Römische Antike Trainieren, kämpfen, essen: Wie der Alltag der Gladiatoren wirklich aussah

Mosaik im Haus der Gladiatoren in der antiken Stadt Kourion
Mann gegen Mann: Im 1. Jahrhundert n. Chr. endete jedes fünfte Gladiatorenduell tödlich, schätzen Forschende. Hier eine Kampfszene in der antiken Stadt Kourion auf Zypern
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"Gladiator 2" ist in den Kinos angelaufen. Knochenanalysen und Ausgrabungen zeigen, wie Gladiatoren im Römischen Reich zu Kampfmaschinen gedrillt wurden – und wie jung die Männer starben

22,5 Jahre. Das war die Lebenserwartung der Gladiatoren im Römischen Reich, haben Historiker aus Grabinschriften errechnet. Wahrscheinlich starben die meisten der Kämpfer durchschnittlich sogar noch früher, erhielten doch in erster Linie diejenigen einen Grabstein, die während ihrer Laufbahn zumindest einige Siege errungen hatten. Viele, die gleich bei ihrem ersten Duell umkamen, verschwanden dagegen spurlos im Dunkel der Geschichte. 

Das Leben der Gladiatoren: Es war hart, entbehrungsreich – und vor allem kurz. Ausgrabungen von Trainingsplätzen und Friedhöfen sowie Knochenanalysen zeigen, wie die Männer in Kasernen lebten und zu tödlichen Kampfmaschinen gedrillt wurden.

Antikes Rom: Vegetarier, Promis und Frauen in der Arena: Drei überraschende Fakten über Gladiatoren
© Duncan Walker / Getty Images
Vegetarier, Promis und Frauen in der Arena: Drei überraschende Fakten über Gladiatoren
© Bild: Duncan Walker / Getty Images

Graffiti in Pompeji: Vom Gladiator, der nach billiger Fischsauce stank

Die Römer errichteten überall in ihrem Reich Amphitheater, in denen sie Gladiatoren gegeneinander antreten ließen. Mehr als 200 Arenen von England bis Ägypten sind belegt. Den Gladiatoren-Nachschub rekrutierten sie aus vier Gruppen: Kriegsgefangenen, Sklaven, verurteilten Verbrechern und – ja, tatsächlich – auch Freiwilligen, die sich wie Söldner gegen Geld verpflichteten.

Die Nachfrage nach Gladiatoren im Reich war gigantisch. Allein in Rom richtete Kaiser Domitian im 1. Jahrhundert n. Chr. vier staatliche Gladiatorenschulen ein, lateinisch ludi. Von der größten Kaserne, dem Ludus Magnus, gelangten die Kämpfer über einen unterirdischen Gang von ihrem Quartier direkt in die Arena im Kolosseum. 

Illustration zeigt Schiffe in der gefluteten Arena

Antikes Rom Die Seeschlacht im Kolosseum

Die Seeschlacht im Kolosseum gehört zu den irrsten Szenen in "Gladiator 2". Alles Fiktion? Nein. Tatsächlich wurde die Arena einst mit Wasser geflutet. Die wahren Ereignisse

Einmal im Ludus aufgenommen, gab es kein Zurück mehr: Neue Rekruten legten einen Eid ab, schworen, sich brandmarken und in Ketten legen zu lassen, mehr noch, "durch das Schwert zu sterben". Aufrecht dem eigenen Tod entgegenzublicken als höchste Kunst des Sterbens.

Hatten die Anwärter den Schwur geleistet, nahmen sie eine neue Identität an: Sie legten sich einen Kampfnamen zu. Besonders häufig finden sich auf Grabsteinen Victor ("der Sieger"), Ferox ("der Wilde") oder Figuren der griechischen Mythologie wie Achilleus. Jetzt gehörten sie offiziell zur Gladiatorentruppe, die nicht zufällig familia hieß: "Gladiatoren lebten, schliefen, aßen und trainierten zusammen, und sie bildeten eine Schicksalsgemeinschaft, indem sie gleichermaßen den Tod vor Augen hatten", schreibt der Historiker Christian Mann ("Gladiatoren").

Das computergenerierte Bild zeigt die Simulation einer Gladiatorenschule
Ein internationales Forschungsteam konnte auf Grundlage von Bodenradaruntersuchungen die Gladiatorenschule von Carnuntum im heutigen Österreich fast vollständig rekonstruieren. Gut zu erkennen: Der Gebäudekomplex war abgeschlossen; eine hölzerne Zuschauertribüne umgab den kreisrunden Trainingsplatz
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Ein- und ausgehen, wie sie wollten, konnten die Gladiatoren in ihren Kasernen nicht. Sie befanden sich nun in der Obhut – und der Gewalt – eines Cheftrainers, des lanista. In Pompeji glich der erste Ludus einer Festung: Das Gebäude lag mehrere Meter über dem regulären Straßenniveau, konnte nur über zusätzliche Stufen erreicht werden. Der Innenhof war komplett eingemauert, eine Sicherheitstür riegelte den Komplex ab. Der zweite Ludus in Pompeji hatte ein kleines Gefängnis für aufrührerische Gladiatoren. Und nach mehreren Aufständen – etwa nach der berühmten Rebellion des Spartacus im Jahr 73 v. Chr. – wurden die Kämpfer nachts in Ketten gelegt. 

In Pompeji zeugen Inschriften an den Säulen des Innenhofs vom Alltag der Männer – und ihrem Selbstbild: Ein Celadus schreibt, er sei der, "um den die Mädchen seufzen". Crescens soll "nachts junge Mädchen in seinem Netz" fangen. Und ein gewisser Jesus meint, sein Kontrahent Lucius Asicius stinke nach billiger Fischsauce und sei so schwach wie der Drink einer Dame.

Gladiatoren wurden als Gerstenfresser verspottet

Vor ihrem ersten Kampf übten die angehenden Gladiatoren mehrere Monate lang. Zunächst musste die Waffengattung festgelegt werden: Der retiarius ging mit Dolch, Fischernetz und Dreizack auf seinen Gegner los. Der thraex kämpfte mit einem kurzen Krummschwert, zum Schutz trug er einen kleinen Schild und einen Helm. Beide Gattungen eigneten sich vor allem für leichtere, geschmeidige Männer. Stämmige Hünen dagegen setzte der Lanista etwa als secutor ein: Er wurde mit einem kurzen Schwert, einer Schiene am linken Bein, Helm und einem großen rechteckigen Schild ausgestattet. 

Skelette eines Gladiatorenfriedhofs in Ephesos in der heutigen Türkei zeugen vom Training der Rekruten: Forschende entdeckten an Arm- und Beinknochen Zeichen einer starken Muskulatur, sogenannte "muscle marker". Die Gladiatoren schlugen beim Training im Kasernenhof täglich mit Holzwaffen auf Pfähle ein, pali genannt. Auch die Ernährung war auf Muskelaufbau ausgelegt: Die Männer bekamen vor allem eiweißhaltige Bohnen und kohlenhydrathaltigen Gerstenbrei vorgesetzt, ergaben Knochenanalysen. Kein Wunder, dass Zeitgenossen Gladiatoren zuweilen als "Gerstenfresser" verspotteten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten zudem einen "Energiedrink" nachweisen, dem Knochenasche zugesetzt wurde. 

Retiarius Gladiator Grabstein in  Rom
Steinerne Zeugen: Ungezählte Grabsteine auf dem Gebiet des früheren Römischen Reiches erinnern an das Leben der Kämpfer. Häufig sorgten Gladiatoren für die Bestattung ihrer gefallenen Kameraden
©  Alamy Stock Photos / Peter Horree / mauritius images

Der Alltag in der Kaserne verlief so hierarchisiert wie bei der römischen Armee: Das Palus-System, benannt nach dem hölzernen Trainingspfahl, gliederte die Gladiatorentruppe in eine Rangordnung, getrennt nach der Waffengattung. Die Secutores etwa führte der "erste Palus der Secutores" an. "Die erfahrenen Haudegen setzten die Verhaltensregeln fest und sorgten intern für die Disziplinierung von Neulingen, und sie waren auch das Sprachrohr der Truppe gegenüber dem Lanista", schreibt der Historiker Mann. Vor allem die Anzahl der errungenen Siege, aber auch das Dienstalter entschieden über den Rang.

Unfreie Gladiatoren wurden nach drei bis fünf Jahren freigelassen

Die Bande der Familia hielten über den Tod hinaus: Gladiatoren sorgten häufig für die Bestattung ihrer gefallenen Kameraden. Christian Mann geht davon aus, dass sie eine Begräbniskasse führten, "in die jeder einen Teil seines Preisgeldes einzahlte". Wahrscheinlich gibt es nur deshalb so viele Grabsteine.

Anhand der Inschriften auf den Steinen haben Forschende errechnet, wie oft Gladiatoren pro Jahr zu einem Duell antraten: Demnach stellten sie sich zwischen vier und sieben Kämpfen. Unfreie Gladiatoren erwartete nach drei bis fünf Jahren die Freiheit – wenn sie denn so lange überlebten.

Untersuchungen auf dem Gladiatorenfriedhof von Ephesos zeugen von der Brutalität der Kämpfe: Zahlreiche Skelette weisen zertrümmerte Knochen und schwere Wunden am Schädel auf. Historikerinnen und Historiker schätzen, dass im 1. Jahrhundert n. Chr. jedes fünfte Gladiatorenduell tödlich endete. Im 3. Jahrhundert ging gar jeder zweite Kampf tödlich aus.