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Von der Natur leben Survival-Trainer zeigt, wo wir im Winter im Wald Essbares finden

Falk Brune
Falk Brune liebt Abenteuer in der Natur. Er ist Forstwirt und Survival-Trainer
© Rebecca Häfner
Wer sich auch an trüben Wintertagen nach draußen an die Luft traut, kann kleine Abenteuer in der Natur erleben! Unsere GEO-Autorin hat sich mit einem Survival-Experten im Wald auf die Suche nach essbaren Pflanzen gemacht, die auch in der kargen Jahreszeit noch wachsen

Als ich noch ein Kind war, ist meine Mutter oft mit mir durch Felder und Wälder spaziert. Ihr Finger zeigte auf Ähren, Bäume oder Sträucher, um mir zu zeigen, welche Pflanzen dort wachsen. Ein bisschen wie in Kindertagen fühle ich mich auch an einem kühlen Novembertag in Hamburg.

Falk Brune, Forstwirtschaftler und Survival-Trainer beim "Ausbildungszentrum für Überlebenstechniken", startet mit mir östlich der Außenalster am Kuhlmühlenteich in ein kleines Abenteuer. Wir wollen uns im Wald umschauen und herausfinden, welche essbaren Wurzeln, Blätter, Samen oder Früchte wir zu dieser kargen Jahreszeit noch finden.

Das Nahrungsangebot in der freien Natur im Winter falle allerdings sehr gering aus, meint Brune. "Nicht umsonst haben unsere Vorfahren, die viel über die Natur und wilde Pflanzen wussten, im Frühjahr, Sommer und Herbst für den Winter vorgesorgt und Vorräte angelegt." Die Suche nach Essbarem sei im Winter äußerst anspruchsvoll, weil spätestens gegen Ende des Jahres viele für uns nutzbare Pflanzen absterben. Nur noch einzelne Samen oder Wurzeln sind dann als eine Quelle für Protein und Nährstoffe im Wald zu finden.

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Essbares findet sich auch in der Großstadt

Doch gleich zum Start unserer Tour – noch in einem Wohngebiet der Hansestadt – zeigt mir Brune eine Frucht, die wir zu meiner Überraschung essen können. Beim Wort Eibe habe ich nämlich die mahnenden Worte meiner Mutter im Ohr: "Die hübschen, roten Früchte sind giftig. Die darfst du nicht essen!" Der Experte belehrt mich eines Besseren: Zwar sei die Eibe eine sehr toxische Baumart. Das Fruchtfleisch ihrer Beeren allerdings ist essbar. Er erklärt mir: "Du musst das Fruchtfleisch vorsichtig ablutschen, es mit der Zunge vom Kern lösen und den Kern ausspucken."

Frucht und Kern einer Beere der EIbe liegen auf einer Hand
Wer die Beere einer Eibe isst, muss den giftigen Kern (rechts) ausspucken
© Rebecca Häfner

Zögerlich stecke ich mir eine der roten Beeren in den Mund, ein süßlicher und leicht bitterer Geschmack breitet sich auf meiner Zunge aus. Der Kern landet in der Wiese. Würde ich einen Kern verschlucken, wäre es noch wahrscheinlich nicht schlimm, doch würde ich mehr als zwei zerkaute Kerne schlucken, könnte es schon nötig sein Entgiftungsmaßnahmen durchzuführen, erklärt Brune. Symptome einer Vergiftung sind zum Beispiel Schwindel, Übelkeit und Mundtrockenheit. Außerdem finden wir an einer Linde noch rote Knospen. Sie sind knackig und schmecken leicht nussig. "Perfekt, um sie über einen Salat zu streuen."

Giftnotfall

  • In das Survival-Gepäck am besten Aktivkohle einpacken, die könne Giftstoffe binden, rät Falk Brune.
  • Sich zum Erbrechen zu bringen, kann im Vergiftungsfall der falsche erste Gedanke sein, weil einige Gifte über die Schleimhäute aufgenommen werden, sagt Brune.
  • Bei möglichem Vergiftungsverdacht den Giftnotruf anrufen und die Expert*innen um Rat fragen. Eine Auflistung mit Giftnotrufzentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz finden Sie hier.

Langsam mustern mich die Augen hinter den Brillengläsern von Falk Brune. "Die Schuhe müssten ok sein", attestiert er meinen schwarzen Dr. Martens. Seine Füße stecken in outdoortauglichen Wanderschuhen. Auch der Rest des Outfits mit olivgrünem Parka, schwarzer Regenhose, blauer Strickmütze, das kleine Messer, das um seinen Hals baumelt, zeigt die Liebe zur Natur und die Lust des Mittdreißigers, immer wieder zu Abenteuern an der frischen Luft aufzubrechen.

"Was wir im Winter im Wald finden, hängt natürlich davon ab, in welchem Teil von Deutschland wir sind", erklärt mir Brune, als wir zur Boberger Niederung im Südosten der Hansestadt unterwegs sind. Die einzigartige Landschaft mit ihren Heideflächen, Binnendünnen, dem See und lichteren Waldstücken ist an diesem trüben Montag fast menschenleer – nur ein paar Hundebesitzer*innen kreuzen unseren Weg.

Outdoor-Erlebnis: Handschuhe gehören ins Gepäck

Brennnessel im Wald
Brennnesselblätter sind reich an Eiweiß
© Rebecca Häfner

Am Wegesrand wird Brune fündig: Brennnesseln. Zugegeben: Viele der Blätter haben bereits braune Ränder und viele der Samen sind vertrocknet. Doch mit etwas Glück lassen sich noch grüne Blätter und Samen entdecken. Wer schon mal als Kind mit nackten Waden durch Brennnesseln gerannt ist, weiß, dass es nicht ratsam ist, die Blätter anzufassen.

Deswegen gehören für solch ein Outdoor-Erlebnis Handschuhe ins Gepäck: "Die Brennhaare auf den Blättern müssen wir leicht mit der Hand wegdrücken, danach können wir die Blätter roh essen oder als Tee aufbrühen", erklärt mir der Survival-Trainer. Nussig schmecken die Blätter, die reich an Eiweiß sind, die Samen bitzeln wegen ihrer Brennhärchen etwas auf der Zunge und versorgen uns mit essentiellen Fettsäuren. "Brennnesseln sind super zum Überleben, weil an einer Stelle immer viele wachsen und ich mich satt essen könnte. Ein weiteres Plus: Samen, Blätter und Wurzeln sind essbar."

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Allerdings lassen sich die Wurzeln nur schwer kauen und schmecken nicht so gut, gesteht Brune selbst. Unmengen an Blättern und Pflanzen dürfen im Wald allerdings nicht gepflückt werden. Das Bundesnaturschutzgesetz regelt, dass wilde Pflanzen nicht ohne triftigen Grund von ihrem Standort entfernt werden oder verwüstet werden dürfen.

Doch es gibt Ausnahmen: "Jeder darf […] wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen", heißt es im Paragraf 39 des Gesetzes.

Birke und andere Bäume an einem trüben Tag
Birken sind echte Überlebensbäume
© Rebecca Häfner

Als wir einige Birken finden, ist der Survival-Trainer begeistert: Ein echter Überlebensbaum. Von Februar bis März oder April (je nach Witterung) könne man den Stamm des Baums anbohren, um an Flüssigkeit zu kommen. Und kleine Rindenstücke lassen sich auch nass nutzen, um ein Feuer zu machen. Die Blätter haben sich fast alle schon gelb verfärbt oder sind auf den Boden gefallen. Trotzdem entdecken wir noch einzelne grüne Blätter, die wir essen können. Sie sind etwas fest und mild. Vor allem im Frühjahr seien sie sehr schmackhaft, meint Brune.

Manche lecker aussehende Frucht ist giftig

Brombeeren im Wald
Noch ein paar letzte Brombeeren hängen in den Sträuchern
© Rebecca Häfner

Fast wie ein Hund, der mit seiner Nase die Spur eines Kaninchens oder einer Maus gewittert hat, bewegt sich Falk Brune durch den Wald: konzentriert, mit wachsamen Augen, immer auf der Suche nach unserer potentiellen Beute. Dass am Weißdorn noch rote Beeren hängen, überrascht Brune. Trotz ihres fortgeschrittenen Reifegrads schmecken sie noch – sie erinnern mich an Schlehen. Außerdem entdecken wir auf unserem Streifzug noch die wahrscheinlich letzten Himbeeren des Jahres, Brombeeren, ihre Samen und Blätter.

Pfaffenhüttchen in einer hand mit Handschuh
Vorsicht, giftig! Nicht alles, was schön aussieht, ist essbar
© Rebecca Häfner

Von weitem sind die orange-pinken Früchte zu erkennen, die zwar köstlich aussehen mögen, aber sehr giftig sind: die Pfaffenhüttchen. "Man sollte im Wald nur das essen, was man erkennt. Für erste Ausflüge können Bestimmungsbücher hilfreich sein."

In einer echten Überlebenssituation, aber auch wirklich nur für diese, gelte: "Unbekannte Früchte öffnen und daran riechen. Riechen sie nicht komisch, könne man sie in die Armbeuge reiben. Mehrere Stunden abwarten. Zeigt sich keine allergische Reaktion, zwei bis drei Früchte essen und vierundzwanzig Stunden abwarten. Passiert nichts, kann die Dosis vorsichtig erhöht werden."

Kaffee kann man auch aus Eicheln kochen

Falk Brune erklärt Rebecca Häfner etwas
Die Ulme lässt sich eindeutig an dem ungleichen Blattwuchs erkennen, erklärt Falk Brune der GEO-Redakteurin Rebecca Häfner
© Rebecca Häfner

Beim Anblick eines Baumes in direkter Nachbarschaft zu dem Spindelstrauch fangen die Augen meines Begleiters an zu leuchten. Er erklärt mir, dass Ulmen sehr selten zu finden sind. Essbar sei zwar nichts an dem Baum, doch er lasse sich durch die ungleichen Blattwuchs erkennen.

Dafür könnten wir in einer Überlebenssituation die Wurzeln vom Schilfrohr essen. Doch der moderige und faulige Geruch macht das schwer denkbar. Um diese Wurzeln essen zu können, müssten sie gewässert werden. Eine Technik, die sich früher Menschen zu Nutze gemacht haben, um Eicheln essen zu können.

Eicheln essen

"Um die Gerbstoffe aus der Frucht zu bekommen, muss sie fünf- bis sechsmal über mehrere Stunden gewässert werden. Gemahlen und geröstet hat man so früher aus Eicheln Kaffee gekocht. Auch wurde in Notzeiten aus Eichelmehl Brot gebacken." Es raschelt, als wir im abgefallenen Laub der Eiche nach ein paar Eicheln suchen – wir haben kein Glück. "Wahrscheinlich haben sich die Wildschweine hier schon bedient", sagt der Forstwirtschaftler.

Eiche in den Boberger Niederungen
Eicheln finden sich zwischen dem Laub nicht mehr
© Rebecca Häfner

Dafür entdecken wir Klee, die Blätter landen in unserem Mund – am ehesten lässt sich das Aroma mit Erbsen vergleichen. Auch bei den Kiefernzapfen sucht Falk Brune mit seinem Messer vergeblich in den Kammern nach den Samen – sie sind schon herausgefallen. An den Abdrücken können wir aber noch erkennen, wie je zwei Samen in einer Kammer gesteckt haben.

Falk Breune hält einer Kiefernzapfen in der Hand
Im Kiefernzapfen lassen sich Mitte November keine Samen mehr finden
© Rebecca Häfner

Als es allmählich dunkler wird, machen wir uns auf den Rückweg nach Hause. Zwar hat Mutter Natur im Winter nur noch wenige Schätze im Wald zu bieten, die wir essen können. Es macht aber Spaß, die Natur so durch neue Augen zu sehen.

Beim nächsten Ausflug in den Park oder den Wald zu wissen, was ich essen könnte und was nicht. Vor allem aber kann ein solches Abenteuer ein guter Anlass sein, um sich an trüben, kalten Tagen mit Nieselregen auf in den Wald zu machen und die frische Luft in der Natur zu genießen.

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