GEO.de: Herr Steffens, Ihr Programm basiert auf dem Living Planet Report des WWF. Was ist die zentrale Botschaft?
Der Living Planet Report ist die wohl bedeutendste Datensammlung zum Zustand unseres Planeten, so etwas wie die Krankenakte der Erde. Die zentrale Message ist: Wenn wir jetzt nicht schnell etwas ändern, werden wir uns in wenigen Jahrzehnten sehr ernsthaften und teuren Konsequenzen unseres Handelns gegenübersehen. Immerhin verbrauchen wir momentan 50 Prozent mehr Ressourcen, als die Erde nachhaltig zur Verfügung stellen kann.
Sie wollen uns doch nicht etwa die Konsumparty vermiesen?
Ein bisschen schon. Aber nicht durch Bevormundung, sondern durch Information. Ich bleibe in der Rolle des Journalisten, der erzählt, wie es aussieht, was die Fakten sind. Was meine Zuhörer daraus machen, ist ihr Ding. Ich gehe nicht so weit zu sagen: "Hören Sie auf mit dem Autofahren!" oder "Essen Sie kein Fleisch mehr!" Der Aufruf, weniger zu konsumieren, würde wahrscheinlich ohnehin nicht helfen. Denn wir können angesichts der Bevölkerungsentwicklung unseren Ressourcenverbrauch nicht nur durch Verzicht auf den Stand vergangener Jahrhunderte zurückschrauben. Wir müssen die technische Entwicklung so vorantreiben, dass wir unseren Lebensstil so weit wie möglich aufrecht erhalten können und gleichzeitig die Ressourcen schonen. Wir brauchen also Innovationen, nicht nur Verzicht.
Aber auch Verzicht?
Wenn ein durchschnittlicher Deutscher einmal die Woche auf Fleisch verzichtet, dann entspricht das, was die Klimagas-Emissionen betrifft, ungefähr 900 Autokilometern. Das hat der WWF errechnet. Mit so einem kleinen Verzicht kann man also mehr gegen den Klimawandel tun als mit einem sparsameren Automodell oder dem gelegentlichen Umsteigen aufs Fahrrad - wobei das natürlich auch sinnvoll ist.
Jeder Einzelne kann etwas tun, aber auch die Politik ist gefordert. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis der Pariser UN-Klimakonferenz?
Das ist ein Durchbruch - weil sich hier zum allerersten Mal alle Staaten dazu bekannt haben, gemeinsam die Weltwirtschaft zu dekarbonisieren. Und immerhin wird jetzt eine Begrenzung des Temperaturanstiegs nicht wie bisher auf 2 Grad, sondern sogar auf 1,5 Grad angepeilt.
In Ihrem Programm geht es nicht nur um den Klimawandel ...
Nein, und ich finde die Fokussierung der öffentlichen Debatte auf Klimagase und Klimawandel auch zu kurzsichtig. Die beiden anderen großen Probleme, die der Living Planet Report aufzeigt, sind der Ressourcenverbrauch und das Artensterben. Wir verlieren im Moment so viele Arten wie nie, seit die Dinosaurier verschwanden. Das ist dramatisch, weil wir ohne Artenvielfalt als Spezies Homo sapiens nicht existieren können. Wir brauchen zum Beispiel die Bienen, weil ohne sie ein großer Teil der landwirtschaftlichen Produktion undenkbar ist.
Haben Sie für diese selektive öffentliche Wahrnehmung eine Erklärung?
Politische Diskussionen entwickeln eine Eigendynamik. Das Thema Artensterben hat leider noch nicht dieselbe Wucht entwickelt wie das Thema Klimawandel. Es ist eines meiner Hauptanliegen, genau diesen Punkt in die öffentliche Diskussion zu tragen.
Wie ist aus dem Journalisten Dirk Steffens der Umweltaktivist Dirk Steffens geworden?
Ich war als Reisejournalist viel unterwegs, habe in fast 25 Jahren 120 Länder bereist, viele Orte auch mehrfach. Jedes Mal waren am Riff weniger Fische, standen weniger Tiere auf der Savanne, war der Wald wieder ein Stück kleiner geworden. Wenn man die Zerstörung mit eigenen Augen sieht, ist das etwas anderes, als wenn man davon in der Zeitung liest. Mich hat der Beruf zum Umweltschützer wider Willen gemacht, wenn ich ehrlich bin. Ich bin unfreiwillig Zeuge des globalen Wandels geworden.
Welche Begegnung hat Sie am stärksten berührt?
Ich hatte in den 1990er Jahren angefangen, auch als Unterwasserfilmer zu arbeiten, etwa in Palau. Als ich nach der schlimmen Korallenbleiche des Jahres 1998 dorthin zurückkehrte, war alles weg. Innerhalb eines Jahres war die Schönheit, die mich so fasziniert hatte, an einigen Riffen komplett vernichtet. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis. Da habe ich gesehen, wie verwundbar die großen Naturlandschaften sind.
Wie vereinbaren Sie eigentlich die Vielfliegerei mit Ihrem Umweltgewissen?
Klar, das Fliegen fühlt sich immer blöd an. Allerdings habe ich noch keinen Weg gefunden, um die Welt zu reisen, ohne um die Welt zu reisen. Zum Glück gibt es die B-Lösung, nämlich die CO2-Emissionen zu kompensieren, zum Beispiel über atmosfair. Der zusätzliche Obulus wird dafür verwendet, zum Beispiel CO2-bindende Bäume zu pflanzen. Mit solchen Maßnahmen versuche ich, mein zugegebenermaßen sehr wundes Ökogewissen zu heilen. Hauptsächlich natürlich durch mein Engagement für den WWF.
Mit welchem Gefühl sollen die Menschen aus dem Abend mit Ihnen kommen?
Mit dem frohen Gefühl, dass eine große Aufgabe auf uns wartet. Und dass wir, wenn wir sie jetzt angehen, diesen faszinierenden Planeten noch in seiner ganzen Schönheit erhalten können.
Alle Informationen über Dirk Steffens' Living Planet Tour: www.wwf.de/aktiv-werden/aktionen/living-planet-tour
Mehr über den Living Planet Report: wwf.de/living-planet-report
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