Jeder kennt Katzenvideos: putzige Filmchen von Vierbeinern, die niedlich oder lustig sind. Oder sein sollen. Die Popularität solcher Videoschnipsel kommt allerdings nie den Tieren, sondern ausschließlich ihren Besitzerinnen und Besitzern zu Gute: Sie bekommen dafür Aufmerksamkeit und Likes. Manchmal tausendfach.
Immer beliebter als Tiervideo-"Stars" sind, vor allem in Asien, Makaken – eine Primatengattung, die 25 teils seltene Arten umfasst. Dass es den vorgeführten Tieren gut geht, daran haben Tierschützer immer mehr Zweifel.
Ein internationales Team von Tierschützenden hat nun im Internet kursierende Videos und Fotos von Makaken unter die Lupe genommen. Für ihren aktuellen Report sahen sich Freiwillige zwischen September 2021 und März 2023 insgesamt 1266 Videos und Fotos in den sozialen Netzwerken von Facebook, Instagram, TikTok und YouTube an, die zusammen zwölf Milliarden mal angesehen wurden. In vielen davon müssen die Tiere in menschenähnlicher Kleidung posieren oder typisch menschliche Tätigkeiten verrichten. Oft werden sie mit viel Seife gebadet. Das Ergebnis der Analyse ist alarmierend:
Insgesamt hat das Auswertungs-Team mehr als 2.800 Fälle von psychischem und körperlichem Missbrauch von Makaken festgestellt. In Dutzenden, besonders schweren Fällen wurden die oft nur wenige Wochen oder Monate alten Äffchen sogar unter Drogen gesetzt oder sexuell missbraucht. Einige mussten sogar vor laufender Kamera sterben. Manche von ihnen auf besonders grausame Weise.
Zur Popularität vieler scheinbar harmloser Videos dürfte dem Report zufolge beitragen, dass das Verhalten der Tiere von Betrachter*innen missverstanden wird. Als Beispiel nennt der Report ein breites Grinsen, das nicht Freude oder Spaß signalisiert, sondern ein Ausdruck der Angst ist.
Die Autor*innen betonen, dass das ausgewertete Material wahrscheinlich nur einen Bruchteil des tatsächlich verfügbaren darstellen dürfte. Darüberhinaus seien sich Wildtierexpert*innen einig, dass Makaken – wie alle Primaten – nicht nur als "Videostars", sondern überhaupt als Haustiere ungeeignet sind.
Der Internet-Trend wirkt sich auch negativ auf Wildbestände aus
Neben der unmittelbaren Gewalt, der die Tiere vor oder hinter der Handykamera ausgesetzt sind, hat der Video-Trend auch noch negative Auswirkungen auf die Bestände wild lebender Tiere – weil er den illegalen Handel befeuert. In mehr als einem Drittel der Videos und Fotos sind demnach Tierarten zu sehen, die die Internationale Naturschutzunion IUCN als "stark gefährdet" einstuft. Mehr als die Hälfte der bestimmbaren Makaken-Spezies gilt als "gefährdet". Und zwei von ihnen fallen sogar in die Kategorie "vom Aussterben bedroht".
Der Report ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von 20 internationalen Tierschutzorganisationen, der Social Media Animal Cruelty Coalition (SMACC). Darunter auch die deutsche Welttierschutzgesellschaft, die sich im Rahmen ihrer Kampagne "Stoppt Tierleid in den sozialen Netzwerken" schon seit Jahren für ein Verbot der Darstellung von Tierleid in sozialen Netzwerken einsetzt. Die Welttierschutzgesellschaft fordert ein konsequenteres Vorgehen der Netzwerke gegen Inhalte, die mit Tierleid verbunden sind. Notfalls auch per Gesetz.
Internetnutzenden empfehlen die Autor*innen des Reports, entsprechende Inhalte nicht anzusehen, nicht zu kommentieren und nicht zu teilen – sondern direkt beim Betreiber der Seite zu melden.
Dass das die gewünschte Wirkung entfaltet, darf allerdings bezweifelt werden: Nach der erschütternden Bestandsaufnahme wurden die Inhalte gemeldet und um deren Löschung gebeten. Bis zum Erscheinen des Reports hat nach Angaben der Welttierschutzgesellschaft jedoch kein einziges Moderationsteam reagiert. Die grausamen Videos sind bis heute online.