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Synthetische Kraftstoffe Wie sinnvoll sind E-Fuels für den Autoverkehr?

Elektroauto lädt an einer Ladesäule
Als E-Fuels werden synthetisch hergestellte Kraftstoffe bezeichnet
© kanpisut / Adobe Stock
Ab 2035 sollen laut EU-Beschluss Neufahrzeuge abgasfrei sein, ausgenommen sind E-Fuels - auf Drängen der Bundesregierung. Doch ob die Kraftstoffe tatsächlich in Automotoren zum Zug kommen, scheint fraglich. Wie komplex die Herstellung sein kann, zeigt ein Blick nach Chile

Durch die aktuelle politische Debatte sind E-Fuels derzeit in aller Munde. Electrofuels, wie sie im Englischen genannt werden, sind Kraftstoffe, die mit elektrischem Strom künstlich erzeugt werden. Wenn ab 2035 in der EU alle Neufahrzeuge abgasfrei betrieben werden müssen, soll es auf Drängen des deutschen Verkehrsministers eine Ausnahme für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotor geben, die ausschließlich mit klimaneutral erzeugten E-Fuels betrieben werden. Während manche mit E-Fuels den Verbrennungsmotor beim Auto in eine klimaneutrale Welt retten wollen, halten andere diese Vorstellung für absurd.

In der Theorie klingt es verlockend: Wenn E-Fuels mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden und das für die Produktion benötigte Kohlendioxid (CO2) aus der Luft oder aus Biomasse stammt, könnten Verbrennungsmotoren klimaneutral betrieben werden. Denn bei der Verbrennung gelangt nur so viel CO2 als Abgas wieder in die Atmosphäre, wie ihr zuvor entnommen wurde: ein Nullsummenspiel, das den Anteil der Treibhausgase in der Lufthülle der Erde nicht erhöht. Die vorhandene Motortechnik und die Tankinfrastruktur könnten erhalten bleiben.

Herstellung der Kraftstoffe ist aufwendig

Doch die Herstellung von E-Fuels ist erheblich komplexer, als das Grundprinzip erahnen lässt. Denn obwohl Wasserstoff - ein wesentlicher Bestandteil der Kraftstoffe - im Wasser in großer Menge vorliegt, ist seine Gewinnung als reines Gas, etwa per Elektrolyse, sehr energieintensiv. Noch schwieriger ist das Extrahieren von CO2 aus der Luft. Dafür gibt es zwar das sogenannte Direct-Air-Capture-Verfahren, aber auch das braucht sehr viel Strom und Wärme. Denn CO2 ist, trotz seiner im Klimawandel spürbaren Treibhauswirkung, nur in sehr geringen Konzentrationen in der Luft vorhanden.

Auch die Erzeugung der Kraftstoffe selbst ist aufwendig, sowohl das sogenannte Fischer-Tropsch-Verfahren als auch die Methanolsynthese mit anschließender Umwandlung in synthetisches Benzin. Und mit jedem Prozessschritt geht Energie verloren, so dass die Energieeffizienz sinkt.

Hinzu kommt: "Der Wirkungsgrad von Verbrennern ist sehr viel schlechter, so dass ein Elektrofahrzeug mit der gleichen Menge an Energie fünf Mal weiter fahren kann als ein mit E-Fuels betanktes Fahrzeug", sagt der Nachhaltigkeitsexperte Michael Koch von der SRH Fernhochschule in Riedlingen. Somit werde viel Strom verschwendet, wenn dieser zur Produktion von E-Fuels statt für das Laden von Elektrofahrzeugen genutzt werde, betont Koch.

Während beim E-Fuel 13 bis 15 Prozent des eingesetzten Stroms am Antriebsrad des Fahrzeugs ankommen, seien es beim Elektrofahrzeug 70 bis 75 Prozent, schreiben Forscher des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe in einem Diskussionsbeitrag.

Probleme bei klimaneutraler Herstellung

Die Betreiber der Pilotanlage Haru Oni in Chile, zu denen Porsche und Siemens Energy gehören, erfahren gerade, wie schwierig es sein kann, klimaneutrale E-Fuels herzustellen. Im Süden des südamerikanischen Landes weht an rund 270 Tagen im Jahr ein starker Wind, der für große Mengen grünen Stroms genutzt werden kann. Eigentlich sollte an dem Standort ein 325-Megawatt-Windpark entstehen, doch den Antrag haben die Betreiber im vorigen Oktober zurückgezogen – wegen zu hoher Auflagen der chilenischen Regierung. Das CO2 wird zurzeit nicht aus der Luft gewonnen, sondern mit Tanklastern angeliefert. Immerhin stammt es nach Angaben von Porsche aus einer Brauerei und damit aus einem biogenen Prozess.

Auch das Wasser kommt per Tanklaster - für jeden Liter E-Fuel werden drei Liter Wasser benötigt. In der Zukunft soll das Wasser aus einer Meerentsalzungsanlage stammen. So sind die 130 000 Liter synthetisches Benzin, die jährlich mithilfe des bislang einzigen Windrads erzeugt werden, keineswegs klimaneutral. Zudem werden sie per Schiff - ebenfalls wenig klimafreundlich - 14 000 Kilometer weit über den Atlantik transportiert. Wegen des Rückschlags beim Windpark ist zudem fraglich, ob 2027 wie geplant rund 550 Millionen Liter E-Fuels in Haru Oni produziert werden.

Die Produktion von E-Fuels hat Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Blick. Seinen Berechnungen zufolge werden klimaneutrale E-Fuels auf Jahre hinaus kaum verfügbar sein. Bis 2035 sind weltweit rund 60 Projekte angekündigt, die E-Fuels zunehmend in industriellem Maßstab produzieren sollen. Doch bisher gibt es nur für ein Prozent der geplanten Produktionsmenge eine finale Investitionsentscheidung.

Selbst wenn alle geplanten E-Fuel-Mengen - knapp 50 Milliarden Kilowattstunden - produziert werden könnten, würden diese weltweit erzeugten Kraftstoffe gerade einmal 10 Prozent des heutigen potenziellen E-Fuel-Bedarfs von Luft- und Schifffahrt sowie Chemieindustrie in Deutschland decken.

Keine elektrischen Antriebe für Schiffe und Flugzeuge

Wenn man davon ausgeht, dass die globale E-Fuel-Herstellung so schnell wächst wie die Erzeugung von Solarstrom, könnte die Abdeckung auf 50 Prozent steigen – wohlgemerkt: nur des deutschen Bedarfs von Luft- und Schifffahrt sowie Chemieindustrie. Denn für Flugzeuge und Schiffe wird es für lange Strecken auf absehbare Zeit keine elektrischen Antriebe geben, weil die Energiedichte von Batterien erheblich geringer ist als die von flüssigen Kraftstoffen. Und die Petrochemie braucht E-Fuels für die Herstellung von Kunststoffen. "Allein in diesen Bereichen werden für einen klimaneutralen Betrieb kaum vorstellbare Mengen E-Fuels benötigt", unterstreicht Ueckerdt.

Koch ist nicht generell gegen E-Fuels, die die vorhandene Flotte von Verbrennern klimafreundlicher machen könnten, sondern nur dagegen, sie auch für neu zugelassene Autos und kleinere Lastwagen einzuplanen. Dafür existiere mit dem Elektromotor bereits heute ein erheblich effizienterer Antrieb als der Verbrennungsmotor. Der Riedlinger Experte hätte es begrüßt, wenn sich die EU ohne Wenn und Aber für ein Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor entschieden hätte.

"Die Forderung der Automobilindustrie nach klaren Rahmenbedingungen ist berechtigt", betont Koch. Eine Hintertür für den Verbrennungsmotor könnte bedeuten, zwei Antriebssysteme gleichzeitig weiterzuentwickeln, was zu höheren Kosten und geringeren Effizienzen in der Produktion führen würde - und letztlich zu höheren Preisen für die Kunden.

Elektromobilität auf dem Land

Koch kann nicht nachvollziehen, wenn behauptet wird, auf dem Land sei Elektromobilität nicht praktikabel. Gerade dort gebe es viele Eigenheimbesitzer mit häuslichen Lademöglichkeiten, die vielen Stadtbewohnern noch fehlten. "Ich kann mein Elektroauto über Nacht an einer normalen Steckdose soweit aufladen, dass es eine Reichweite von 200 Kilometer hat", erläutert Koch. "Und mit einer Wandladestation lädt es über Nacht voll."

PIK-Forscher Ueckerdt gibt zu bedenken: "Auch ohne eine massive CO2-Besteuerung sind E-Autos schon jetzt an der Grenze zur Wirtschaftlichkeit." Er geht von weiteren technischen Verbesserungen in den nächsten Jahren aus, schon bald könnten die Fahrzeugmärkte zugunsten von Elektrofahrzeugen kippen.

Viele Experten plädieren dafür, klimafreundliche Ansätze und Technologien nicht gegeneinander auszuspielen. "Wir sollten nicht darüber diskutieren, welche Kanone den größten Klimaspatzen abschießt, sondern mit allem "feuern", was wir gegen den Klimawandel haben", schreibt Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg im Buch "So retten wir das Klima". Jede Maßnahme werde gebraucht.

Preis ist entscheidend

Am Ende wird auch der Preis entscheiden, welche Antriebstechnik und welche Kraftstoffe sich durchsetzen. PIK-Experte Ueckerdt schätzt die Kosten für den synthetischen Kraftstoff aus der Pilotanlage Haru Oni aufgrund der Investitionskosten derzeit auf 50 Euro pro Liter. Durch Herstellung im industriellen Maßstab könne der Literpreis auf etwa zwei Euro sinken - das wäre immer noch das Vierfache des Großhandelspreises von fossilem Benzin. Langfristig könnten sich Produktionskosten von weniger als einem Euro ergeben, was immer noch teurer wäre als die E-Mobilität.

"Es besteht jedoch große Unsicherheit über die zeitliche Entwicklung dieser Kostensenkungen", schreiben Ueckerdt und sein PIK-Kollege Adrian Odenweller in einem Analysepapier. Dies hänge davon ab, wie sich der Markt für E-Fuels entwickelt, unter anderem bedingt durch staatliche Steuerung.

Weil E-Fuels künftig vor allem für klimafreundliche Schifffahrt, Luftfahrt und Petrochemie gebraucht werden, kommt Ueckerdt zu der Einschätzung: "Dass E-Fuels in Zukunft in der Breite für Personenwagen eingesetzt werden könnten, wäre ein riskantes Versprechen, das wahrscheinlich nicht gehalten werden kann." Denn dadurch drohe die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu steigen.

Stefan Parsch, dpa

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