Sprung vom Eiffelturm Fallschirm-Erfinder Franz Reichelt wollte Leben retten – und stürzte in den Tod

Franz Reichelt mit einem Fallschirm
Der Schneider Franz Reichelt (1878–1912) entwarf einen Fallschirmanzug. Beim Testsprung jedoch versagte die Konstruktion – und Reichelt kam ums Leben
© ullstein bild / Getty Images
1912 wollte der Schneider Franz Reichelt der Öffentlichkeit seinen selbstgenähten Fallschirm präsentieren: Er stürzte sich vom Eiffelturm – und fiel ungebremst zu Boden. Ein Filmteam hielt das Drama fest

Es ist acht Uhr morgens. Das Filmteam der Firma "Pathé penibel" steht bereit. Die Kameraleute haben sich – mit weiteren Reportern und Schaulustigen – an diesem 4. Februar 1912 am Pariser Eiffelturm postiert, um eine Sensation in Bewegtbildern festzuhalten.

Die Männer wollen mit jener immer noch neuen Technik filmen, wie der Schneider Franz Reichelt mit einem selbst genähten Fallschirm vom Eiffelturm springt und eine lebensrettende Erfindung aus der Taufe gehoben wird. Doch stattdessen werden die Kameraleute einen Todessturz dokumentieren: Reichelt springt von der ersten Aussichtsplattform in 57 Meter Höhe und prallt ungebremst auf dem Boden auf. Die Aufnahmen schockieren die Öffentlichkeit und sind noch heute bei Youtube zu finden.

Franz Reichelt testete seine Fallschirme zunächst an Ankleidepuppen

Jahrelang hatte Franz Reichelt an einem Fallschirmanzug getüftelt. Seine Konstruktion sollte abstürzende Piloten vor dem sicheren Tod retten. 1878 nördlich von Prag als Sohn eines Schuhmachers geboren, hatte sich Reichelt als junger Mann von seinem Onkel in Wien zum Schneider ausbilden lassen. 1903 zog er nach Paris, die Stadt der Mode. Unweit der Oper, in einer feinen Gegend, eröffnete er einen Damenschneidersalon und lebte sich in seiner neuen Heimat rasch ein: Bald nannte er sich François, nahm die französische Staatsbürgerschaft an.

Offenbar fasziniert von den revolutionären Flugzeugentwicklungen seiner Zeit, widmete sich Reichelt neben seiner eigentlichen Schneiderarbeit Fallschirmanzügen. Vor allem Ballonfahrer hatten bereits seit Ende des 18. Jahrhunderts Fallschirme entwickelt, allerdings mangelte es an Zuverlässigkeit. Zudem waren diese Exemplare meist sehr schwer und unhandlich und eigneten sich daher kaum für Flugzeuge. 

So entwickelte Reichelt einen Stoffanzug, der gefaltet wie ein Rucksack am Körper eines Piloten befestigt werden konnte. Der Schneider testete seine Produkte zunächst an Ankleidepuppen, die er aus dem Fenster warf. Schließlich probierte er die Konstruktionen an sich selbst, indem er damit aus mehreren Meter Höhe sprang. 

Als im Jahr 1912 der Aéro-Club de France, eine Vereinigung zur Förderung der Luftfahrt, einen Wettbewerb auslobte für die Konstruktion eines Fallschirms, der maximal 25 Kilo wiegen sollte, sah Reichelt seine Chance. Schauplatz seiner öffentlichen Vorführung sollte der Eiffelturm sein, 1889 zur Eröffnung der Pariser Weltausstellung eingeweiht und zum Symbol der Moderne, zum neuen Wahrzeichen der Stadt geworden. Die Behörden stimmten dem spektakulären Versuch zu. 

Oben, auf der ersten Plattform des Turms, posierte der 33-jährige Reichelt in seiner Stoffkonstruktion, die an seinen Körper montiert war, noch für einen der Kameramänner, fest überzeugt, dass seine Erfindung funktionieren würde. Dann kletterte er auf einen Stuhl, von dort weiter über einen Tisch auf die Brüstung der Aussichtsplattform, wippte seinen Körper vor und zurück, zögerte – und sprang. 

Franz Reichelt springt den Eifelturm herunter
Zahlreiche Medien griffen Franz Reichelts Todessprung von 1912 auf – und veröffentlichten etwa solche Illustrationen
© Stefano Bianchetti / Bridgeman Images

Die Filmaufnahmen zeigen, wie der Schneider hart auf dem Grasboden aufschlägt und wie eine Menschenmenge die Leiche umringt, bevor Helfer sie schließlich forttragen können. Die Konstruktion, die Leben retten sollte, wurde ihrem Erfinder zum Verhängnis.

"Todessprung vom Eiffelturm" titelten die Zeitungen in Paris, berichteten ausgiebig und zeigten auch Bilder des Verunglückten. Das Blatt "Le Petit Parisien" berichtete: "Blut sickerte aus seinem Mund, seiner Nase, seinen Ohren. Sein rechter Arm und sein rechtes Bein waren zerquetscht, sein Schädel und sein Rücken waren gebrochen. Der Tod trat sofort ein." Schnell geriet die Polizei, die die Aktion erlaubt hatte, in die Kritik. Doch man habe geglaubt, so verteidigten sich die Behörden, Reichelt werde nur eine seiner Ankleidepuppen von der Brüstung werfen – nicht, dass er selbst springen würde.

Ein funktionierender Rucksackfallschirm für Flugzeugpiloten wurde noch im selben Jahr, 1912, erfunden: von dem Russen Gleb Kotelnikow.