GEO.de: Sie waren wissenschaftliche Beraterin bei dem Film "Schimpansen". Was waren Ihre Aufgaben?

Jane Goodall: Ich habe nur eine kleine Rolle bei der wissenschaftlichen Beratung gespielt. Man hat mir das Drehbuch gezeigt und mit mir über das Filmkonzept gesprochen. Das war es eigentlich schon. Worum es Disney wirklich ging, war meine Unterstützung bei der Bekanntmachung des Films. Das dient den Filmemachern, aber auch uns, dem Jane Goodall Institut.
Wir bekommen einen Anteil der Einnahmen – das ist sehr wichtig. Denn unsere Anliegen, etwa gegen den Handel von Buschfleisch (Fleisch von illegal gejagten Wildtieren) vorzugehen, den Lebensraum der Schimpansen zu erhalten, Roots & Shoots (Aktionsprogramm des Jane Goodall Instituts für Kinder) weiterzuentwickeln, kosten viel Geld. Deshalb brauchen wir jede mögliche Finanzierung und ein Bewusstsein in der weltweiten Bevölkerung für diese Probleme. Der Film hilft uns hier weiter: Wir können Aufmerksamkeit für Schimpansen schaffen, indem wir über den Film sprechen, und bekommen finanzielle Mittel für unsere Arbeit.
Wie hat Ihnen der Film gefallen? Stellt er das Leben wilder Schimpansen realistisch dar?
Ich liebe den Film! Meine Lieblingsszene ist, als der kleine Oskar lernt, Nüsse zu knacken. Das zu beobachten, ist absolut magisch. Und natürlich Freddy, wie er sich um Oskar kümmert. Was für eine unglaubliche Geschichte!
Wie empfinden Schimpansen Ihrer Meinung nach?
Soweit wir wissen, können Schimpansen sehr verschiedene Gefühle empfinden: Freude, Trauer, Frustration, Glück… Einfach gesagt: Alle Arten von Emotionen, die wir empfinden, scheinen Schimpansen genauso oder zumindest ähnlich zu haben.
Sie kennen die Bedeutung vieler Schimpansen-Laute. Kommunizieren Sie auch mit Ihnen?
Ich verstehe zwar die Bedeutung ihrer Laute, aber ich versuche nicht mit ihnen zu kommunizieren. Ich habe sie 50 Jahre lang beobachtet. Trotzdem sehe ich immer wieder Verhaltensweisen, die ich mir nicht erklären kann. Schimpansen sind wie Menschen Individuen, die durch ihre Lebensläufe zu einzigartigen Charakteren herangewachsen sind. Es gibt zum Beispiel auch bei Schimpansen gute und schlechte Mütter. Das wiederum beeinflusst die Kinder und wie diese sich im Erwachsenenalter verhalten.
Und Sie haben nie versucht, mit den Schimpansen aktiv zu kommunizieren?
Nein. In Gefangenschaft ist es aber durchaus möglich, Schimpansen Gebärdensprache oder die Verständigung über Zeichentafeln beizubringen.
Was halten Sie davon?

Ich finde das ziemlich verblüffend! Wenn Schimpansen heute in Gefangenschaft leben, werden sie meist nicht mehr wild gefangen, sondern bereits in Gefangenschaft geboren. Jede Art der Beschäftigung kann für sie nur gut sein. Sie langweilen sich so sehr und genießen es zu lernen. Daher ist es eine Möglichkeit, Einblick in ihre Gedanken zu bekommen und ihren Verstand zu begreifen. Und so Dinge zu erfahren, die man ansonsten nicht wüsste.
Ein kleines Beispiel: Ein junger Schimpanse, er war etwa fünf Jahre alt, liebte es zu zeichnen. Häufig war nicht zu erkennen, was seine Zeichnungen darstellen sollten. Dank der Gebärdensprache konnte er seine Bilder allerdings erklären.
Eines Tages zeichnete er eine einfache Zickzack-Linie und gab sie seinem Betreuer. Der forderte ihn auf, das Bild fertig zu zeichnen. Der Schimpanse gebärdete zurück: "Fertig!" Also fragte der Lehrer ihn, was das Bild darstellen sollte. Und der Schimpanse antwortete: "Ball." Wenn ein Kind einen Ball zeichnet, ist es ein runder Kreis, richtig? Was hat der Schimpanse gemacht? Er hat die Bewegung – das Hüpfen des Balles – abgebildet. Wir würden gar nicht auf die Idee kommen, Bewegung zu zeichnen. Dank der Gebärden bekommen wir einen ganz neuen Eindruck von der Denkweise der Schimpansen.
Was, glauben Sie, denken Schimpansen über uns Menschen?
Ich denke, das hängt davon ab, was sie für einen Charakter haben und unter welchen Bedingungen sie Menschen kennengelernt haben. Ein Schimpanse etwa, der mit einem Menschen als Versorger aufgewachsen ist, denkt sicherlich anders über uns Menschen als ein wilder Schimpanse.
Würde ich wissen, was sie über mich denken, hätte mir das Jahre an Forschungsarbeit erspart. Aber leider habe ich keine Ahnung, was sie von uns halten.