Wildtiere Apfelzüchter und Mimik-Künstler: Überraschende Einblicke in die Welt der Bären

Der Malaienbär (Helarctos malayanus) kann die Mimik seiner Artgenossen genau imitieren
Der Malaienbär (Helarctos malayanus) kann die Mimik seiner Artgenossen genau imitieren
© MrPreecha / Adobe Stock
Als Protagonisten in Fabeln, Mythen und Sprichwörtern sind Bären allgegenwärtig, doch in der Realität fehlt oft der Bezug zu den Tieren. Acht Fakten, die sie uns näher bringen

Verehrt, gefürchtet, ausgenutzt: Das Verhältnis zwischen Mensch und Bär könnte kaum komplizierter sein. Während die Tiere in manchen Kulturen als Symbole für Kraft, Weisheit und Spiritualität stehen, werden sie in anderen ausgebeutet, zur Unterhaltung oder für politische Motive missbraucht. Hierzulande sind die einst heimischen Braunbären (Ursus arctos) ausgerottet – und ihre mögliche Rückkehr ist Gegenstand hitziger Debatten. In seinem neuen Buch "Im Reich der Bären" plädiert der Wildtierexperte Moritz Klose für eine friedliche Koexistenz und stellt spannende Fakten über die Wildtiere vor.

1. Bären sind intelligenter als lange angenommen

Laut der "Hypothese der sozialen Intelligenz" sind Tiere, die in sozialen Gemeinschaften leben, intelligenter als Einzelgänger. Tatsächlich leben laut Buchautor Moritz Klose die meisten Tiere mit hoher Intelligenz in Gruppen, zum Beispiel Affen, Elefanten oder Ameisen. Doch das Gehirn von Bären ist im Verhältnis zu ihrem Gesamtgewicht recht schwer, was ebenfalls auf eine hohe Intelligenz schließen lässt. Zudem können Bären Werkzeuge benutzen sowie auf Bildern dargestellte Objekte erkennen und unterscheiden. Der Malaienbär (Helarctos malayanus) besitzt darüber hinaus eine beeindruckende soziale Sensibilität: Obwohl er Einzelgänger ist, kann er die Mimik seiner Artgenossen genau imitieren.

2. Braunbären könnten bei der Domestizierung des Apfels mitgewirkt haben

Im Ökosystem spielen Bären unter anderem deshalb eine wichtige Rolle, weil sie zur Verbreitung von Samen beitragen. In ihrem Kot "finden sich manchmal mehrere Tausend Samen, vor allem von Gräsern und Beerenfrüchten. Aber auch mit ihrem langen Fell bieten Bären den verschiedensten Pflanzenarten eine hervorragende Möglichkeit, ihre Samen zu transportieren", schreibt Klose. Es wird sogar vermutet, dass Bären bei der Domestizierung des Apfels eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben: Weil sie am liebsten besonders große und süße Früchte fressen, ihre Kiefer aber nicht in der Lage sind, die feinen Samen zu zerkleinern, sollen sich vor allem Bäume mit großen, zuckerreichen Früchten verbreitet haben, die der Mensch dann weiterzüchtete.

3. Große Pandas bringen winzigen Nachwuchs zur Welt

Pandababys sind drei- bis viermal kleiner als die Jungen anderer Bärenarten. Bei ihrer Geburt wiegen sie gerade einmal 80 bis 200 Gramm, was etwa einem Tausendstel des Gewichts ihrer Mutter entspricht. Dabei handelt es sich um einen der größten Gewichtsunterschiede zwischen einer Mutter und ihrem Nachwuchs im ganzen Tierreich. Es kann vorkommen, dass Pandamütter ihre Jungen versehentlich zerquetschen. Im Fall einer Zwillingsgeburt verstößt die Mutter das schwächere Jungtier, um sich vollständig der Aufzucht des stärkeren zu widmen. Warum Pandas dennoch häufig Zwillinge gebären, konnte bisher nicht geklärt werden.

Die Jungen des Großen Pandas (Ailuropoda melanoleuca) sind hamstergroß, rosa und fast nackt, wenn sie auf die Welt kommen
Die Jungen des Großen Pandas (Ailuropoda melanoleuca) sind hamstergroß, rosa und fast nackt, wenn sie auf die Welt kommen
© nature picture library / Eric Baccega / mauritius images

4. Nicht alle Schwarzbären sind schwarz

Je nach Region und genetischer Variation zeigt der Amerikanische Schwarzbär (Ursus americanus) eine große Vielfalt an Fellfarben. Es gibt schwarze und braune Schwarzbären, weshalb die Bestimmung nicht anhand der Fellfarbe erfolgt. Anders als Braunbären haben Schwarzbären keinen ausgeprägten Schulterbuckel; sie sind außerdem kleiner, schlanker und leichter und haben eine schmalere Schnauze. Eine Unterart des Amerikanischen Schwarzbären ist der Kermodebär (Ursus americanus kermodei), auch Geisterbär genannt. Er kommt nur in kleinen Regionen einer kanadischen Provinz vor, und rund zehn Prozent der Tiere haben ein weißes bis cremefarbenes Fell.

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5. Keiner ist so individuell wie der Brillenbär

Der Brillenbär (Tremarctos ornatus) ist der einzige Bär in den Anden Südamerikas, weshalb er auch Andenbär genannt wird. Nur bei dieser Bärenart lassen sich die Individuen anhand ihres äußeren Erscheinungsbilds identifizieren. Die Abzeichen im Gesicht, denen der Brillenbär seinen Namen verdankt, sind bei jedem Tier unterschiedlich: Längst nicht jedes Individuum hat vollständige Kreise um beide Augen. Bei manchen sind sie asymmetrisch oder nur zum Teil vorhanden. Bei anderen fehlt die Zeichnung ganz, oder sie ist so stark ausgeprägt, dass das ganze Gesicht weiß ist. Eine solche Unterscheidung ist bei Braun-, Schwarz- oder Eisbären nicht möglich. Diese lassen sich nur anhand von Größe, Geschlechtsmerkmalen oder äußerlich zugeführten Merkmalen wie Narben voneinander unterscheiden.

Bei diesem Tier ist die namensgebende "Brille", also ein brillenförmiges Abzeichen im Gesicht, kaum vorhanden
Bei diesem Tier ist die namensgebende "Brille", also ein brillenförmiges Abzeichen im Gesicht, kaum vorhanden
© David & Micha Sheldon / mauritius images

6. Lippenbären können ihre Nasenlöcher schließen

Lippenbären nutzen ihre langen und beweglichen Lippen bei der Nahrungsaufnahme wie einen Saugapparat. Damit sie dabei keinen Staub einatmen, sind sie in der Lage, ihre Nasenlöcher zu schließen. So amüsant diese Fähigkeit erscheinen mag, Lippenbären sollte man ernst nehmen. Sie gehören zu den aggressivsten Bärenarten. Anders als viele andere Wildtiere flüchten sie bei einer Begegnung mit Menschen nicht, sondern gehen zum Angriff über. Meist, weil sie sich überrascht oder in die Enge getrieben fühlen. Grund für das außergewöhnliche Verhalten könnte laut Moritz Klose die Tatsache sein, dass die Tiere sich ihren Lebensraum mit Tigern und Leoparden teilen und weder klettern noch schnell flüchten können – so ist Angriff die beste Verteidigung. Die meisten Lippenbären leben heute in Indien, außerdem kommen sie in Sri Lanka, Nepal und Bhutan vor.

Seinen Namen verdankt der Lippenbär (Melursus ursinus) den langen und beweglichen Lippen, die er für die Aufnahme seiner Hauptnahrung benötigt: Ameisen und Termiten 
Seinen Namen verdankt der Lippenbär (Melursus ursinus) den langen und beweglichen Lippen, die er für die Aufnahme seiner Hauptnahrung benötigt: Ameisen und Termiten 
© nature picture library / Yashpal Rathore / mauritius images

7. Die Geburt von Braunbären ist eine Frage des Timings

Obwohl die Paarung üblicherweise zwischen Mai und Juli stattfindet und die Trächtigkeit lediglich 56 Tage dauert, werden Braunbärenjunge erst im Winter geboren. Und zwar mitten im Winterschlaf. Man spricht von einer verzögerten Implantation oder von der Eiruhe – das befruchtete Ei nistet sich erst sechs bis acht Wochen vor der Geburt in der Gebärmutter ein. Voraussetzung ist allerdings, dass das Muttertier bis zum November oder Dezember ausreichend Fettreserven aufgebaut hat. Ist der Körperfettanteil zu gering, bleibt die Trächtigkeit aus. Sogar der Geburtstermin und die Wachstumsrate hängen von den Fettreserven der Mutter ab. Mit gutem Grund: In einem halb wachen, halb schlafenden Zustand bringt sie ihre Jungen zur Welt, um sie dann drei bis vier Monate zu säugen – ohne dabei selbst Nahrung zu sich zu nehmen. 

In den rumänischen Karpaten befindet sich eine Auffangstation für Bärenwaisen – die wahrscheinlich einzige in Europa. Einer der häufigsten Gründe, weshalb Jungtiere dort landen, sind forstwirtschaftliche Aktivitäten im Winter. Wird dabei der Winterschlaf der Mutter gestört, flieht sie unter Umständen und lässt ihre Jungen zurück, die ohne sie nicht überlebensfähig sind.

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8. "Sich etwas aus den Fingern saugen" geht auf einen bärenstarken Irrtum zurück

Wer sich schnell etwas ausdenken muss, saugt es sich sprichwörtlich aus den Fingern. Doch die Redewendung geht auf einen Irrtum zurück, den Forscher im alten Rom bei der Beobachtung des Winterschlafs von Bären begingen. Einige Tiere leckten sich immer wieder die Pfoten und gaben schmatzende Geräusche von sich. An den Tatzen bildete sich ein milchiger Schaum, den die Forscher irrtümlich für Nahrung hielten und damit das Rätsel gelöst haben wollten, wie Bären den Winterschlaf überleben. Sie glaubten, die Tiere könnten Milch aus den Tatzen saugen. Johann Wolfgang von Goethe reimte Jahrhunderte später: "Dichter gleichen Bären, die stets an eigenen Pfoten zehren" – sich also als Schriftsteller ständig etwas aus den Fingern saugen.

Weitere spannende Fakten über die Bären unserer Welt finden Sie in Moritz Kloses Buch "Im Reich der Bären: Die gelassenen Gebieter des Waldes". Online erhältlich unter anderem bei Thalia oder Amazon.