SETI-Forschung Schwarzes Loch könnte Aliens verraten – das steckt hinter der spekulativen Theorie

Schwere Schwarze Löcher sammeln um sich einen Ring aus Staub an, der sich erhitzt und leuchtet, wie in der Illustration dargestellt. Das nun vorgestellte Szenario geht von einem kleinen Schwarzen Loch aus: Dieses sendet Licht in Form von Hawking-Strahlung aus und könnte so einen nahen Planeten erwärmen
Schwere Schwarze Löcher sammeln um sich einen Ring aus Staub an, der sich erhitzt und leuchtet, wie in der Illustration dargestellt. Das nun vorgestellte Szenario geht von einem kleinen Schwarzen Loch aus: Dieses sendet Licht in Form von Hawking-Strahlung aus und könnte so einen nahen Planeten erwärmen
© Mark Gar / Science Photo Library / mauritius images
Ein Harvard-Forscher schlägt einen neuen Weg vor, Außerirdische aufzustöbern: Man müsse nach Schwarzen Löchern Ausschau halten, die um Planeten kreisen. Völlig gaga? Oder ist da doch was dran?

"Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden", schrieb der Science-Fiction-Autor Arthur Charles Clarke. Tatsächlich würden Menschen früherer Epochen heutige Technik wie Autos, Film und Internet als Magie empfinden: Aus ihrem Wissensstand heraus ist unbegreiflich, wie diese Dinge funktionieren können. 

Entsprechend "unmöglich" könnte uns die Technologie außerirdischer Zivilisationen erscheinen, die sich über beliebig lange Zeit und mit vielen Ressourcen in immer höheren Evolutionsstufen weiterentwickelt haben. Das aber macht die Suche nach Außerirdischen so kompliziert: Wir können uns kaum vorstellen, wonach wir Ausschau halten müssen. 

Kürzlich hat der Astrophysiker Avi Loeb, immerhin Professor der Harvard University, eine Idee geliefert, woran wir weit entfernte Zivilisationen erkennen könnten: anhand einer sehr besonderen Energiequelle. Diese wäre durchaus "magisch": Sie wäre effizienter als Kernfusion und nebenbei umweltfreundlich, wie Loeb in seiner Veröffentlichung betont. Die Energiequelle sei, Trommelschlag: ein Schwarzes Loch. 

Der Astrophysiker Avi Loeb, Professor der Harvard University, macht seit Jahren mit Alien-Spekulationen Schlagzeilen
Der Astrophysiker Avi Loeb, Professor der Harvard University, macht seit Jahren mit Alien-Spekulationen Schlagzeilen
© AA / picture alliance

Anders als ihr Name vermuten lässt, sind diese astronomischen Gebilde keineswegs ganz schwarz, sondern senden minimal Licht aus, die Hawking-Strahlung: je kleiner die Schwarzen Löcher, desto stärker die Emission.  Ein vergleichsweise kleines Schwarzes Loch mit 100.000 Tonnen Masse – das entspricht etwa der Golden Gate Bridge – liefere laut Loeb ausreichend Energie, um einen sonst kalten Planeten zu erwärmen.

Die meisten uns bekannten Planeten brauchen solch eine Heizung nicht, weil sie eben um einen Stern kreisen. Doch nicht alle Planeten tun das: Astronomieteams haben in den vergangenen Jahren immer mehr Einzelgänger entdeckt, die ohne einen Begleit-Stern durchs All streifen. Womöglich existieren gar Billionen solcher "Geisterplaneten" – allein in der Milchstraße. Umgeben von der Kälte und Dunkelheit des Weltraums gelten sie als eher lebensfeindliche Orte, auch wenn einige Studien Leben auf diesen Planeten prinzipiell für möglich halten. 

Laut Loeb ließe sich solch ein Planet aber auch auf künstlichem Wege auf angenehme Temperaturen erwärmen. Dazu müsse man nur ein kleines Schwarzes Loch einfangen  – oder gleich selbst produzieren. Es solle dann als Trabant um den Planeten kreisen. Wie man Schwarze Löcher fängt oder gar herstellt, verrät Loeb nicht, diese Information gehört wohl in den Bereich der von Autor Clarke beschriebenen "Magie". Der Trabant lässt sich jedenfalls wahlweise als "Black Hole Moon" bezeichnen oder "Black Hole Sun" (entsprechend einem Lied der Grunge-Band Soundgarden).

Wissenschaftlich kann man Loebs Hypthese in der Hinsicht ernstnehmen, dass sie überprüfbare Aussagen macht: Die Schwarzen Löcher würden Gammastrahlung aussenden. Sollten wir also einen einzelgängerischen Planeten entdecken, aus dessen Richtung uns auch Gammastrahlung erreicht, dann hätten wir womöglich eine außerirdische Zivilisation entdeckt. Allerdings: Solch einen Fund gab es bislang nicht. 

Gewagte Spekulationen mit wissenschaftlichem Anstrich

Der "Black Hole Moon" ist nicht der erste Vorschlag von Loeb, der etwas spinnert klingt. In den vergangenen Jahren sorgte der Astrophysiker mehrmals mit wahnwitzigen Theorien für Aufsehen. Als 2017 beobachtet wurde, wie ein Objekt aus der Tiefe des Alls kommend durch unser Sonnensystem rauschte, vermutete Loeb, es handle sich um ein Alien-Raumschiff. Seine versammelte Kollegenschaft hält hingegen einen Brocken aus Stein, Metall oder Stickstoffeis für wahrscheinlicher. 2023 glaubte Loeb, auf dem Meeresgrund gefundene Meteoritenstückchen könnten Teil einer Alientechnologie sein. Auch in diesem Fall gibt es zahlreiche deutlich plausiblere Erklärungen, die ohne Außerirdische auskommen. 

2017 flog ein Objekt einmal quer durchs Sonnensystem, um nach wenigen Wochen in die Tiefen des Alls zu entschwinden. Für die Astronomie war 1I/ʻOumuamua eine Sensation: Erstmals hatte man in der Nähe ein interstellares Objekt beobachtet, das also anders als etwa Kometen nicht zu unserem Sonnensystem gehört. Loeb hingegen vermutete eine noch größere Sensation: ein Alien-Raumschiff
2017 flog ein Objekt einmal quer durchs Sonnensystem, um nach wenigen Wochen in die Tiefen des Alls zu entschwinden. Für die Astronomie war 1I/ʻOumuamua eine Sensation: Erstmals hatte man in der Nähe ein interstellares Objekt beobachtet, das also anders als etwa Kometen nicht zu unserem Sonnensystem gehört. Loeb hingegen vermutete eine noch größere Sensation: ein Alien-Raumschiff
© NASA / ZUMA Wire / ZUMAPRESS.com / picture alliance

Loeb schießt sich innerhalb der Forschungsgemeinschaft mit seinen gewagten und zuweilen schnell widerlegten Thesen immer weiter ins Aus. Tiefpunkt war womöglich seine Teilnahme an einem Pressetermin von Ufologen im mexikanischen Parlament.  Damals wurden angeblich die Leichname von Außerirdischen präsentiert. Mit diesem "Fund" hatte Loeb zwar nichts direkt zu tun, aber er hatte offenbar auch kein Problem, sich als Redner der Veranstaltung zuzuschalten, um eigene Theorien zu präsentieren.

Nun ist nicht jede Spekulation um Außerirdische unwissenschaftlich. Loebs Idee ist angelehnt an eine der einflussreichsten Spekulationen zu Alien-Zivilisationen: den Dyson-Sphären. 

Energieknappheit verbindet alle Zivilisationen

Freeman Dyson war bereits in den 1950er Jahren ein angesehener Physiker, vor allem seine Beiträge zur Quantenphysik waren wegweisend. 1960 dachte er darüber nach, wie sich Außerirdische aufstöbern ließen. Da wir womöglich kaum etwas mit ihnen gemein haben, weder biologisch, kulturell noch technologisch, könnten wir kaum von uns auf sie schließen. 

Liefert aber womöglich die Physik Vorgaben, an die jede Zivilisation im Universum gebunden ist? Ja, glaubte Dyson: Jede Zivilisation brauche Energie, und je höher der technologische Fortschritt, umso größer der Energiebedarf. Selbst energieschonende Technik ändere daran nichts, denn wieviel physikalische Arbeit sich aus einer bestimmten Menge Energie umsetzen lässt, ist durch Naturgesetze begrenzt. Der Energiebedarf steige laut Dyson so sehr, dass Zivilisationen früher oder später alle Energie ihres Heimatsterns auffangen und nutzen müssten.

Möglich sei dies beispielsweise durch Photovoltaikanlagen, die als Megakonstruktion um den Stern kreisen und all sein Licht auffangen. Dieser Vorschlag wurde als Dysonsphäre bekannt. Unabhängig von der Technologie, mit der die Außerirdischen die Energie ihres Heimatsterns einfangen, ist, dank der Thermodynamik, eines gewiss: Die Megakonstruktion würde sich erwärmen, weil selbst bei perfekt konstruierten Energiequellen ein Teil der Energie immer als Wärme verloren geht. Der Entropievermehrung, die die Thermodynamik vorschreibe, könne sich keine Zivilisation entziehen. 

Um Alienzivilisationen zu entdecken, halten manche Forschende nach Dysonsphären Ausschau: hypothetischen Megakonstruktionen, mit denen die Außerirdischen das gesamte Licht ihres Heimatsterns einfangen
Um Alienzivilisationen zu entdecken, halten manche Forschende nach Dysonsphären Ausschau: hypothetischen Megakonstruktionen, mit denen die Außerirdischen das gesamte Licht ihres Heimatsterns einfangen
© dotted zebra / Alamy Stock Photos / mauritius images

Selbst wenn also der Heimatstern der Außerirdischen für uns nicht mehr direkt sichtbar sei, schlussfolgerte Dyson, würde doch die ihn umgebende Megakonstruktion Wärmestrahlung in den Weltraum ausstrahlen. An dieser könnten wir die Zivilisation erkennen: dass aus ihrem Sonnensystem statt der gängigen Sternenstrahlung langwelligere  Wärmestrahlung zu uns dringt. 

Außergewöhnlich an Dysons Gedankengang ist, dass er aus einer physikalischen Notwendigkeit eine überprüfbare Vorhersage über technologisch weit fortgeschrittene Alien-Zivilisationen macht. Bis heute wurde keine Hinweise auf eine Dysonsphäre gefunden. Für mögliche Entdeckungen gab es stets naheliegendere Erklärungen.

Ranking der Alien-Zivilisationen

Freeman Dyson stieß eine Menge neuer Forschung an. Unter anderem entwickelte der sowjetische Radioastronom Nikolai Kardaschow die nach ihm benannten Skala: Sie unterscheidet verschiedene Evolutionsstufen von Zivilisationen. 

Zivilisationen von Typ 1 wären in der Lage, alle Energie ihres Planeten aufzufangen und zu nutzen, nicht nur die einfallende Sonnenstrahlung, sondern beispielsweise auch die Energie von Erdbeben. Zivilisationen von Typ 2 würden alle Energie ihres Sterns nutzen, wie bei Dyson beschrieben, und Typ 3 gar alle Energie ihrer Galaxie. Letzteres umzusetzen erscheint aus menschlicher Sicht utopisch, aber physikalisch steht dem nichts entgegen. Entsprechend könnte Typ 3 der zwingende Fluchtpunkt sein, auf den jede Zivilisation hinstrebt, die sich über beliebig lange Zeit technologisch weiterentwickelt.  

Nikolai  Kardaschow lieferte also den Rahmen für Fragen wie: Welchen Energiebedarf könnten uns fremde Zivilisationen haben? Welche Energiequellen könnten einen solch hohen Bedarf stillen? Und welche beobachtbaren Spuren hinterlassen diese Technologien? Eine außerirdische Zivilisation, die Loebs Idee umsetzt, ist wohl zwischen Typ 2 und Typ 3 anzusiedeln: Sie nutzt kontinuierlich die Energie, die ein einzelner Stern ausstrahlt (Typ 2), doch um das Schwarze Loch zu erschaffen, braucht sie eine weitaus größere Energiemenge. 

Loeb steht also in einer durchaus seriösen Tradition von Forschung. Verwegene Thesen zu Außerirdischen sind daher zunächst unproblematisch: Oft lassen sie sich experimentell überprüfen und werden eben auch schnell widerlegt – in der Wissenschaft ein üblicher Vorgang. Kritisch an Loeb ist allerdings, dass er die Thesen auch dann noch mit Getöse vertritt, wenn sie als weithin unplausibel widerlegt wurden.