Augen zu und durch ...
Es gibt einiges Neues aus dem Dschungel zu berichten, den ich am Montag (18. Juli) durchwandern werde ...
Ich habe eine sehr turbulente Woche hinter mir, obwohl ich eigentlich nicht viel geschafft habe. Tena (für alle die noch nicht hier waren) ist eine Kleinstadt mit ca. 15.000 Einwohnern, aber bestimmt doppelt so vielen Hühnern. Die Einwohner stammen hier zum großen Teil von den indigenen Kichwas und den eingewanderten Colonos ab. Wobei sich sowohl die Kichwas als auch die Colonos "westlich" kleiden, sprich Jeans und T-Shirt sind gängige Tageskleidung.
Wie ich ja schon einmal berichtet habe, wohne ich hier bei Carlos, mit dem ich mich inzwischen richtig angefreundet habe, auch wenn er so gut wie nie zu Hause ist. Denn er geht seinem Traum nach: In vier Monaten möchte er den Ingenieur-Titel erwerben. Da er auch noch für Kallari arbeitet, ist er so gut wie rund um die Uhr beschäftigt. So kann es vorkommen, dass er tagelang nicht nach Hause kommt und im Büro übernachtet. Ich hingegen ziehe es vor in meinem Bett zu schlafen, womit ich anfangs einige Schwierigkeiten hatte, denn jeden Morgen gegen 4 Uhr oder 5 Uhr beginnt der erst Hahn zu krähen.
Das ist ja noch nicht das Schlimmste. Was hier wirklich nervt ist, dass die Hunde überhaupt nicht mit dem Bellen aufhören. Und jede Familie hat hier mindestens einen Hund. Da die Hauswände hier aus 1,5 cm dicken Holzplanken bestehen und man die Nachbarn bei allem zuhören kann und hier sowieso niemand irgendwie Rücksicht nimmt, kommt es schon einmal vor, dass nachts um 4 Uhr Musik aus vollen Rohren aus den Nachbarhäusern schallt. Darum liege ich hier grundsätzlich mit meinen Kopfhörern im Bett. Die Musik lenkt ab und säuselt mich dann immer schnell wieder ein, so dass ich mich nicht ärgern muss.
Klospülung mit Eigenleben
Ich habe noch gar nicht von dem abenteuerlichen Toilettenraum erzählt: Bad mit Dusche über der Toilettenschüssel ohne Klobrille draußen im Garten. Auch hier hat sich in letzter Zeit einiges verändert. Zum Beispiel hat die große Spinne ihr Quartier hinter der Klotür direkt neben dem Hausschwamm bezogen, so dass ich ab jetzt unter Beobachtung duschen gehe - natürlich kalt, was auch nicht weiter schlimm ist, denn das erfrischt viel besser.
Der Regenauffangbehälter, der das Wasser für die Klospülung enthält, hat in den letzten Tagen ein Eigenleben entwickelt, denn ein Frosch hat dort unbemerkt seinen Laich abgelegt, so dass man jetzt aufpassen muss, dass man keine Kaulquappen das Klo hinunterspült. Ach übrigens: Mit dem Wasser wird auch Wäsche gewaschen (natürlich per Hand), das Geschirr gespült und gekocht ... das Leben hier härtet halt ab. Dieses Haus ist eine wirklich gute Vorbereitung auf das Leben in einer Kichwacommunity, das ich ab morgen führen werde. Ich glaube, ohne diesen Zwischenschritt hier bei Carlos wäre der Kulturschock perfekt gewesen. Jetzt fühle ich mich ganz gut vorbereitet, ohne fließendes Wasser und ggf. ohne Strom für mehrere Tage in Shandia auszukommen.
Shandia: ab ins Dschungelparadies
Shandia ist eine Comunidad, die ca. 45 Busminuten von Tena aus gelegen ist. Der Bus fährt etwa jede Stunde durch den kleinen Ort und ist die Verbindung zur Außenwelt, denn kaum einer hat hier ein Auto. Die Comunidad liegt am Río Jatunyacu (gesprochen Chatunyacu) der einige Kilometer Flussabwärts durch den Zusammenfluss mit dem Río Ansú zum schiffbaren Río Napo wird, der einer der Quellflüsse des Amazonas ist und Namensgeber der Provinz, dessen Hauptstadt Tena ist.
So werde ich Sonntagmittag dorthin aufbrechen und einer Versammlung der örtlichen Jugendlichen beiwohnen. Denn es gibt eine kleine Planänderung: Da es schier unmöglich ist die Besitzer der Fincas nacheinander aufzusuchen, weil die ihren Verpflichtungen nachgehen müssen (Fincas bearbeiten, also: Pflanzen pflanzen, pflegen, ernten, Chicha trinken etc.) und das Vereinbaren von Terminen auch nur durch gehörige vorherige Anstrengungen möglich ist (Koordinieren ist hier irrsinnig schwer!), wurde mir vom Coordinador der Comunidad Don Isaac vorgeschlagen, dass ich mit den Jugendlichen, die die Gegend ja wie ihre Westentasche kennen, die Grenzen von Shandia mit dem GPS abgehen könnte.
Das würde zu einer erheblichen Beschleunigung meiner Arbeit führen, was in Hinblick auf die schon vorangeschrittenen Zeit äußerst wünschenswert ist! Die Jugendlichen, die bei der Unterredung anwesend waren, waren gleich gewillt, mir zu helfen. Aber natürlich müsse dies erst bei einer Versammlung abgestimmt werden und diese soll nun morgen stattfinden. Da es ja bei dem Kallari-GEO-Projekt auch um die Zukunft der Jugend geht, ist es sehr wichtig, diese mit in die Arbeit einzubeziehen.
Also beziehe ich Lager in Shandia (ohne Telefon und Internetverbindung) und beginne Montag hoffentlich mit meiner mindestens 5-tägigen "Tour de Regenwald" (wie mir der Coordinador Don Isaac prophezeit hat) durch den Sekundärwald entlang der Grenzen der Comunidad. Bin mal gespannt, wie oft es Chicha gibt und wie schnell mein Perenterol-Vorrat dann aufgebraucht sein wird...danach gibt es halt veinticinco ... lecker!

Ein Wurm im GPS
Leider ist bei meiner Arbeit insgesamt der Wurm drin, denn mit dem GPS scheint es irgendwelche Softwareprobleme zu geben, denn es ist mit keinem der von mir verfügbaren PCs möglich, eine Verbindung zum Gerät aufzubauen, was sich auch durch sämtliche Änderungen in der Grundeinstellung des GPS-Gerätes nicht änderte.
Also habe ich schon vor gut einer Woche versucht, mit der GPS-Firma Kontakt aufzunehmen. Bis auf eine Bestätigung, dass die Mail eingegangen sei und an einen Techniker weitergeleitet wurde, habe ich leider noch nichts weiter gehört. Also quasi Ecuadorverhältnisse in Deutschland! Nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als auf altertümliche Art und Weise die Position der Punkte (inzwischen empfängt das GPS immerhin die Satellitensignale) auf ein Blatt Papier zu notieren. Das ist natürlich ungleich aufwändiger ... aber was soll's? Besser auf einem Papier notierte Daten als keine! (Ist vielleicht sowieso besser, alles auf Papier festzuhalten, denn dem GPS traue ich nicht mehr über den Weg!) Auch DAS habe ich mir irgendwie anders vorgestellt. Dann hätte ich mir lieber die Uraltgeräte bei der Uni ausgeliehen die wenigstens mit den PCs funktionieren. Hinterher ist man immer schlauer!
Geduldigsein ist gesünder
Was war denn an dieser Woche so anstrengend, wird sich der eine oder andere fragen. Zum Beispiel war ich am Dienstag für einen Tag in Quito. Was ja, wie bereits beschrieben, jeweils sechs Stunden Busschaukelei bedeutet. War also von 6 Uhr morgens bis 23 Uhr auf den Beinen (oder eher NICHT auf den Beinen), um mich mit einem Geographen zu treffen, der mir Karten und Satellitenbilder zur Verfügung stellen möchte. Also hat sich diese Anstrengung gelohnt. Das ist hier ja nicht immer der Fall. So war ich auch diese Woche bei dem ecuadorianischen Katasteramt, das seinen Namen nur deshalb verdient, weil er mit AMT endet! Die Bedingungen dort wirkten hingegen eher museal! Denn auf verschlissenen, mit Tesa geflickten Kartenfetzen, waren mit feinsten Bleistiftlinien die Liegenschaften der Leute aufgezeichnet. Für läppische 50$ pro Blatt hätten wir davon Kopien haben können, was wir dankend ablehnten. Auf den Kopien hätten wir wahrscheinlich eh nichts erkennen können. Zu gern hätte ich diese Zustände auf einem Foto festgehalten, was mir leider nicht erlaubt wurde!
Es geht also LANGSAM mit meiner Arbeit voran, wenn ich auch mit dem GPS total frustriert bin ... Inzwischen hat sich herausgestellt, dass ich mit einer Arbeitsgruppe zusammenarbeiten werde, die ebenfalls mit Kallari ein Projekt bearbeiten möchte. Das Projekt nennt sich FLOAGRI (Flora und Agrar ...) und beschäftigt sich, wie der Name schon andeutet mit der agrarischen und sonstigen Nutzfläche in der Amazonasregion. Weil das sehr mit meinen Interessen korreliert, macht ein Datenaustausch durchaus Sinn.
Andere Länder ...
Ein "Schwein à la Schweißbrenner" sah ich letztens auf meinem Heimweg. Es war natürlich schon tot und wurde gerade mit einer borsten- und hautunfreundlichen Schweißbrennerflamme behandelt. Kein schöner Anblick! Da wurde mir mal wieder schlagartig klar, warum ich Vegetarier bin! Auch die von Fliegen umschwirrten Fleischlappen, die hier frei an der Straße ungekühlt herumbaumeln, lassen mich eher weiter am Gewohnten festhalten!