Dicke Luft in Fliegern: Immer wieder sorgen so genannte fume events für Aufregung. Dabei gelangt der giftige Dampf von Triebwerksölen unbeabsichtigt in die Kabinenluft. Was viele Flugpassagiere nicht wissen: Auf manchen Flügen werden sogar absichtlich Substanzen ausgebracht, die unter Umständen gesundheitlich bedenklich sind. Nämlich Insektengifte – per Spraydose.
Der Grund für die Gift-Dusche: Mit der globalen Mobilität wächst auch das Risiko, dass in die Destinationen nicht heimische Insekten eingeschleppt werden – und mit ihnen die Erreger von Krankheiten wie Malaria, Gelb- oder Dengue-Fieber, erklärt Claudia Nehring vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Einige Länder schreiben deshalb vor, dass Gepäck und Kabineninhalt desinfiziert werden müssen. Und folgen damit einer offiziellen Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Auf Flügen deutscher Fluggesellschaften betrifft das die Destinationen Barbados, Kuba, Indien, Jamaika, Madeira, Mauritius, Malediven, Mexiko, Seychellen und Trinidad/Tobago.
Auf Flügen in diese Länder müssen Passagiere damit rechnen, früher oder später vom Bordpersonal mit Pestiziden besprüht zu werden – entweder vor dem Boarding, vor dem Abheben oder kurz vor der Landung. Desinsektion heißt das im Fachjargon. Bei Deutschen Airlines, so Nehring, werden die Pestizide meist kurz vor der Landung eingesetzt.
Zum Einsatz kommt dabei meist Pyrethrum, ein Stoff, der aus Chrysanthemen gewonnen wird, oder synthetische Insektizide, so genannte Pyrethroide. Während der Nebel in der Kabine und in den Gepäckfächern Mücken und Co. zuverlässig töten soll, ist er nach Einschätzung der WHO für Menschen gesundheitlich unbedenklich. Zudem sollen sich die Stoffe innerhalb von Stunden abbauen.
Zwischenfälle mit Pestiziden an Bord
Ganz ohne Nebenwirkungen scheinen die Bordpestizide allerdings nicht zu sein. Dokumentiert sind Fälle von Juckreiz, Hautausschlag, Hustenreiz, Kribbeln und Kopfschmerzen - vor allem beim Bordpersonal, das dem Giftnebel weitaus häufiger ausgesetzt ist als die meisten Passagiere.
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"Besatzung und Passagiere sind einer regelrechten 'Insektizid-Dusche' ausgesetzt", erkärte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bereits vor einigen Jahren. Die eingesetzten Stoffe "wirken auf das Nervensystem", und über die Haut und die Atemwege könnten "unter ungünstigen Umständen solche Mengen aufgenommen werden, dass die Gesundheit beeinträchtigt wird".
Im Einzelfall, etwa bei Personen, die auf die Giftstoffe sensibel reagieren, können die Konsequenzen dramatisch sein. Für Schlagzeilen sorgte 2011 der Fall eines irischen Geschäftsmannes. Nachdem das Bordpersonal auf einem Air France-Flug ein Insektizid versprüht hatte, erlitt der eine heftige Asthma-Attacke. Die Maschine musste notlanden, der Passagier bekam von einem Gericht 50.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.
Alternativen stehen längst bereit
Bereits seit 20 Jahren fordert das BfR, das gesundheitlich bedenkliche Versprühen von Insektiziden während des Fluges zu stoppen und die Gifte stattdessen im leeren Flieger, vor dem Boarding auszubringen. Ein Verfahren dazu hatte das BfR in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt, dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin und der Deutschen Lufthansa schon 2005 entwickelt – und seine Praxistauglichkeit belegt. Doch so lange die WHO das Verfahren nicht in seine Empfehlungen aufnimmt, wird sich wohl an der Giftdusche auf bestimmten Flügen nichts ändern.
Wer vor dem Giftnebel, so gut es geht, in Sicherheit gehen will, sollte also lange Kleidung tragen. "Auch Gasmasken sind erlaubt", sagt Claudia Nehring – "so lange sie den Handgepäcksbestimmungen entsprechen und die Elektronik an Bord nicht beeinflussen."
Wer allerdings während des Fluges gegen die Spraydusche protestiert, hat schlechte Karten: Schließlich handele es sich um eine gesetzliche Vorschrift, sagt Clauda Nehring. "Die Crew hat da keinen Ermessensspielraum."
Reisende, die auf keinen Fall mit Insektengift eingenebelt werden wollen, sollten also vor der Buchung bei der Fluggesellschaft nachfragen. Wenn am Reiseziel die Desinsektion vorgeschrieben ist, bleibt nur, auf den Flug zu verzichten.