Die unglaubliche Karriere des letzten Wikingers spannt sich auf zwischen zwei Schlachten. Überraschenderweise – für einen Mann, der als Krieger gefürchtet ist, den sie "Harald den Harten" und "Blitzstrahl aus dem Norden" nennen – zwischen zwei vernichtenden Niederlagen. Die erste ereilt ihn im Jahr 1030; da ist er erst 15 Jahren alt. An der Seite seines Halbbruders Olaf, kurz zuvor noch König von Norwegen, verliert er gegen den dänischen Herrscher Knut. Olaf wird getötet. Und Harald muss, schwer verwundet, fliehen.
Mit einer Gruppe von Kriegern quert er die Ostsee. Über den Finnischen Meerbusen gelangen die Männer in das Reich des Großfürsten Jaroslaw, der in Nowgorod sowie dem 900 Kilometer weiter südlich gelegenen Kiew residiert. Der Fürst engagiert den Heranwachsenden, ist angetan davon, dass der so ehrgeizig alle ihm anvertrauten militärischen Aufgaben erledigt. Schon früh hat Harald den Umgang mit Schwert und Axt trainiert und eine ausgeprägte Gier nach Ruhm als Krieger entwickelt.
Vielleicht deswegen fasst Harald den Entschluss, nach neuen Taten zu streben. Im Sommer 1034 bricht er auf zu einem Ort, der wie kein Zweiter Ehre und Reichtum verheißt: die byzantinische Metropole Konstantinopel.
Bald wird der Wikinger dort zu einem Offizier der legendären Warägergarde, jener Eliteeinheit aus Söldnern vor allem skandinavischer Herkunft, die als Leibwache des Kaisers von Byzanz dient. Doch wegen heftiger politischer Umbrüche an der Spitze des Reiches muss Harald 1042 auch Konstantinopel wieder verlassen und heiratet kurz darauf die Tochter des Großfürsten Jaroslaw.
Harald ist inzwischen ein arrivierter Mann: Fast 30 Jahre alt, ist er als Kriegsherr weithin geachtet und gefürchtet, hat als erfolgreicher Söldner ein gewaltiges Vermögen angesammelt. Trotzdem scheint ihm etwas Entscheidendes zu fehlen: die Rückkehr nach Norwegen. Dort will er die Macht ergreifen und damit zugleich den Schmerz auslöschen, den die verlorene Schlacht und das Ende seines Halbbruders 15 Jahre zuvor bei ihm hinterlassen haben.
Er hat alles erreicht – und will noch mehr
Und tatsächlich gelingt es ihm durch militärischen Terror und zugleich kluge Diplomatie bald, den Thron in der Heimat zu erringen. Um 1065 scheint er am Ziel zu sein: Er regiert das Land hart aber stabil, Norwegen hat sich als selbstständige Macht etabliert, gleichrangig mit Schweden und Dänemark. Alle vorherigen Konflikte scheinen gelöst. Und doch: Schon kurz darauf bereitet er das größte militärische und politische Unternehmen seines Lebens vor – die Invasion Englands.
Bereits die ersten überlieferten Raubfahrten der Wikinger im 8. Jahrhundert führten an die englischen Küsten mit ihren meist wohlhabenden Klöstern und Ortschaften. Nach und nach blieben viele der Angreifer dort; es entstand eine angloskandinavische Mischkultur. Zwischendurch standen große Teile des britischen Inselreiches sogar unter wikingischer Herrschaft. Im Jahr 1042 aber kehrten die Engländer zu ihrer alten Dynastie zurück. Die Wikingerherrscher hatten die Insel verloren. Das will Harald nun wieder ändern.

1066 schafft der Norweger in mehr als 300 Schiffen rund 11.000 Soldaten über die Nordsee. Im Spätsommer landen die Invasoren im Nordosten. Bei York siegen sie kurz darauf über ein Heer von Regionalfürsten. Die Eroberung scheint bestens zu verlaufen. Und Harald wird unvorsichtig.
Am 25. September 1066 befindet er sich auf einer Verhandlungsmission in der Nähe von York, mit nur wenigen Kriegern und ohne Rüstungen. Plötzlich erblickt er am Horizont eine Staubwolke. Ein unheilvolles Zeichen: Ein großes Heer ist im Anmarsch. Es kann nur die Hauptarmee des englischen Königs sein. Der ist offenbar in einem Gewaltmarsch von beinahe unglaublichem Tempo aus dem Süden herbeigeeilt – und überrumpelt Harald nun. Es ist ein schwerwiegender, Forschende bis heute beschäftigender Fehler des eigentlich so erfahrenen Kriegers, dass er sich nicht auf diese Möglichkeit vorbereitet hat. Im Gegenteil: Nun sind seine Männer nicht nur – wegen der fehlenden Rüstungen – weitgehend ungeschützt, sondern auch zahlenmäßig deutlich unterlegen.
Ganz Wikinger, geht Harald dem Kampf dennoch nicht aus dem Weg. Er ist nach England gekommen, um ein Reich zu gewinnen, und entweder wird ihm dies gelingen. Oder er wird untergehen. Und so kommt es nun.
Nach mehreren Stunden brutalen Gemetzels trifft ihn bei einer wilden Attacke ein Pfeil in den Hals. Leblos fällt er zu Boden. Kurz darauf ist die Niederlage besiegelt.
Die gewaltvolle Expansion der Nordmänner ist vorbei
So stirbt in der berühmten Schlacht von Stamford Bridge im Herbst 1066 der letzte Wikinger. Denn wenn es einen skandinavischen Fürsten gibt, der als letzte große Gestalt seines Zeitalters gelten kann, dann ist es Harald der Harte. Und wenn es einen Moment gibt, der symbolisch für einen Epochenabschluss steht, dann ist es sein tödliches Scheitern auf den Feldern bei York im Jahr 1066.
Haralds Invasion in England ist der letzte große Versuch skandinavischer Krieger, ein Reich außerhalb ihrer Heimat zu gewinnen und zu beherrschen. Mit ihm endet sinnbildlich das Zeitalter der aggressiven skandinavischen Expansion – oder, wie die spätere Geschichtsforschung es nennen wird: die "Wikingerzeit".