Faszinierende Aufnahmen Forschende entschlüsseln die komplexen Armbewegungen der Kraken

Octopus Vulgaris
Octopus Vulgaris
© TheSP4N1SH / Getty Images
Bild: TheSP4N1SH; Video: Roger T. Hanlon; Chelsea O. Bennice
Die Greifer der Kraken zählen zu den flexibelsten Strukturen des Tierreichs. Forscherinnen und Forscher haben nun in freier Wildbahn untersucht, wie die Lebewesen ihre Arme einsetzen

Kraken gehören zu den neurologisch komplexesten Wirbellosen und sind für ihre außergewöhnliche Geschicklichkeit bekannt. Mit ihren acht Armen können sie versteckte Beute fangen, kommunizieren, ihre Umgebung erkunden und sich sogar in unterschiedlichen Lebensräumen paaren.

Ein Forschungsteam um Chelsea O. Bennice vom Charles E. Schmidt College of Science in Florida hat nun untersucht, wie wild lebende Tintenfische in natürlichen Lebensräumen ihre Arme einsetzen. Die Ergebnisse, gerade in "Scientific Reports" veröffentlicht, zeigen, dass jeder Arm alle Arten von Bewegungen ausführen kann; es zeigte sich jedoch ein klares Muster der Armaufteilung: Die vorderen Arme werden hauptsächlich zur Erkundung eingesetzt, während die hinteren Arme in erster Linie zur Fortbewegung dienen. Darüber hinaus zeigten die Kraken eine bemerkenswerte Flexibilität – einzelne Arme führten mehrere Armbewegungen gleichzeitig aus, und verschiedene Armbewegungen wurden über mehrere Arme hinweg koordiniert, was ihre komplexe motorische Kontrolle demonstrierte.

Die Arme von Kraken bestehen aus vier separaten Muskelgruppen – quer, längs, schräg und kreisförmig – um einen zentralen Nerv herum. Die vier Muskelgruppen ermöglichen es den Kraken, ihre Arme auf vielfältige Weise zu verformen, um ganz verschiedenartige Aktionen auszuführen, von der Jagd über die Fortbewegung bis hin zur Selbstverteidigung. 

Das Team analysierte fast 4000 Armbewegungen, festgehalten in 25 einminütigen Videos von wild lebenden Tintenfischen. Die Aufnahmen entstanden zwischen 2007 und 2015 im Atlantik und in der Karibik. Bei den gefilmten Tintenfischen handelte es sich entweder um Gewöhnliche Kraken (Octopus vulgaris) oder um die eng verwandten Arten Octopus insularis und Octopus americanus

Die Forschenden identifizierten zwölf verschiedene Armbewegungen in 15 Verhaltensweisen, die jeweils eine oder mehrere der vier grundlegenden Armverformungen umfassten: Verkürzung (die Armlänge nimmt ab), Verlängerung (die Armlänge nimmt zu), Biegung (der Arm krümmt sich) und Torsion (Verdrehung). Die Forschenden stellten fest, dass verschiedene Bereiche jedes Arms – proximal (am nächsten zum Körper), medial (mittlerer Abschnitt) und distal (Spitze) – auf bestimmte Arten der Armverformung spezialisiert waren, was ein hohes Maß an funktioneller Spezialisierung widerspiegelt: Biegungen traten meist in der Nähe der Spitzen auf, während Verlängerungen häufiger in der Nähe des Körpers vorkamen.

Es zeigte sich auch, dass alle Kraken sämtliche acht Arme auf vier verschiedene Arten verformen und alle Bewegungen mit jedem Arm ausführen konnten. Das Team stellte außerdem fest, dass die Arme auf beiden Seiten des Körpers gleichermaßen verwendet werden, die vorderen vier Arme jedoch deutlich häufiger als die hinteren vier. Die vorderen werden eher zur Erkundung der Umgebung verwendet, während die hinteren Arme eher dazu dienen, den Oktopus fortzubewegen. Infolgedessen führen die Tiere zwei Bewegungen häufiger mit den hinteren Armen aus: das Rollen, bei dem sich der Arm ähnlich wie ein Förderband unter dem Körper entlang des Meeresbodens bewegt, und das Stelzen, bei dem der Arm gerade nach unten ausgestreckt wird, um den Körper anzuheben.

"Wenn sich Kraken in einer offenen Umgebung bewegen, setzen sie geschickt mehrere Arme ein, um sich vor Raubtieren zu tarnen, beispielsweise durch den Trick mit dem sich bewegenden Stein oder indem sie wie schwimmende Algen aussehen", sagte Bennice. "Über die Nahrungssuche und Fortbewegung hinaus sind ihre Armkraft und Flexibilität unerlässlich, um Höhlen zu bauen, Raubtiere abzuwehren und sich während der Paarungszeit gegen rivalisierende Männchen durchzusetzen. Diese vielseitigen Fähigkeiten ermöglichen es Kraken, in einer Vielzahl von Lebensräumen zu gedeihen."

mls