Extremwetter Nicht jede Flutkatastrophe ist ein "Jahrhundertereignis"

Luftaufnahme von zerstoerten Haeusern, Straßen und Autos.
Nach der Flutkatastrophe an der Ahr und der Erft: In Erftstadt-Blessem wurden von den Wassermassen ganze Häuser und Straßenzüge weggerissen
© DOCKS Collective / Laif
Immer öfter ist in den Medien von "Jahrhundertflut" oder "Jahrhunderthochwasser" die Rede. Doch was ist damit eigentlich gemeint? Und wenn es jedes Jahr mehrere davon gibt: Macht der Ausdruck dann überhaupt noch Sinn?

Wenn über die Fernsehbildschirme Bilder von Sandsäcken an Deichen, überschwemmten Siedlungen und im Wasser stehenden Autos flimmern, ist schnell von einer "Jahrhundertflut" die Rede. Nicht immer zu Recht. Denn selbst wenn Hochwasserkatastrophen Menschenleben fordern und immense Sachschäden verursachen: Nicht alle schlimmen Fluten sind "Jahrhundertereignisse".

In der Gewässerkunde ist ein Jahrhunderthochwasser – Fachleute sprechen auch von "100-jährigem Hochwasser" – ein Pegelstand oder eine Abflussmenge, die im statistischen Mittel nur einmal in hundert Jahren auftritt. "Im statistischen Mittel" – das bedeutet: Ein Jahrhunderthochwasser kann theoretisch auch mehrmals im Jahr am selben Ort auftreten. Oder Hunderte Jahre lang gar nicht. Darauf weist der Deutsche Wetterdienst (DWD) hin.

Beunruhigend viele Beispiele aus den vergangenen Jahren

Jahrhundertfluten oder -hochwasser im engeren Sinne waren etwa die Ahrtalkatastrophe im Juli 2021, als bei extremen Niederschlägen Bäche zu reißenden Strömen wurden, als sich im Januar 2024 in Niedersachsen ein Elbe-Hochwasser mit heftigen Niederschlägen verbündete, oder als im folgenden Mai zuerst das Saarland, dann auch Bayern und Baden-Württemberg teils in Wasser und Schlamm versanken.

Verantwortlich für die hohen Pegelstände, beziehungsweise die hohen Abflussmengen, waren vor allem extreme Niederschläge. Mancherorts fielen innerhalb von 24 Stunden bis zu 150 Liter pro Quadratmeter vom Himmel. Zum Vergleich: In Deutschland fallen 85 Liter pro Quadratmeter im langjährigen Mittel im ganzen Monat Juni. Und der Juni gilt hierzulande schon als einer der regenreichsten Monate.

Doch wenn Jahrhundertereignisse oder Jahrhunderthochwasser im fortschreitenden Klimawandel immer häufiger auftreten werden: Macht der Ausdruck überhaupt noch Sinn?

Noch kein klarer Trend für Deutschland erkennbar

Mit Blick auf die Niederschläge erklärt Thomas Deutschländer vom DWD: Allein auf Basis der Begriffsdefinition eines Jahrhundertregens könne man erst nach vielen Tausend Jahren wirklich eindeutig entscheiden, "ob sich die aus dem Klima der vergangenen Jahrzehnte abgeleiteten ortsspezifischen Niederschlagsschwellenwerte so weit verändert haben, dass sie das gegenwärtige Klima nicht mehr korrekt beschreiben und entsprechend angepasst werden müssen."

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Es ist zwar eine einfache physikalische Tatsache: Luft, die sich erwärmt, kann mehr Wasser aufnehmen, das sich dann auch wieder abregnet. Und doch zeichnet sich für Deutschland laut dem DWD noch kein klarer Trend ab. Es gebe zwar Indizien dafür, dass die Starkniederschläge in den vergangenen Jahren zugenommen haben. Statistisch belastbar seien diese Resultate allerdings noch nicht. "Dementsprechend besteht aus fachlicher Sicht derzeit kein Anlass, den Begriff Jahrhundertereignis nicht mehr zu verwenden", teilt der DWD mit.

Global gesehen, ist sich die Wissenschaft jedoch einig: Schwere Hochwasser werden zukünftig häufiger auftreten. Im Sonderbericht des Weltklimarats IPCC über die Ozeane und die Kryosphäre von 2019 schreiben die Experten und Expertinnen: Es sei damit zu rechnen, dass Hochwasser, die wir heute als Jahrhundertflut bezeichnen, um 2100 in niedrigen Breitengraden jährlich auftreten werden.