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Tierkommunikation Einzelkampf oder Teamwork? Rufe erleichtern Schimpansen die Jagd

Schimpansen beim Fressverhalten in hohen Baumkronen in Uganda
Wie Menschen sind Schimpansen dazu in der Lage, über gezielte Kommunikation das Verhalten in einer Gruppe zu steuern
© KCP project
Keine Kooperation ohne Kommunikation - die Verständigung mit Artgenossen erleichtert es, gemeinsame Ziele zu erreichen. Beim Menschen ist diese Fähigkeit sehr ausgeprägt. Auch Schimpansen scheinen davon zu profitieren

Mit lauten Rufen signalisieren Schimpansen ihre Bereitschaft zur Jagd. Vermutlich motivieren sie damit auch ihre Artgenossen zum gemeinsamen Jagen, was die Effektivität der Jagd erhöhe, berichtet ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Fachblatt "Science Advances" nach der Auswertung von Beobachtungsdaten.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kommunikation und Kooperation im Verlauf der Evolution gemeinsam entstanden - und zwar bereits beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse.

Nach einer gängigen Vermutung seien beim Menschen Sprache und Kooperation in Abhängigkeit voneinander entstanden, schreibt das Team um Joseph Mine von der Universität Zürich. Je ausgereifter die Kommunikationsfähigkeit demnach wurde, desto einfacher wurde die Koordination komplexer Verhaltensweisen, was dann wiederum die kommunikativen Fähigkeiten verbesserte.

Auch von anderen Tieren sei ähnliches bekannt, etwa von bestimmten Delfinen. Unklar sei, ob die Koevolution von Kommunikation und Kooperation auf den Menschen beschränkt oder auch bei anderen Primaten zu finden ist. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gingen dieser Frage bei wildlebenden Schimpansen nach.

Auswertung von Beobachtungsdaten aus 23 Jahren

Dazu werteten sie Beobachtungsdaten aus 23 Jahren und von insgesamt rund 230 Jagd-Episoden einer Schimpansengruppe in Uganda aus. Schimpansen machen dort in der Gruppe meist Jagd auf in den Bäumen lebende Stummelaffen, berichten die Forschenden. Erlegten sie ein Tier, werde die Beute in der Regel geteilt.

In dem Forschungsgebiet machten die Schimpansen sich meist nicht gezielt auf die Suche nach Beute, sondern stießen zufällig bei ihren Streifzügen auf die Stummelaffen, heißt es. Die Jagd beginne dann oft damit, dass ein oder mehrere Schimpansen sofort in die Bäume kletterten. Manchmal vergingen aber auch Minuten bis Stunden, in denen die Tiere ihre Chancen auf Erfolg abzuwägen schienen.

Gruppe von Schimpansen, die um den Kadaver eines roten Colobus-Affen für den Verzehr kämpfen
In Uganda machen Schimpansen in der Gruppe meist Jagd auf in den Bäumen lebende Stummelaffen
© KCP project

Bei der Auswertung der Daten stellten die Forschenden fest, das bei knapp 40 Prozent der Jagden laute Rufe ausgestoßen wurden, und zwar zumeist vor Beginn eines Angriffs. Statistische Analysen zeigten, dass ein Tier, das gerufen hatte, häufiger an einer Jagd teilnahm als eines, das nicht gerufen hatte.

Auch insgesamt wurde die Jagdgemeinschaft größer, wenn Laute im Spiel waren. Die Gruppe begann schneller mit der Jagd und mit ihrer Größe wuchs auch der Jagderfolg. "Wir erbringen damit den Nachweis, dass stimmliche Signale bei einem wildlebenden Affen mit einem effizienteren kooperativen Ressourcenerwerb verbunden sind", schreiben die Forschenden.

Genaue Funktion der Schimpansen-Rufe noch nicht gänzlich geklärt

Warum aber rufen die Tiere dann nicht bei jeder Jagd? Beantworten können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Frage nicht. Möglicherweise spielten die jeweiligen Sichtbedingungen eine Rolle, so dass die Tiere nur auf Laute zurückgreifen, wenn die Sicht schlecht ist. Denkbar sei aber auch, dass die Rufe Ausdruck von Erregung sind, wenn die Aussichten auf Erfolg einer Jagd besonders hoch sind.

Sicher ist also nicht, ob die Laute ein gezielter Aufruf zur Jagd sind - oder quasi ein Nebenprodukt des Jagdverhaltens. Dies müssten weitere Untersuchungen klären. Allerdings geben die Forschenden zu bedenken, dass die Schimpansen mehr Beute machen sollten, wenn das Rufen nur unter besonders günstigen Bedingungen eingesetzt wird. Das sei in ihrer Studie nicht der Fall gewesen.

Die Ergebnisse erweiterten die Erkenntnisse über die evolutionären Wurzeln der menschlichen Fähigkeit, das Verhalten einer Gruppe über Kommunikation zu steuern. Vermutlich hätten sich diese beiden Verhaltensweisen spätestens beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Schimpanse gemeinsam entwickelt.

Anja Garms, dpa

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