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Forschung Frauenstimmen werden tiefer - daran könnte es liegen

Radiomoderatorin
 Viele Sprecherinnen in Rundfunk und Fernsehen ändern ihre Stimmlage zu einer tieferen, sobald das Mikrofon eingeschaltet ist
© kjekol / Fotolia
In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich die Stimmen deutscher Frauen sehr verändert - sie sind tiefer geworden. Über die Ursachen der Stimmveränderung spekulieren die Forscher noch.

Die Stimme eines Menschen kann viel über ihn verraten. Denn wie ein Mensch spricht, lässt Emotionen oder bestimmte Absichten erkennen, gibt Hinweise auf das ungefähre Alter sowie die Herkunft - und kann den Zuhörer beeinflussen.

So erkennen wir sofort am Stimmklang unseres Gegenübers, ob dieser traurig, wütend oder fröhlich ist, selbst wenn der Sprecher mit seinen Worten vielleicht etwas anderes vermitteln möchte. Den meisten Menschen fällt es leichter, ihre Gefühle mit der Stimme auszudrücken, anstatt sie in Worte zu fassen. Kein Wunder, denn die Kommunikation ohne Worte ist die ursprünglichere.

Gefühle und Charaktermerkmale sind wesentlich schwieriger hinter der Stimme zu verstecken, als mit dem bloßen Wortinhalt zu spielen. Unbewusste Spannungen und Entspannungen der Muskeln im Kehlkopf können die Grundfrequenz der Stimme verändern. So sind nur Menschen mit viel Schauspielübung dazu fähig, auch gespielte Stimmungen und Gefühle auf eine glaubwürdige Art über die Stimme zu transportieren.

Nirgends auf der Welt dürfte es zwei Menschen mit exakt der gleichen Stimme geben, vermutet der Sprachforscher Walter Sendlmeier von der TU Berlin. Der Stimmklang und die Sprechweise eines Menschen seien ganz individuell geprägt.

Die Stimmen deutscher Frauen werden tiefer

Und dennoch gibt es eine Gemeinsamkeit, die zumindest auf die Stimmen der deutschen Frauen zutrifft: Sie alle werden tiefer. In den vergangenen zwanzig Jahren lagen die Frauenstimmen noch eine ganze Oktave über den Männerstimmen. Nun beträgt der Unterschied nur noch eine Quinte, also etwa die Hälfte des ursprünglichen Wertes.

Diese Stimmveränderungen fanden Forscher im Rahmen einer Erwachsenen-Studie der Universitätsklinik Leipzig heraus, die Untersuchungen der Sprech- und Singstimme an knapp 2.500 Probanden durchgeführt haben.

Männerstimmen haben sich nicht verändert

Bei Männern hingegen zeigten sich bei den Untersuchungen keine stimmlichen Veränderungen. Diese Tatsache zeigt, dass biologische Faktoren bei der weiblichen Stimmveränderung keine Rolle spielen können.

Die Deutschen werden zwar heute im Durchschnitt einige Zentimeter größer als noch vor 100 Jahren und die Ernährung hat sich verbessert, doch hätten diese Faktoren einen Einfluss auf die Stimme, dann hätten sich die Stimmen beider Geschlechter verändern müssen. Auch körperliche Veränderungen wie einen vergrößerten Kehlkopf oder eine Veränderung der Stimmbänder konnten die Wissenschaftler durch Untersuchungen ausschließen.

Was sind die Ursachen?

Um die biologischen Faktoren gänzlich ausschließen zu können, untersuchten die Wissenschaftler der Universitätsklinik Leipzig die Probandinnen auch hormonell. Das Ergebnis: Die Anzahl der männlichen Geschlechtshormone im Blut der Frauen ist nicht gestiegen.

Erste Vermutungen, dass mehr Frauen rauchen als noch vor zwanzig Jahren und sich deshalb die Stimmlagen verdunkelt haben könnten, konnten die Forscher ausschließen: Auch bei einer genauen Betrachtung der Gruppe der Nichtraucherinnen stellten sie eine Veränderung der Stimmlage fest.

Emanzipation als mögliche Ursache?

Soziologen vermuten in der Stimmveränderung eine Folge der weiblichen Emanzipation. Eine helle Piepsstimme sei nicht mit dem modernen Selbstbild der Frau vereinbar. Heute gilt eine tiefe Stimme gilt als kompetent und vertrauenswürdig.

Dies führt beispielsweise dazu, dass auch viele Sprecherinnen in Rundfunk und Fernsehen ihre Stimmlage zu einer tieferen, männlicheren hin ändern, sobald das Mikrofon eingeschaltet ist.

Auch Michael Fuchs, Leiter der Abteilung Phoniatrie und Audiologie an der Uni-Klinik Leipzig, glaubt, dass sich die Frauenstimmen aus soziokulturellen Gründen verändert haben. Frau und Mann sind heute gleichberechtigter als in den 1950er Jahren - das spiegele sich auch in der Stimmlage von Mann und Frau wieder.

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