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Studie Affen drehen sich bis zum Umfallen – aus purem Vergnügen

Menschen, Schimpansen und Gorillas tun es, Orang-Utans auch: Sie machen sich durch Drehen absichtlich schwindelig
Menschen, Schimpansen und Gorillas tun es, Orang-Utans auch: Sie machen sich durch Drehen absichtlich schwindelig
© picture alliance / imageBROKER | Jürgen & Christine Sohns
In Dutzenden Internet-Videos drehen sich Primaten, bis ihnen schwindelig wird. Das Vergnügen am verwirrten Gleichgewichtssinn teilen sie mit uns Menschen – und wohl auch mit unseren gemeinsamen Vorfahren, meint ein britisches Forschungsteam

Kinder finden es lustig: sich so lange drehen, bis man umfällt. Erwachsene dagegen genießen den Drehschwindel lieber beim Tanzen, in Jahrmarkts-Attraktionen oder bei Achterbahnfahrten. Muslimische Derwische brachten sich durch Drehungen um die eigene Achse sogar in eine Art spirituelle Trance. Doch nicht nur Menschen – auch Tiere schätzen den veränderten Bewusstseinszustand.

Bei einer Internetrecherche war dem Psychologen Adriano Lameira von der Universität Warwick ein virales Video von einem Gorilla aufgefallen, der sich, an eine Liane geklammert, um die eigene Achse dreht. Einmal rechtsherum, einmal linksherum, und offensichtlich mit großem Vergnügen. Als der Primat sich schließlich auf den Boden gleiten lässt, verliert er das Gleichgewicht und fällt um.

Menschenaffen suchen den Schwindel

Lameira und sein Team forschten nach weiteren Videos – und fanden mehr als 40 Filmsequenzen, die Gorillas, Schimpansen, Bonobos und Orangutans zeigen, die sich absichtlich den Gleichgewichtssinn verwirren. Beim Vergleich der Drehtechniken stellten sie fest: Die Primaten drehen sich durchschnittlich drei Mal in eine Richtung, mit jeweils 5,5 Umdrehungen und einer Geschwindigkeit von 1,5 Rotationen pro Sekunde.

Dass das Verhalten auch auf Langeweile und einen Mangel an Reizen zurückzuführen sein kann, wollen die Forschenden allerdings nicht ganz ausschließen. Immerhin zeigen die ausgewerteten Aufnahmen überwiegend Tiere in Gefangenschaft. Nur zwei der Rotationskünstler sind wild lebende Gorillas.

Forschende drehten sich im Selbstversuch – und scheiterten

Die Mitglieder des Forschungsteams verglichen die Primaten-Rotationen nicht nur mit Videos von Ballett-Pirouetten, traditionellen Tänzern und wirbelnden Derwischen. Sie versetzten sich auch selbst mit vergleichbaren Frequenzen in Drehung – mussten aber meist nach dem zweiten Durchgang aufgeben. Vermutlich drehen sich die Primaten in den analysierten Videos also absichtlich weiter, obwohl sie den aufkommenden Schwindel schon spüren.

"Das Drehen verändert unseren Bewusstseinszustand, sagt Lameira in einer Presseerklärung. "Es macht uns seekrank, benebelt, es beschwingt uns aber auch" – wie etwa im Fall der Kinder im Karussell.

Mit der in der Fachzeitschrift "Primates" veröffentlichten Studie habe das Team herausfinden wollen, ob das Drehen ein ursprüngliches, archaisches Verhalten ist, mit dem sich schon unsere Vorfahren selbstständig in andere Bewusstseinszustände versetzen konnten. Genau dafür liefert die Auswertung der Videos nun einen Schwindel erregenden Beleg. Denn wenn alle großen Menschenaffen die künstliche Orientierungslosigkeit suchen – werden es sehr wahrscheinlich auch unsere Vorfahren getan haben. Wozu? Das werden wir Kinder und Tänzer fragen müssen.

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