Sein Weltrekord hielt 37 Jahre lang: Reinhold Messner galt als erster Mensch, der es auf alle 14 über 8000 Meter hohen Berge dieser Welt geschafft hat. Bei keiner der Besteigungen atmete er künstlichen Sauerstoff.
Nun hat ihm die Redaktion des "Guinness Buch der Rekorde" den Titel aberkannt. Grundlage für die Entscheidungen sind neue Satellitenaufnahmen und Geodaten. Der Himalaya-Experte Eberhard Jurgalski und sein Team hatten gezeigt, dass einige Gipfel lange falsch lokalisiert wurden.
Zahlreiche Bergsteigerinnen und Bergsteiger standen demnach nie auf dem 8091 Meter hohen Gipfel der Annapurna in Nepal, auch Messner und sein Seilpartner Hans Kammerlander nicht. Im Sommer 1985 seien sie 65 Meter vor und fünf Meter unter dem höchsten Punkt des Berges umgekehrt, behauptet Jurgalski. Im Guinness-Buch wird Messners Rekord fortan dem Zusatz "legacy" versehen: "Altbestand".
Jurgalski beruft sich für seine Aussagen auch auf Berichte des Alpinisten selbst: In seinen Büchern beschreibt Messner, wie die Wolkendecke aufriss, als er und Kammerlander auf dem Annapurna-Gipfel standen – und er das Basislager Tausende Meter unter sich erspähte. Analysiere man jedoch aktuelle Geodaten und Gipfelfotos, so Jurgalski und sein Team, komme man zu dem Schluss, dass das Basislager vom Gipfel aus nicht zu sehen ist.
Messner hält jedoch schon die Berechnungen für irreführend: "Wir waren am Gipfel dieses Berges", sagt er. "Wir haben drei Tage und Nächte in der Wand verbracht und sind dann auf dem Gipfelgrat ausstiegen." Der höchste Punkt des Berges befinde sich auf diesem Grat, sein genauer Ort verschiebe sich jedoch ständig: etwa wenn eine Wechte abbricht oder sich Neuschnee an einer Stelle häuft.
Folglich könne man seinem damaligen Aufstieg nicht einfach heutige Geodaten entgegenzusetzten, sagt Messner. "Das ist eine andere Welt. Und diese Menschen, die das jetzt hinausposaunen, haben keine Ahnung von der großen Natur."

Neuer Rekordhalter ist der bis dahin Zwölfplatzierte US-Amerikaner Ed Viesturs; allen vor ihm Platzierten wurde ebenfalls die Gipfelbesteigung aberkannt. Auch Viesturs sieht die Neubeurteilung kritisch: "Ich bin der festen Überzeugung, dass Reinhold Messner der erste Mensch war, der alle 14 Achttausender bestiegen hat, und dass dies auch heute noch anerkannt werden sollte", wird er von der Deutschen Presseagentur zitiert.
Auf die Aberkennung angesprochen, gibt sich Messner betont gelassen: "Im Grunde kann ich darüber nur lächeln", sagt er. "Ich habe diesen Eintrag ins Guinness-Buch nie gewollt." Ohnehin gebe es im traditionellen Alpinismus – Messner legt seit jeher großen Wert darauf, diesen von neuen Spielarten abzugrenzen – weder Vergleichskämpfe noch Rekorde.