Bei der genauen deutschen Übersetzung hapert es noch – aber die Bedeutung des englischen Wortes Land Grabbing ist klar: Jemand eignet sich auf geschäftlicher Basis Land an, um damit eigene Ziele zu verfolgen. Passiert das Ganze illegal, dann gibt es ein passendes deutsches Wort: Landraub. Weltweit führt das Umwidmen klassischer Agrarflächen zum Verlust der Landwirtschaft und damit der Basis für die Welternährung.
Land Grabbing hat Tradition
Landbesitz hat in der Geschichte der Menschheit immer schon eine große Rolle gespielt. Die Mittelmeer-Insel Zypern ist ein gutes Beispiel: Seit 1974 halb griechisch und halb türkisch, nachdem die Türkei den Nordteil völkerrechtswidrig besetzt hat. Bis heute sieht sich jede Partei im Recht. Die Falkland-Inseln im Atlantik schlagen diesen Disput um Landbesitz locker: Bereits seit 200 Jahren streiten sich die Argentinier mit den Engländern, wem denn jetzt die rund 200 Inseln gehören – zuletzt 1982 im Falklandkrieg mit 900 Toten.
Landraub ist kein modernes Phänomen
Begonnen hat die weltweite Streiterei ums Land allerdings schon wesentlich früher: in der Jungsteinzeit vor gut 11.500 Jahren. Damals hatten die Menschen keine Lust mehr, dem Essen immer hinterher zu jagen und wurden sesshaft. Sie züchteten Vieh und begannen gleichzeitig mit dem Ackerbau.
Schnell bildeten sich Nachbarschaften. Doch bekanntlich ist auf der anderen Seite das Gras immer viel grüner und schon ging es los: Jeder wollte dem anderen das Land wegnehmen, um dort noch mehr Dinge anzubauen, sie einzulagern, zu verkaufen, mächtiger zu werden. Das ist grob gesagt der Beginn von "Land Grabbing". Nur, was früher mit der Keule gelöst wurde, wird heute viel geschickter gemacht.
Investoren und Konzerne erwerben Ländereien
Investoren und Konzerne kaufen große Landflächen auf. Oft sind es Entwicklungsländer, die ihre Landflächen hergeben. Der Grund dafür ist einfach: Es gibt Geld und zwar von den Ländern, die zu wenig Land haben, um ihre Bevölkerung zu ernähren, so genannte "Getreidedefizit-Staaten".

Profitieren tun vom Land Grabbing Industrienationen, internationale Finanzinstitutionen sowie große Banken, Hedge Fonds und Versicherungsgesellschaften. China ist als Pächter und Käufer einer der Hauptakteure am Weltbodenmarkt, aber auch Länder wie die USA, Brasilien und Saudi-Arabien sind auf dem Gebiet sehr aktiv.
Spekulanten verdienen an Landinvestition mit Großinvestoren
Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam schätzt, dass in den vergangenen 20 Jahren mehr als 220 Millionen Hektar Land in Entwicklungsländern von ausländischen Investoren gepachtet oder gekauft worden sind – oft über die Vermittlung von Spekulanten, die über den Handel mit Ländereien Profit machen.
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Kleinbauern droht durch Landreformen die Vertreibung
Die Landnahme konzentriert sich oft auf Länder mit unsicherer Rechtslage und schwachen Regierungen – wie zum Beispiel in Afrika der Sudan, Sierra Leone, Mosambik, Angola oder Äthiopien. Dass die Landmenge nur geschätzt werden kann, zeigt die Schwäche im System: Oft gibt es keine gültigen Verträge, Grundbucheinträge oder Besitzurkunden. Besonders Kleinbauern bleiben dann auf der Strecke, vor allem bei Landreformen zugunsten von Großinvestoren.
Genauere Informationen bezüglich Land Grabbing liefert "Matrix" – ein unabhängiges Landbeobachtungsprojekt von staatlichen und nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen. Seit dem Jahr 2000 hat die Organisation weltweit die Übernahme von rund 27 Millionen Hektar Land allein für die landwirtschaftliche Nutzung erfasst.

Doch nur neun Prozent dieses Landes wird laut Matrix originär für die Lebensmittelproduktion genutzt. Stattdessen werden auf 38 Prozent der Flächen andere Pflanzen angebaut, zum Beispiel so genannte FlexCrops. Je nach Marktlage können sie zu Biosprit, Tierfutter oder Nahrungsmitteln verarbeitet werden.
Agrarflächen zum Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe
Der Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe steht beim Stichwort Land Grabbing besonders in der Kritik. Non-Government-Organisationen (NGO) wie Oxfam oder Misereor beklagen, dass diese Bodennutzung die Preise für Agrarprodukte in die Höhe treibt und den Hunger in der Welt verstärkt. Wie unterschiedlich die Sichtweisen sind und wie unklar die Zahlenlage beim Landbesitz ist, zeigt eine Studie des englischen Oversea Development Institute (ODI).
Das Papier kommt im Gegensatz zu den NGO´s zu dem Schluss, dass auf offiziellen Flächen für Biokraftstoffe in Afrika und Asien lediglich auf zwei bis drei Prozent die Rohstoffe für Bioethanol oder Biodiesel angebaut werden. Die Behauptung, die Ernährungssicherheit sei in Entwicklungsländern durch Biokraftstoffe gefährdet, sei deshalb nicht haltbar. Allerdings haben die Verfasser der Studie sich auch nur exemplarisch fünf Länder angesehen. Sie gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse sich auf andere Länder übertragen lassen.
Um die Aneignung von Ländereien und damit verbunden die mögliche Vertreibung der Vorbesitzer zu entschärfen und zu kontrollieren, gibt es zumindest eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industriestaaten. Unter der Führung von Japan wurde im Jahr 2012 die "Voluntary Guideline on the Responsible Governance of Tenure of Land, Fisheries and Forests in the Context of National Food” auf den Weg gebracht. Es ist quasi eine Benimm-Richtlinie für das Agieren auf dem weltweiten Bodenmarkt.
Dass eine Umsetzung dieser Richtlinie zunehmend schwieriger werden wird, bedingt der Klimawandel. Durch die Erderwärmung schrumpft das Angebot an verfügbaren Flächen für den Ackerbau weiter – dem steht eine wachsende Nachfrage gegenüber. Nach Schätzung der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) müssen die weltweiten Ernteerträge in den nächsten vier Jahrzehnten um gut 70 Prozent steigen, damit die wachsende Zahl der Menschen ernährt werden kann.
Klimazertifikate brauchen Land für Pflanzen
Dabei geht es beim Land Grabbing aber längst nicht mehr nur um Ackerbau. Bodenschätze sind ein wichtiges Thema für die Energiewirtschaft und noch ein weiterer Akteur ist fast unbemerkt dazugekommen: der Treibhausgas-Markt. Die Managerinnen und Manager dahinter suchen Land für die Forstwirtschaft, um mit Hilfe der Pflanzen die Menge an Treibhausgasen zu reduzieren. Das Ergebnis: Über Klimazertifikate wird an den Klimabörsen Geld verdient.
Wie erbittert der Kampf ums Land ist, zeigt ein Ausschnitt der weltweiten Streitigkeiten darum:
- Algerien und Libyen: Südost-Algerien
- Frankreich und Suriname: Französisch-Guyana
- Kanada und USA: Beaufortsee (Alaska, Yukon)
- Kuba und USA: Guatanamo Bay Navel Base (Pachtgebiet)
- Russland und Japan: Inselgruppe Chabomai
- Israel und Syrien: Golanhöhen
- Vereinigtes Königreich und Spanien: Gibraltar
- Deutschland, Schweiz, Österreich: Bodensee (Landesgrenzen im See)
Bodenpreise in Deutschland stark gestiegen
Wie wertvoll Land immer war und inzwischen geworden ist, verdeutlichen die Bodenpreise für Agrarflächen in Deutschland. Seit 2007 haben sie sich um 161 Prozent verteuert. Im Saarland kostete der Hektar Ackerland im Jahr 2017 bereits 9.700 Euro – trotzdem noch der günstigste Preis in Deutschland zu dem Zeitpunkt. Dazu das Gegenstück: Bayern. Dort kostete der Hektar Ackerland im Jahr 2017 rund 61.000 Euro.
Und wie wertvoll der Besitz von Land ist, zeigt die aktuelle Initiative von Argentinien. 40 Jahre nach dem Ende des Falkland-Krieges will der südamerikanische Staat wieder mit Großbritannien über die Hoheitsrechte verhandeln. Was zunächst nach Nationalstolz aussieht, könnte einen ganz anderen Hintergrund haben. Vor den Falkland-Inseln wurden in den 1990er-Jahren große Ölvorkommen entdeckt.
So könnte nach einem 200 Jahre währenden Streit um die Zugehörigkeit der Falkland-Inseln das Archipel doch noch nach Argentinien zurückkehren. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass der Zeitstrahl nicht noch weiter zurückgedreht wird. Denn dann könnte noch jemand ganz Anderes seine Besitzansprüche auf die Inseln anmelden. Vor 400 Millionen Jahren waren die Falklandinseln Teil des Urkontinents Gondwana. Und der lag wo? Vor der heutigen Ostküste von Südafrika.