben das Land nicht vollständig verlassen." Ihr Verfahren lasse mit mehr als 90-prozentiger Sicherheit auf die Lebensweise fossiler Arten schließen, erklären die Autorinnen und Autoren.
"Diese sekundär aquatischen Gruppen passten sich auf auffallend ähnliche Weise an ihre neue aquatische Heimat an", sagt Gordon. "Sie entwickelten Flossen und eine Reihe anderer Merkmale, die sie zu besseren Schwimmern machten. Dadurch sind sie zu Lehrbuchbeispielen für konvergente Evolution geworden." Gemeint sind damit ähnliche "Lösungen" nicht miteinander verwandter Spezies für dasselbe Problem. Etwa das Fliegen – oder eben das Schwimmen.