Wo der Wolf durch die Wälder streift, ist die Angst oft groß: Davor, dass er in der Nähe weidende Schafe reißt, dass kein Reh und kein Wildschwein vor seinem hungrigen Maul sicher ist. Selbst Menschen fürchten zuweilen – meist unbegründet – einen Angriff des Jägers. Dabei ist die Tötungsrate des Wolfes im Vergleich zu anderen Raubtieren gering. Eine in der Fachzeitschrift "Biological Reviews" veröffentlichte Metastudie zeigt: Soziale Raubtiere wie der Wolf oder der Löwe töten pro Kopf deutlich weniger Beutetiere als einsame Jäger wie der Bär oder der Puma. So tötet ein Wolf beispielsweise nur alle 27 Tage, ein Luchs dagegen jeden vierten Tag. Und ein Bär erlegt fast 14 Prozent mehr Beutetiere als ein Wolf.
"Geringere Pro-Kopf-Tötungsraten bei sozialen Fleischfressern deuten darauf hin, dass das Leben in der Gruppe den Energiebedarf erheblich senkt oder dass in der Gruppe lebende Fleischfresser einen größeren Anteil großer Beutekadaver verteidigen und verzehren" schreiben die Forschenden. In der Gruppe jagende Tiere können gemeinsam also größere Beutetiere erlegen und müssen deshalb weniger oft töten.
Gleichzeitig sorgen soziale Jäger auch auf andere Weise für einen vollen Bauch: Sie fressen häufiger Aas oder nutzen Kleptoparasitismus, stehlen also die Beute, die andere Tiere zuvor erlegt haben. Jäger, die als Einzelgänger unterwegs sind, können ihre Beute dagegen schlechter verteidigen, verlieren Teile davon an Raubtiere, die in Gruppen jagen – und müssen so schneller wieder auf die Jagd gehen.

Auch Löwen klauen von Hyänen
In diesem Zusammenhang räumen die Forschenden gleich mit mehreren Mythen auf: So ist der Löwe keineswegs der überaus erfolgreiche Jäger, dem die Beute von hungrigen, jagdmüden Hyänen abgeluchst wird. Genauso oft stehlen Löwen andersherum auch die Beute von Hyänen oder anderen Fleischfressern wie Geparden und Windhunden. Und der gern als harmloser Allesfresser verklärte Braunbär ernährt sich zwar tatsächlich zum Großteil von Gräsern, Wurzeln, Nüssen und Früchten, reißt mit seinen Pranken aber eben auch Nagetiere, Fische oder Hirsche – und das häufiger als etwa ein Wolf.
Das könnte den Blick auf so manches mit dem Menschen in Konflikt geratene Raubtier verändern. Viele Studien über Raubtiere wurden in Auftrag gegeben, um genau diesen Konflikt zu beleuchten. Das Verständnis für große Raubtiere ist aber auch deshalb wichtig, weil diese an der Spitze der Nahrungskette stehen – und damit die Struktur und Funktion von Ökosystemen weltweit prägen. Durch den Einfluss des Menschen sind ihr Verbreitungsgebiet und ihre Populationsgröße stark zurückgegangen, aus manchen Ökosystemen sind sie sogar ganz verschwunden.