Im Umland des höchsten Bergs von Afrika ist die Artenvielfalt binnen grob eines Jahrhunderts um 75 Prozent gesunken. Das geht aus einer Studie hervor, die die Gebiete am Fuß des Kilimandscharo in Tansania von 1911 bis 2022 untersucht hat. Die Gebiete in etwa 700 bis 1.100 Metern Höhe liegen unterhalb des Nationalparks, der die höheren Regionen des fast 5.900 Meter hohen Bergmassivs schützt. Als Hauptursache für den Rückgang der Biodiversität fand das Team um Andreas Hemp von der Universität Bayreuth menschliche Eingriffe, nämlich zunehmende Besiedlung und landwirtschaftliche Nutzung der früheren natürlichen Savannenlandschaft.
"In unserer Studie konnten wir zeigen, dass der Landnutzungswandel, verursacht durch schnelles Bevölkerungswachstum, der wichtigste Treiber des Biodiversitätsverlusts am Kilimandscharo war", wird Hemp in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Der Klimawandel habe hingegen bislang keinen erkennbaren Einfluss darauf gehabt, schreibt die Gruppe im Fachjournal "PLOS One".
Um die Entwicklung der Artenvielfalt in dem knapp 3.300 Quadratkilometer großen Areal zu untersuchen, nutzte das Team historische Karten, Volkszählungsdaten, Satellitenbilder und einen Datensatz zu fast 3.000 Pflanzenarten. Die Forscher konzentrierten sich auf die Vegetation, "da Pflanzen eine grundlegende Rolle für das Funktionieren von Ökosystemen spielen", so Hemp.
Deutliche Zunahme der Bevölkerung
Sie fanden im Zeitraum 1911 bis 2022 einen Rückgang der Flächen mit natürlicher Vegetation von 90 Prozent auf rund 20 Prozent. Genauere Angaben zur Artenvielfalt sind zwar erst ab 1976 vorhanden. Allerdings leitet die Gruppe aus ihren Analysen ab, dass 1911 in dem Areal pro Quadratkilometer fast 700 Pflanzenarten wuchsen. Heute seien es noch etwa 180.
Das Team um Hemp fand einen klaren Zusammenhang des Artenschwunds mit der Änderung der Landnutzung. So sank im untersuchten Gebiet von 1911 bis 2022 die Fläche der Savanne von 2.449 auf 588 Quadratkilometer, die Fläche der Wälder von schätzungsweise 500 auf 60 Quadratkilometer. In derselben Zeit stieg die Ackerfläche von 66 auf 1.466 Quadratkilometer und die der Agroforstwirtschaft - also der kombinierten Land- und Forstwirtschaft - von 268 auf 849 Quadratkilometer. Zudem wuchs die besiedelte Fläche von nahezu 0 auf 74 Quadratkilometer.
Hoffnung auf Erhalt der Vielfalt
Die Landnutzungsänderung spiegelt sich auch in der Bevölkerungsentwicklung des Gebiets wider: Von 1889 bis 2022 wuchs die Bevölkerung von 50.000 auf 1.400.000 Menschen. Die Bevölkerungsdichte stieg zwischen etwa 1913 und 2022 von 15 auf 430 Menschen pro Quadratkilometer.
Grund zur Hoffnung für einen Erhalt der Vielfalt bieten den Autoren zufolge die sogenannten Homegardens der Bevölkerungsgruppe der Chagga. Diese betreibt eine traditionelle Agroforstwirtschaft, bei der Wild- und Nutzpflanzen nebeneinander wachsen. Unter einer lockeren Baumschicht mit Avocados, Mangos und Waldbäumen werden Bananen, Kaffee und am Boden Gemüse oder Heilpflanzen angebaut.
Das sorgt für ein günstiges Mikroklima und erhält die Artenvielfalt deutlich besser als andere Landwirtschaftsformen. "Dieses Nutzungssystem lässt sich auf viele andere ländliche Gebiete in den Tropen übertragen, um das menschliche und ökologische Wohlergehen dort zu steigern", betont Hemp.
 
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
