Lippstadt, östlich des Ruhrgebiets, 1. April 1945. Die Falle schnappt zu. Den ganzen Morgen schon hören die Menschen in dem westfälischen Ort das Motorengrollen der US-Panzer. Dann Schüsse. Aus dem Westen dringt der harte Donner von Artilleriefeuer ins Stadtinnere, hallt wider zwischen Pflastersteinen und Fachwerkfassaden.
Der Motorenlärm schwillt an, als sich die ersten olivgrünen Panzerfahrzeuge durch die Straßen schieben. Deutsche Soldaten harren dort hinter Mauern oder in eilig geschaufelten Schützengräben aus. Sie liefern sich kurze Gefechte mit den Amerikanern, deren Panzer bald in immer größerer Zahl heranrollen, aus mehreren Richtungen dringen sie in die Stadt: Einheiten der 9. US-Armee, die sich vom Rhein aus an der Nordseite des Ruhrgebiets nach Osten vorgekämpft haben, sowie Truppen der 1. US-Armee, die zeitgleich weiter südlich in gleicher Richtung vorgerückt sind.
In Lippstadt treffen sie nun aufeinander, nehmen Viertel um Viertel ein. Am Nachmittag bricht der deutsche Widerstand zusammen. Es ist Ostersonntag – der Ruhrkessel ist geschlossen. Fast das gesamte Ruhrgebiet, das Bergische Land sowie Teile des Sauerlandes sind damit von US-Truppen umstellt. Ein Areal mit einem Durchmesser von rund 130 Kilometern. Fünf Millionen Zivilisten sitzen hier fest. Vor allem aber droht jetzt das Ruhrgebiet mit seinen Bergwerken und Fabriken an die Alliierten zu fallen, jene Industrieregion, die im Frühling 1945 Deutschlands letzte Quelle für Kohle und Kriegsmaterial ist.
Sie zu verteidigen, ist Aufgabe der ebenfalls im Kessel eingeschlossenen Truppen der deutschen Heeresgruppe B unter Generalfeldmarschall Walter Model. Eine eigentlich hoffnungslose Mission. Denn während die zwei US-Armeen das Ruhrgebiet in die Zange nehmen, stoßen weitere alliierte Verbände, vor allem US-Amerikaner, Kanadier und Briten schnell von Westen aus in das Innere Deutschlands vor, zugleich sammeln sich im Osten sowjetische Truppen für den Sturm auf die Hauptstadt Berlin. Das Deutsche Reich wird von zwei Seiten zerrieben.
Doch Model gilt als ebenso fähiger wie unerbittlicher Kommandeur, ein fanatischer Militär, der einst verkündet haben soll, "ein deutscher Feldmarschall kapituliert nicht". Die Alliierten ihrerseits werfen, millionenfach auf Flugblätter gedruckt, eine klare Warnung an ihre Gegner über dem Kessel ab: "Eingeschlossen – Übergabe oder Vernichtung". Die Einsätze der Kontrahenten könnten kaum höher sein. Und so beginnt eines der letzten großen Gefechte des Zweiten Weltkriegs, die Kesselschlacht um das Ruhrgebiet. Sie wird den Krieg im Westen Deutschlands entscheiden.