Unter vielen schmerzhaften Verlusten hält sie diesen für den schlimmsten: den von Zeit. Denn Zeit ist nicht ersetzbar, ungenutzte Zeit für immer vertan. Ein vergeudetes Geschenk Gottes. Sünde.
Also steht sie früh auf. Maria Theresia, als Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen eine der mächtigsten Frauen ihrer Zeit, beginnt den Tag um vier Uhr morgens, im Winter um sechs. Die erste Stunde gehört Gebet und Messe, einem Kaffee. Auf die Morgentoilette folgen weitere genau eingeteilte Zeitfenster für Ministergespräche, Audienzen, Schreibtischarbeit, Familie, Essen, weitere Andacht, Gesellschaft. Meist geht sie zeitig zu Bett. Die Herrscherin des gewaltigen Habsburgerreichs im Herzen Europas beeindruckt Besucher durch ihre ungeheure Disziplin. Eine willensstarke Monarchin, selbstbewusst, effektiv. Und dennoch hadert die Frau, die kriegerischen Königen wie dem Preußen Friedrich II. und machthungrigen Verwandten die Stirn bietet, mit ihrem Schicksal. Fühlt sich am falschen Platz. Denn insgeheim teilt Maria Theresia die Überzeugung der meisten Menschen ihrer Zeit: Frauen sollten nicht regieren.