Was ich vor drei Tagen mittags gegessen habe? Keine Ahnung. Wie der Laden an der Ecke hieß, bevor die Kette ihn übernahm? Ich erinnere mich nicht. Von einer Campingreise nach Istrien in den 1980ern aber kann ich jedes Detail schildern. Welche Farbe das Zelt hatte (blaugrau mit orangefarbenen Reißverschlüssen), wie der selbst geangelte Fisch schmeckte (ein wenig bitter, ich hätte ihn besser putzen müssen), und wie mich in der vierten Nacht grelle Schreie direkt neben meinem Zelt fürchterlich erschreckt haben (zwei raufende Igel).
Fragen Sie mich nach meinen Lebenserinnerungen, erzähle ich Ihnen von meinem ersten Kuss, von der Geburt meiner Tochter – und sehr viel vom Reisen. Wenn ich davon ausgehe, dass ich im Schnitt vielleicht vier Wochen pro Jahr unterwegs bin, also etwa siebeneinhalb Prozent meiner Lebenszeit, nehmen die Ferien einen großen Teil meiner Erinnerungen in Beschlag. Interessieren Sie sich für meine Kindheit, berichte ich von dem kroatischen Kirschbauern am Meer, dessen Bäume wir plündern durften, oder vom Bergbauern in Tirol, mit dessen Kinderschar wir im Heu tobten. Und wie die sture Leitkuh beim Almauftrieb auf dem engen Bergweg einfach über mich hinwegsprang.

Warum ist das so? Warum haben sich Erinnerungen an längst vergangene Reisen so detailverliebt in meinem Gehirn verankert? Aber stimmen diese Erinnerungen überhaupt – habe ich Einfluss auf sie? Bin ich so, weil ich reise? Oder reise ich, weil ich so bin? Um das herauszufinden, rede ich mit einem Kognitionspsychologen, befrage Studien, reise zu einer Hirnforscherin.