Am 21. Mai 2025 staunen die Archäologinnen und Archäologen nicht schlecht, als sie eine gewaltige Schuhsohle aus dem Schlamm in einem einstigen Graben des römischen Forts Magna am Hadrianswall in Großbritannien bergen. Der Schuhteil aus Leder ist dank der konservierenden Lagerung unter Luftabschluss im feuchten Erdreich hervorragend erhalten. Von der Spitze bis zur Hacke misst die Sohle 32 Zentimeter, was einer heutigen europäischen Herrenschuhgröße von 50 entspricht. Doch fast noch beeindruckender als der Fund ist der Fundort am antiken Verteidigungswall selbst: ein sogenannter Knöchelbrechergraben.
Wir schreiben das Jahr 117. Kaiser Hadrian tritt in Rom die Nachfolge von Trajan an, der das Imperium Romanum in zahlreichen Kriegen zu seiner größten territorialen Ausdehnung geführt hat. Von Großbritannien im Norden bis Ägypten im Süden, vom heutigen Nordwestmarokko bis zum Zusammenfluss von Euphrat und Tigris im heutigen Iran und Irak im Osten erstreckt sich der römische Einfluss. Rund 75 Millionen Einwohner leben in diesem Riesenreich, das knapp neun Millionen Quadratkilometer umfasst.
Erstmals verfolgt Rom eine Außenpolitik der Konsolidierung
Hadrian steht vor einer gewaltigen Aufgabe: dieses Imperium zu sichern. Erstmals seit Jahrhunderten verfolgt Rom eine Außenpolitik der Konsolidierung, nicht mehr eine der Expansion.
Wo keine natürlichen Hindernisse wie etwa Flüsse die Grenzen schützen, lässt Hadrian Befestigungsanlagen errichten, in Teilen Mitteleuropas, aber auch im Norden. Um das Jahr 120 beginnen Legionäre mit dem Bau des später so genannten Hadrianswalls in Großbritannien – eines mehr als vier Meter hohen Bollwerks, das sich über 120 Kilometer einmal quer von Ost nach West durch die Insel zieht und für die kommenden knapp drei Jahrhunderte die nördlichste Grenze des Imperiums markieren wird.

Alle anderthalb Kilometer unterbrechen Tore den Wall, gesichert von kleinen Festungen. Sie dienen im Angriffsfall als Ausfalltore für Einheiten aus dem Hinterland. Zusätzlich sichern 16 Forts die Grenze, befestigte Lager, die von Mauern und Wällen umgeben sind. Das wohl am besten erforschte Fort ist Vindolanda, etwa in der Mitte des Walls im Landesinneren gelegen.

Das Fort Magna wird erst seit Kurzem ausgegraben. Grund dafür sind Änderungen des Klimas in den vergangenen Jahren. "Extreme Wetterereignisse wie lange Trocken- und Hitzeperioden, gefolgt von heftigen Regenfällen, beeinträchtigen die Landschaft und die Bodenbeschaffenheit. Wasser, Sauerstoff und Mineralien dringen tiefer in die anaeroben (sauerstofffreien) Böden ein. Dies droht die wichtigen archäologischen und ökologischen Informationen, die darin enthalten sind, zu zerstören", heißt es dazu auf der Projektseite. Es ist also Gefahr im Verzug für die organischen Materialien im Boden, die dort seit fast zwei Jahrtausenden überdauert haben und nun zu vergehen drohen.

Bei der diesjährigen Kampagne untersucht das Archäologenteam einen breiten Streifen, in dem die Mauer des Forts und die vorgelagerten Verteidigungsgräben vermutet werden. Zwei Gräben haben die Forschenden bereits freigelegt. Und sind dabei auf eine Eigenart römischer Wehrtechnik gestoßen, die man auch schon von anderen Befestigungsanlagen kennt, die Knöchelbrecher.
Unter der Wasseroberfläche lauert eine Falle
Denn was damals für den Angreifer als flacher, mit Wasser gefüllter Graben erscheint, den man mit Schwung gut durchlaufen kann, ist eine Falle. Auf dem tiefsten Punkt des Grabens, versteckt unter der Wasseroberfläche, verläuft eine weitere, schmale Vertiefung, ein Graben im Graben. Gerät der Angreifer in Vorwärtsbewegung hinein, tritt er zunächst ins Leere. Dann bleibt der Fuß abrupt hängen. Die Folge: Der Knöchel bricht.
Der Schuh mit der Größe 50 stammt wohl aber nicht von einem Feind, sondern von einem Legionär, einem anderen Bewohner oder vielleicht auch Besucher des Forts. Immer wieder finden sich in Gruben und Gräben in den römischen Siedlungen und Forts am Wall Hinterlassenschaften des Alltags der Soldaten.
In Fort Magna erforscht das Team aktuell eine römische Kopfsteinpflasterstraße und vermutet in deren Umfeld einen weiteren Graben – vielleicht auch mit einer gefährlichen Stolperfalle an seinem Grund.