
Congo Mirador, Venezuela, kurz vor 18 Uhr: Noch etwas mehr als eine Stunde, dann beginnt die größte natürliche Lightshow auf der Erde. Erwartungsfroh döst Erik Quiroga in seiner Hängematte auf der löchrigen Holzveranda eines Pfahlbaus. Unter ihm plätschert das sandig-gelbe Wasser des Maracaibo-Sees, oben bietet ein rostiges Wellblechdach Schutz gegen die Tropensonne.
Es ist heiß hier, im Westen Venezuelas. Fast 35 Grad Celsius, auch jetzt noch, obwohl der rote Sonnenball schon zur Hälfte im Dunst über den Catatumbo-Sümpfen versunken ist. Aus den Augenwinkeln hinter seiner Halbrandbrille beobachtet der 65-jährige Hobbywissenschaftler die Wolkentürme am Horizont. Ideale Bedingungen, findet er: "Es war heute sehr sonnig und warm, die Wolken dort hinten sind Cumulonimbus capillatus, Ambosswolken, die reichen fast sieben Kilometer hoch. Wir werden heute Nacht ein Spektakel erleben." Erik Quiroga wird ungeduldig, seine Augen leuchten wie die eines Kindes am Geburtstagsvorabend, während er etwas unbeholfen aus der Hängematte aufsteht.
In bis zu 260 Nächten im Jahr blitzt es am Maracaibo-See
Er freut sich auf das "Lächeln der Nacht", wie er die Blitze von Catatumbo nennt, dieses Phänomen, das ihn seit dem fünften Lebensjahr fasziniert. Damals zogen seine Eltern mit ihm an den Maracaibo-See, er sah das nächtliche Schausp iel zum ersten Mal: "Die Blitze haben sich in meine Pupillen eingebrannt."
Das Naturphänomen hat ihn nie mehr losgelassen. Auch nicht, als er mit 19 in die Hauptstadt Caracas zog, eine Tagesreise entfernt. Der Junge aus der Provinz schlug sich durch in der Metropole, arbeitete sich hoch in die Mittelschicht: Er hat Lotterielose verkauft, preisgekrönte Ged ichte geschrieben, Aktionen gegen die Müllplage organisiert, in der Verwaltung gearbeitet sowie einen Park gegründet, in dem früher jeder Staatsgast (vom japanischen Kaiser bis zum spanischen König Juan Carlos) einen Baum pflanzte.
Aber immer wieder zog es ihn an den Maracaibo-See zurück. Gerade hat Quiroga, der nie eine Universität besuchte, den Blitzen von Catatumbo zur Anerkennung als Guinness-Weltrekord verholfen. Mehr als ein Jahrzehnt hat er dafür gekämpft. Und ist der Rekord nicht tatsächlich unglaublich? In bis zu 260 Nächten im Jahr blitzt es am größten See Südamerikas, oft bis zum Morgengrauen. "Man kann die Uhr danach stellen", sagt Quiroga, "es startet fast immer um 19 Uhr."
Lesen Sie die ganze Reportage im GEO Magazin Nr. 3/2015.