Mit 13 erkannte ich, dass es von entscheidendem Vorteil sein könnte, ein Instrument zu erlernen und in einer Band zu spielen, um die hübschesten Mädchenherzen zu gewinnen. Zwei Jahre und unzählige Saxophonstunden später, reifte die kluge Entscheidung, mir ein anders Hobby zu suchen. Ich entdeckte die Fotografie. Als ich dann noch im Kino Nick Nolte in "Under Fire" dabei beobachtete, wie man, während man die Welt mit der Kamera rettet, auch noch die Damenwelt erobert, wurde mir klar, dass ich Fotograf werden wollte.
Auf dem Dachboden meiner Eltern richtete ich mir mein eigenes erstes s/w-Labor ein und konnte nun mit den Freundinnen, die ich vorher fotografierte, bei sanftem Rotlicht die Bilder groß herausarbeiten. Toll. Und allemal besser als ein dünn belüfteter Probenraum für Bands.
Allen, die es wissen wollten, verkündete ich, dass ich Fotograf werden würde. Mit 16. Nur mein damaliger Kunstlehrer erklärte mir kurz vor dem Abitur, dass ich vollkommen untalentiert sei. Ich fotografierte dennoch weiter - und die Aufnahmeprüfung zur Fotoabteilung am Lette-Verein in Berlin schaffte ich letztendlich unter anderem mit einem Portrait von Lisa. Sie hatte ich oft fotografiert aber nur einmal geküsst; sie stammte aus meinem Kunstgrundkurs.
Die zwei Jahre an der Fotoschule rauschten vorbei, ich schloss die Ausbildung mit "ausreichend" ab und wurschtelte mich durch den Gesellenbrief. Dank meiner Westberliner Herkunft und der Befreiung vom Wehr- oder Zivildienst war ich einer der Jüngsten im Jahrgang. Das brachte eine Art Welpenschutz mit sich, in der Klasse und auch in den Folgejahren im Job. Normalerweise geht man als Jungfotograf dann auf Wanderschaft und versucht sich in möglichst vielen Assistenzen bei bekannten Fotografen. Ich wollte an den Nabel der Welt, nach New York. Der dafür dringend notwendige Führerscheinerwerb hielt mich noch in der Heimat fest. Es passierte, womit niemand wirklich rechnen konnte: Berlin rückte im Herbst 1989 mit einem Schlag in den Fokus der Weltgeschichte. Jeder brauchte Fotografen an diesem Ort, wobei mir nach und nach bewusst wurde, dass vor allem der Besitz eines funktionierenden Telefons samt Anrufbeantworter mich Nachwuchsknipser, im Gegensatz zu den hervorragenden älteren Ostberliner Kollegen, qualifizierte.
In den Folgejahren fotografierte ich vor allem für Stadtmagazine. Das sich ständig verändernde Nachtleben und die explodierende Technowelle waren für einen Großteil meiner Arbeiten verantwortlich. Und ich war mittendrin! Nach und nach wurden auch andere Magazine auf mich aufmerksam. 1993, nach nur knapp drei Jahren Selbstständigkeit - mit 25 - beauftragte mich der "Stern", zum ersten Mal für eine Doppelseite, mit der Berliner Band Element of Crime. Ich sah mich im Himmel.
Bis heute wechseln sich meine redaktionellen Auftraggeber immer wieder ab. Manche Blätter habe ich aufleben und dann wieder sterben gesehen. Die zwei Jahre mit der deutschen Vanity Fair waren vermutlich die nachhaltigsten. Nur die Themen haben sich grundlegend geändert. So wie ich damals für ein DJ-Portrait nachts um vier Uhr der Richtige war, so fotografiere ich heute eher Politiker, Wissenschaftler und Manager.
Ende der 1990er Jahre kam ich dann eher zufällig zur Werbefotografie, die mich anfangs völlig langweilte. Aber nun, in Zeiten leerer Kassen in den Verlagshäusern, versorgt sie mich gut; und wenn man richtig gebucht wird macht sie auch Spaß.
Ich hatte ein unglaubliches Glück - und seit 16 Jahren eine wunderbare Frau, die alles mitträgt. Es hat sich gelohnt Fotograf zu werden.