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Japan Besuch in den Schatzkammern des Jazz

Von Adrian Kreye
Fernab von Hektik, in Kellern und einfachen Häusern verstecken sich Japans Jazzcafés. Sie sind Pilgerorte für Liebhaber dieser Musik, ihre Wirte oft Spezialisten mit riesigen Plattensammlungen
Älterer Herr legt Schallplatten auf
"Coltrane Coltrane": Manche Sammler sind absolute Spezialisten, so wie der Wirt in der Kleinstadt Tosu, dessen Jazzlokal nach einem der großen amerikanischen Saxofonisten benannt ist. Den DJ-Tresen dekorieren Zippo-Feuerzeuge aus den 1960ern, als Schallplatten ein Vermögen kosteten – die Boomzeit der kissa 
© Philip Arneill

Ein Besuch im "Eigakan" ist wie ein Tauchgang in eine versunkene Zeit. Das Tokioter Jazzlokal liegt ein paar Schritte vom U-Bahnhof Hakusan entfernt in einer Gasse, die über eine steile Treppe zu erreichen ist. Drinnen: ein keilförmiger Raum, kaum größer als ein geräumiges Wohnzimmer. Die Großstadt mit ihren Kulissen aus Leuchtreklamen, Videowänden und Menschenmassen verschwindet hier in einem Dämmerlicht, das, gedämpft von Regalen voller Schallplatten und Bücher, einen bernsteinfarbenen Ton annimmt. Eine Platte von Duke Ellington läuft, der Klang der Saxofone und Blechbläser baut sich auf wie Kumuluswolken. An den Tischen: Schweigen. Das gehört hier genauso zum Brauch wie die Praxis, jeweils die komplette Seite einer Langspielplatte durchzuspielen.

Treppe der "Dug" Jazz Cafe und Bar
"Dug" Jazz Cafe und Bar: Seit Jahrzehnten pilgern Fans die steile grüne Treppe im Tokioter Bezirk Shinjuku hinunter, um in der verrauchten Kneipe musikalische Raritäten zu hören. Haruki Murakami setzte dieser Kellerbar in seinem Roman "Norwegian Wood" ein Denkmal. Er gehörte als Student selbst zu den Stammgästen
© Philip Arneill

Masahiro Yoshida, der Wirt, ein Herr von 78 Jahren, trägt einen Spitzbart, ein Holzfällerhemd und einen Hut mit schmaler Krempe. Er zieht eine neue Schallplatte aus den endlosen Reihen seiner mehr als 2500 Schätze. Die hat er über die Jahrzehnte angesammelt, seit er 1978 aus dem Filmgeschäft ausgestiegen ist, um fortan hinterm Tresen zu stehen, Kaffee zu brühen, Drinks zu mixen und Jazz aufzulegen. Es sind vor allem Originalpressungen aus Amerika, die hier in den akkuraten Reihen stehen. Über dem Duft von Kaffee und Tabak liegt ein leichtes Aroma von Pappe im Raum.

Erscheint in GEO 04/2025