Schmerzen, Unwohlsein, Hautveränderungen – macht es Sinn, erst mal im Internet danach zu suchen?
Corinna Schaefer: Unsere Empfehlung ist, in jedem Fall mit Symptomen erst einmal zum Arzt zu gehen. Wenn der mir gesagt hat, was ich habe, dann ist es wichtig, sich gezielt weiter zu informieren.
Warum bei der Diagnose nicht Dr. Internet vertrauen?
Das ist auch eine Typfrage. Wer dazu neigt, alle möglichen Symptome bei sich wiederzufinden, dem tut es nicht gut, ungefiltert Suchergebnisse auf sich einprallen zu lassen.
Sie meinen, wer „Kopfschmerz“ googelt, landet garantiert beim Hirntumor?
Das kann schon sein. Weil Patienten viele medizinische Zusammenhänge nicht kennen und nicht genau wissen, was sie für eine korrekte Diagnose ermitteln müssen, so wie es ein Arzt tun würde. Ein einzelnes Symptom kann auf die unterschiedlichsten Krankheiten hindeuten. Der Arzt weiß, für welche Krankheit er was abfragen muss. Als Laie bin ich mit den Aussagen des Internets erst mal allein gelassen. Manche kommen dann mit bestimmten Vorstellungen über ihre vermeintliche Krankheit und die richtige Therapie in die Praxis, die ihnen der Arzt nur schwer ausreden kann. Das Wichtigste ist in jedem Fall, sich nicht verrückt machen zu lassen. Das ist nur leichter gesagt als getan.
Leserfrage: Wann befragen Sie Dr. Internet?
Wann macht die Internetrecherche ohne klare Diagnose Sinn?
Wenn auch der Arzt die Symptome nicht einordnen kann und wenn man schon lange unter ihnen leidet. Denn dann deutet alles auf eine seltene Erkrankung hin.
Wo kann ich mich – nach einer medizinisch korrekten Diagnose – über meine Krankheit zuverlässig informieren?
Natürlich gibt es ein paar vertrauenswürdige Seiten mit hochwertigen Informationen, die den Anforderungen des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin genügen. Dazu zählen patienten-information.de der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung, sowie das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit seiner Seite gesundheits-information.de, die einen breiten Katalog an Krankheitsbildern bedient.
Bei Krebserkrankungen ist der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums die erste Anlaufstelle im Internet. Und wenn man sich zu individuellen Gesundheitsleistungen informieren will, gibt es den IGeL-Monitor vom medizinischen Dienst der Krankenkassen. Wenn man grundsätzlich wissen will, was Studien sagen, dann gibt es noch Cochrane Deutschland. All das sind allerdings Anbieter, die nicht kommerziell sind – und damit bei den Google-Suchergebnissen nicht ganz oben stehen.
Das klingt nach einem unübersichtlichen Informationsangebot …
Ja, Sie werden auch nicht auf jeder dieser Seiten jedes Krankheitsbild finden. Aber in Zukunft soll es ja ein nationales Gesundheitsportal geben. Das wird hoffentlich im Laufe des Jahres 2018 auf den Weg gebracht. Damit gäbe es dann eine Adresse für vertrauenswürdige Informationen, die Patienten ansteuern könnten.
Solange es das noch nicht gibt: Woran erkenne ich, ob auch andere Seiten vertrauenswürdig sind?
Bis das nationale Gesundheitsportal kommt, können wir Nutzern empfehlen, Antworten auf Fragen zu finden wie:
- Wer betreibt das Angebot und wie finanziert es sich? Sind Werbung und fachlicher Inhalt getrennt? Wird dramatisiert oder verharmlost?
- Sehen Sie sich nie nur eine Seite an, sondern immer mehrere. Vielleicht gibt es Widersprüche?
- Schauen Sie nach, wer der Autor ist, und wie qualifiziert er oder sie ist.
- Wie aktuell ist die Information?
Kann das Internet nicht auch mal schlauer sein als der Arzt?
Ja, zum Beispiel beim schon erwähnten Thema von seltenen Erkrankungen. Auch einige chronisch Kranke setzen sich wegen ihres großen Leidensdrucks schon lange aktiv mit ihrer Krankheit auseinander – die finden im Internet hervorragende Informationen, wenn sie wissen, wo sie suchen müssen. Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn es reicht nicht, die neueste Studie zu lesen. Man muss sie auch beurteilen können. Denn die meisten Studien kommen aus der Pharmaindustrie, die natürlich ihre Produkte gut dastehen lassen will.
Corinna Schaefer leitet die Abteilung Evidenzbasierte Medizin und Leitlinien und die Abteilung Patienteninformation/Wissensmanagement des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin (ÄZQ).