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Den großen Moment teilen sie mit 38 000 Menschen in Sporthosen, die auf einer Brücke stehen und am liebsten weinen möchten. "Allein der Anblick von Manhattans Skyline treibt vielen von uns die Tränen in die Augen", sagt die Läuferin Cathrin Wirtz. Selbst abgehärtete Athleten sind gerührt, wenn die Riesenstadt ihnen Platz macht und mehr als 2,5 Millionen Menschen an der Strecke stehen und ihnen zujubeln. Für viele Hobbysportler ist es ein Traum, nach New York zu fliegen und den Marathon zu laufen. Vielleicht liegt es daran, dass diese Stadt kein Mittelmaß duldet. Dass sie das Beste aus einem herausholt.
Wer will schon in einer Stadt schwächeln, die selbst jede Herausforderung annimmt? Bereits Tage vor dem Start feuern die New Yorker Cathrin Wirtz an, wann immer sie in ihrem Laufdress durch die Straßen von Brooklyn trabt. Die 33 Jahre alte Lektorin wohnt seit zwei Jahren in dem Stadtteil, der auch Kulisse für den Lauf ist. Mit ihrem Vater Martin, einem 66-jährigen Augenarzt aus dem niederrheinischen Viersen, nimmt sie in diesem Jahr zum siebten Mal in Folge am New York Marathon teil. Für sie ist es ein magischer Moment, wenn sich die Läufer auf der Verrazano Narrows Bridge versammeln. "Manche mögen die Amerikaner für zu überschwänglich halten, doch ihre Euphorie motiviert ungemein", sagt Cathrin Wirtz. Wenn ab Kilometer 30 alles schmerzt, treibt das Publikum die Läufer mit "Go! Go!"- Gebrüll und "Almost Home!"-Rufen in Richtung Ziel, zum Central Park. Wirtz war letztes Mal nach 4:06:25 zu Hause. Marathon ist von einem sportlichen zu einem touristischen Phänomen geworden. Für Ausländer ist es gar nicht so einfach, eine Startnummer zu bekommen.
Viele probieren es über die Lotterie, am sichersten ist es aber mit Reiseveranstaltern wie Dertour oder Grosse-Coosmann, die Pakete mit Teilnehmerticket, Anreise und Unterkunft anbieten. Billig ist das nicht - mit rund 2000 Euro für fünf Tage muss man rechnen. Den Läufern ist es das wert. 850 Teilnehmer aus Deutschland reisen jedes Jahr mit Grosse-Coosmann nach New York. "Viele melden sich schon ein Jahr im Voraus an, denn sie wissen, dass das Kontingent begrenzt ist", sagt Geschäftsführer Peter Vetter. Der 47-Jährige läuft auch Marathon, für einen besonderen Start im Jahr 2010 hat er sich schon angemeldet: Die Geburtsstätte der Langstrecke feiert dann ihr 2500-jähriges Jubiläum, die Ur-Kilometer von Marathon nach Athen. Maximal 8500 Läufer werden zugelassen. Vetters Bestzeit? "Nicht so toll", sagt er selbstkritisch. Seine Kundschaft, die durchschnittlich 40 Jahre alt ist, sei teilweise schneller und sammle regelrecht Marathon-Strecken. Allein in Deutschland werden pro Jahr mehr als 100 Läufe veranstaltet. Inzwischen wird in so gut wie jedem Winkel der Welt gerannt: auf Hawaii, in Südafrika, Ägypten, Brasilien oder am Nordpol. Das Geschäft boomt. Die begehrten Stadt-Marathonläufe sind oft schon innerhalb weniger Tage ausgebucht. Und auch die großen Reiseveranstalter bieten inzwischen die Reise zur Langstrecke an. Die Teilnehmer sind Läufer wie Claude Malige.
Marathon: Selbst abgehärtete Athleten sind gerührt, wenn mehr als 2,5 Millionen Menschen an der Strecke stehen und ihnen zujubeln
Laufen für den guten Zweck
Der 49-jährige Franzose und IBM-Manager hat Klassiker wie Paris, Amsterdam und New York hinter sich und bereitet sich für den Ultramarathon auf La Réunion vor, fast 9000 Höhenmeter und 150 Kilometer muss er bewältigen. Vor zwei Jahren lief Malige in Marokko. In sechs Tagen überwanden sie im "Marathon des Sables" bei rund 40 Grad 240 Kilometer. Warum tut man sich das an? Wie fast alle Marathonläufer treibe auch ihn die Herausforderung, sagt der Franzose, in Marokko lief er zudem für einen guten Zweck, es wurde Geld gesammelt für krebskranke Kinder. Mit einigen gingen die Sportler über die Ziellinie. "Es war einer der emotionalsten Momente in meinem Leben", sagt Malige, selbst dreifacher Vater. "Wir wollten den Kindern damit auch zeigen, dass man Grenzen überwinden kann. Und sie zum Kampf gegen ihre Krankheit ermutigen." Mehr als 20 000 Euro kamen zusammen. So gut der Zweck auch sein mag, Maliges Familie hält ihn für verrückt. Trotzdem unterstützen sie ihn; Marathon ist eben auch ein Erlebnis für die Zuschauer. Zu den Top-Five-Runs zählt der Berliner mit rund 40 000 Teilnehmern; hier stellte der Äthiopier Haile Gebrselassie 2008 mit 02:03:59 den Weltrekord der Männer auf. "Ein Sieger, der durchs Brandenburger Tor läuft, ist fürs Image unbezahlbar", sagt Christian Tänzler vom Berlin Tourismus Marketing. Das Marathon-Wochenende ist für die Stadt eines der wichtigsten Ereignisse im Jahr.
Die IHK hat errechnet, dass die Veranstaltung Berlin rund 65 Millionen Euro Umsatz beschert. Jeder Besucher lässt knapp 500 Euro in der Stadt – dabei ist alles berücksichtigt, vom Brötchen bis zum Hotel. Denn viele Sportler bringen ihre Familien mit und hängen noch ein paar Tage Urlaub dran. Probleme mit den Anwohnern gibt es in Berlin nicht. Während es in anderen Städten zu Protesten komme, etwa in Hamburg, wo viele klagen, dass allein für Marathons an drei Wochenenden im Jahr Straßen gesperrt würden, beobachtet Tänzler in der Hauptstadt fast schon eine New Yorker Lässigkeit: "Seit der Fußball- WM sind die Berliner gegenüber Sportereignissen noch aufgeschlossener." Rund eine Million Zuschauer standen im letzten Jahr am Straßenrand. Von 36 841 Startern erreichten 35 783 das Ziel. Auch Matthias Lohre schätzt die Stimmung beim Berlin Marathon. Und doch wird sich der 33-jährige Journalist, der in diesem Jahr zum vierten Mal teilnimmt, vor dem Start abschotten: Vergangenes Jahr hat ein Freund ihm einen Marathon-Musik-Mix für den iPod zusammengestellt, Länge: 4 Stunden 15 Minuten. "Das war meine angepeilte Zeit. Als ich ins Ziel kam, wunderte ich mich, dass die Musik noch lief." Sein Ergebnis: 04:02:07. Die nächste Playlist soll noch kürzer sein. Seine Ziele? "Dieses Jahr unter vier Stunden bleiben, bald in New York starten."
Marathonläufe und Veranstalter
Marathonläufe
Berlin Marathon, 20. September. Startgebühr (dieses Jahr bereits ausverkauft): ab 55 Euro; www.real-berlin-marathon.com
Le Grand Raid de La Réunion, 23.–25. Oktober. Startgebühr: ab 145 Euro. www.grandraid-reunion.com
New York City Marathon, 1. November. Für Ausländer ab 231 US$. www.ingnycmarathon.org
Veranstalter
Grosse-Coosmann Sportreisen, Tel. 0251-13 32 60, www.gro-co.de
DerTour Live, Tel. 01805- 33 76 66 (besondere Gebühren), www.dertour.de
Marathon Reise Service, Tel. 05252-98 52 89, www.marathon-reise-service.de
LaufKulttour, Tel. 0821-998 80 09, www.laufkulttour.de
Websites
www.laufkalender24.de Termine auch in Europa
www.marathon-guide.com Termine weltweit