Erstmals beobachtet Von wegen Vegetarier! Fleischfressende Erdhörnchen machen Jagd auf Mäuse

Fotos und Videos beweisen es: Der kalifornische Ziesel frisst sich nicht nur an Nüssen und Samen satt, sondern jagt auch Wühlmäuse
Fotos und Videos beweisen es: Der kalifornische Ziesel frisst sich nicht nur an Nüssen und Samen satt, sondern jagt auch Wühlmäuse
© Sonja Wild UC Davis
Als Forschende Erdhörnchen dabei beobachten, wie sie Jagd auf Wühlmäuse machen, trauen sie ihren Augen kaum. Doch die fleischhaltige Kost könnte den Nagern Vorteile bringen

Wenige Tiere punkten auf der Sympathieskala höher und begeistern Menschen bei ihrem Anblick mehr als Erdhörnchen: Sie turnen possierlich von Ast zu Ast, schwingen ihren buschigen Schwanz und stopfen sich ihre Backentaschen mit Unmengen von Nüssen, Körnern, Samen und Früchten voll. Doch das Bild vom emsigen, aber harmlosen Sammler mit dem flauschigen Fell ist nun widerlegt – zumindest bei einem Familienmitglied. Forschende der University of California in Davis beobachteten Vertreter des Kalifornischen Ziesels (Otospermophilus beecheyi) dabei, wie sie systematisch Jagd auf Wühlmäuse machten und die Tiere nach erfolgreicher Jagd auffraßen.

Die im "Journal of Ethology" veröffentlichten Beobachtungen waren für die beteiligten Forschenden eine große Überraschung. Denn eigentlich sucht auch das an der US-amerikanischen Westküste beheimatete Erdhörnchen in Bäumen und am Boden nach Samen, Nüssen, Wurzeln und Pilzen, hortet die Nahrung in seinen Backentaschen, vergräbt sie in Erdlöchern oder klettert damit auf einen Aussichtspunkt, um sie genüsslich zu verspeisen. Nur hin und wieder stehen Insekten oder Eier auf dem Speiseplan des Ziesels. 

Als Studierende der University of California die Tiere nun im zwölften Jahr eines Hörnchen-Forschungsprojekts im Briones Regional Park bei der Jagd auf Wühlmäuse beobachteten, konnten die Leiterinnen des Langzeitprojekts das deshalb zunächst kaum glauben. Doch Foto- und Videoaufnahmen belegen, was sich auch direkt beobachten ließ: Von 74 Interaktionen zwischen Ziesel und Wühlmaus im Juni und Juli dieses Jahres zeigten 42 Prozent die Jagd der großen auf die kleinen Nager. Die Erdhörnchen gingen dabei ganz unabhängig von Alter und Geschlecht auf Mäusejagd – und konkurrierten und kämpften sogar um ihre Beute.  

"Verhalten noch nie zuvor gesehen"

"Das war schockierend", sagt die Hauptautorin und Leiterin des Forschungsprojektes, Jennifer E. Smith, in einer Mitteilung der Universität. "Wir hatten dieses Verhalten noch nie zuvor gesehen. Hörnchen gehören zu den Tieren, die dem Menschen am vertrautesten sind. Wir sehen sie direkt vor unseren Fenstern und haben regelmäßig mit ihnen zu tun. Aber dieses in der Wissenschaft noch nie beobachtete Verhalten zeigt, dass es noch so viel mehr über die Naturgeschichte der Welt um uns herum zu lernen gibt."

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Einen Höhepunkt erreichte die Mäusejagd im Briones Regional Park, als in den ersten beiden Juliwochen die Zahl der Wühlmäuse sprunghaft anstieg, weil die frisch geborenen Mäusejungen das Nest verließen. Die Forschenden vermuten, dass das Jagdverhalten der Ziesel mit dem vorübergehenden Anstieg der Beutetiere zusammenhängt. Denn bei der Jagd auf andere kleine Säuger wurden die Erdhörnchen nicht beobachtet. 

Ziesel sind "unglaubliche Opportunisten"

Die Forschenden schließen aus ihren Beobachtungen, dass die Ziesel "unglaubliche Opportunisten" sind. "Die Tatsache, dass das kalifornische Erdhörnchen in seinem Verhalten flexibel ist und auf Veränderungen im Nahrungsangebot reagieren kann, könnte ihm helfen, in einer Umgebung zu überleben, die sich durch die Anwesenheit des Menschen schnell verändert", so Sonja Wild, Co-Leiterin des kalifornischen Hörnchen-Projekts.

Dass Nahrungswechsel es Tieren grundsätzlich ermöglichen, flexibel auf sich verändernde Risiken und Chancen bei der Nahrungssuche zu reagieren, war bereits bekannt. Wie weit die omnivore Ernährung beim Kalifornischen Ziesel geht, muss nun durch weitere Untersuchungen geklärt werden: Zum Beispiel, ob es sich um ein lokales Phänomen handelt oder ob die Jagd auf kleine Nagetiere weiter verbreitet ist und möglicherweise sogar bei anderen Erd- oder Eichhörnchen vorkommt. Außerdem wollen die Forschenden herausfinden, ob die Erdhörnchen ihr Jagdverhalten auch an ihre Nachkommen weitergeben und ob sich Fleisch auf dem Speiseplan positiv auf die Fortpflanzungsrate der Tiere auswirkt.