Wer an den Frühstückstisch, ins Büro oder ins Online-Meeting kommt, macht es meist, ohne darüber nachzudenken. Ein Gruß, Händeschütteln oder eine Umarmung (zumindest vor der Pandemie) gehören einfach dazu. Und je nach dem Verhältnis zu dem oder der Begrüßten fällt das Ritual eher knapp oder ausführlich aus. Ähnlich die Verabschiedung: Wer den Regeln des Anstands folgt, wird eine Party nicht ohne Ankündigung verlassen – denn das gilt als unhöflich. Stattdessen braucht es eine Einleitung, zum Beispiel einen Grund, warum man leider schon gehen muss, bevor man "Tschüß" oder "Servus" sagt und sich endgültig auf den Heimweg macht.
Auch wenn solche Rituale für uns Menschen so selbstverständlich sind, dass wir sie meist nicht reflektieren: Sie sind ein unverzichtbarer Teil der Kommunikation – und damit Teil des Erfolgs der Spezies Mensch.
Aber sind sie auch einzigartig im Tierreich? Keineswegs. Forscherinnen und Forscher haben nun erstmals auch bei nicht-menschlichen Spezies Begrüßungen und Verabschiedungen beobachtet. Wie Raphaela Heesen von der Schweizer Universität Neuchâtel und ihr Team im Fachblatt iScience schreiben, teilen wir Menschen diese Eigenart mindestens noch mit zweien unserer nächsten Verwandten: Bonobos und Schimpansen.
Laute und Gesten rahmen die gemeinsame Interaktion
Für seine Studie hat das Forscherteam 1242 Affen-Begegnungen in Zoos ausgewertet. Am Beginn von Interaktionen wie spielen oder lausen standen meist kleine Signale, etwa ein Blickkontakt oder eine Geste, eine Berührung mit der Hand oder ein Anstupsen mit dem Kopf. Als etwas "höflicher" erwiesen sich dabei die Bonobos. Rund 90 Prozent aller Begegnungen wurden mit einer Begrüßung eingeleitet; bei den Schimpansen waren es dagegen nur knapp 70 Prozent.
Verabschiedungen waren sogar noch häufiger – mit 92 Prozent bei den Bonobos und 86 Prozent bei den Schimpansen.
Dass die Bonobos etwas mehr Aufwand bei den "Formalien" der Interaktion treiben, könnte mit deren Sozialstruktur zusammenhängen. Während Schimpansen-Gruppen "top-down" organisiert sind, pflegen Bonobos flache Hierarchien. Freundschaften und zum Beispiel auch enge Bindungen zwischen Müttern und ihren Söhnen spielen eine große Rolle. Wer sich gut kennt und schätzt bei den Bonobos, kommt sich schnell näher – und muss sich auch nicht umständlich verabschieden, um nicht unhöflich zu wirken. Ähnlich wie bei uns Menschen.
Auf die Idee zu der Studie brachte Raphaela Heesen eine Beobachtung an menschlichen Kindern. Eine erwachsene Person, die mit Kindern spielte und das Spiel plötzlich unterbrach, forderten die Kleinen mit hingehaltenem Spielzeug und Worten auf, weiterzuspielen. Eine ähnliche Situation beobachtete die Forscherin auch bei zwei spielenden Bonobos, die beim Spielen unterbrochen worden waren.
Offenbar sind Begrüßung und Abschied nicht nur verbreiteter im Tierreich als bislang angenommen – sondern auch älter: Das Verhalten habe vermutlich schon der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpansen (Gattung Pan) und Menschen (Homo) vor sechs bis sieben Millionen Jahren gezeigt, resümiert das internationale Team.