Beatrix wurde von den Doppelreifen eines Betonmischers überrollt, trotz Unterfahrschutz. Sie stand mit ihrem Fahrrad im toten Winkel des Lasters, an einer Kreuzung in Murnau, Mitte der 19990er Jahre. Damals war sie 13 Jahre, bis heute ist sie halbseitig gelähmt. Auch für ihren Vater Ulrich Willburger brach eine Welt zusammen. Doch schon im Krankenhaus, am Bett seines Kindes, überlegte er, wie sich ein solcher Unfall in Zukunft vermeiden ließe.
"Ich konnte die Behauptung des Gutachters nicht akzeptieren, es gebe keinen Schutz gegen diese Art Unfälle. Wenn an Kreuzungen ein Spiegel hinge, könnte man überblicken, was rechts des Gefährts passiert," erklärt der heute 76-Jährige.
Aus dem Auto um die Ecke schauen
Dabei existierte der Schutz bereits, wenigstens im Prinzip: In fast jeder deutschen Stadt hängen rechteckige Verkehrsspiegel an der Seite unübersichtlicher Ausfahrten, damit Autofahrer um die Ecke schauen können. Ihre konvexe Wölbung deckt meist einen Blickwinkel zwischen 90 und 120 Grad ab. Um allerdings den toten Winkel an Kreuzungen einsehen zu können, waren Anpassungen nötig. "Der Spiegel muss rund und kleiner sein als die bisher üblichen Exemplare, damit er an den Mast neben der Ampel passt. Außerdem durfte er nicht zu viel kosten," fasst Willburger zusammen. Er kaufte unterschiedliche Modelle und experimentierte, welche funktionieren. Preis und Funktion passten am besten bei einem Modell aus China zusammen.
Dazu entwickelte Willburger eine eigene Halterung, die er in Serie anfertigen lässt. Genauso wie die Aufkleber mit der Aufschrift: "Achtung, toter Winkel." Willburger diskutierte während der Entwicklung stundenlang mit Lkw-Fahrern , sie waren von seinem Einfall begeistert. Und Willburger konnte dem Spiegel einen Namen geben: Trixi-Spiegel, nach seiner Tocher.
Zwar sind Lastwagen mit zahlreichen Spiegeln ausgestattet, trotzdem ist es schwierig, von der Kabine aus beide Seiten des Gefährts vollständig einzusehen. Der elektronische Abbiegeassistent ist nur in neuen LKWs seit 2022 Pflicht. Ältere Modelle sind oft noch ohne dieses Sicherungssystem unterwegs. Auch die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit für Lastwagen beim Rechtsabbiegen konnte zwar die Unfallzahlen senken. Dennoch kommen jährlich zwischen zehn und zwanzig Radler in Deutschland ums Leben, weil sie bei beim Abbiegen übersehen werden.
Vor allem Großstädte sind für Radfahrer gefährlich
Den ersten fertigen Trixi-Spiegel installierte Ulrich Willburger an der Unglückskreuzung seiner Tochter. "Die Schweiz kaufte und montierte sofort einige 100 Stück," erzählt er. Aufgrund der positiven Erfahrungen wurden daraus im Laufe der Jahre 3000. Auch in Österreich und England hängen inzwischen zahlreiche der von Willburger als Gebrauchsmuster angemeldeten Spiegel. In deutschen Städten hingegen lief der Bayer vor eine Wand der Ablehnung.
"Als ich den Trixi-Spiegel im Norden vorführte, fürchtete ein Jurist, es kämen Regressansprüche auf sie zu, wenn sie eine Kreuzung ausließen und jemand dort verunglücke. Andere Kommunen wollten Statistiken zum Erfolg sehen. Doch wie sollte ich ungeschehene Unfälle dokumentieren?" Weitere Gegenargumente waren die Wartung wegen möglicher Verdreckung, Vandalismus oder Vereisung. Österreich und die Schweiz beklagen sich bisher nicht über solche Vorkommnisse und für die kalte Jahreszeit bietet Willburger elektrischer Bauteile einen beheizbaren Trixi-Spiegel an. In der Schweiz ist er im Einsatz.
Ich möchte nicht, dass andere Menschen erleben müssen, was wir durchgemacht haben
Dann, 25 Jahre später, starben in München in einem Jahr mehrere Radfahrer, unter ihnen ein 11-jähriger Junge. Erneut berichtete die Presse über den Trixi-Spiegel, schließlich kaufte die Stadt 100 Exemplare, aus denen nach einer Spendenaktion eines Radiosenders 1000 Spiegel wurden. "Da in München 25 Jahre nach dem Unfall meiner Tochter mehrere Radfahrer starben, darunter ein 11-jähriger Junge, berichtete die Presse erneut über den Trixi-Spiegel. Der öffentliche Druck stieg und die Stadt kaufte 100 Exemplare. Ein Radiosender sammelte Spendengelder und erhöhte die Zahl auf 1000.
Durchweg positive Resonanz
Mit der Zeit zogen einige Städte nach, in Freiburg wurden Trixi-Spiegel an 160 Kreuzungen installiert, dann zog auch Fulda nach, vor sechs Jahren Aachen. Inzwischen stellte die Universität Kaiserslautern in einer Studie fest, dass die Resonanz unter LKW-Fahrern zu 90 Prozent positiv ausfällt.
Warum das so lange gedauert hat? Claudia Nowak ist mit verantwortlich für die Verkehrsplanung Aachens und hat Kritiker überzeugt: "Bei uns waren viele schon den rechteckigen Verkehrsspiegeln für unübersichtliche Einmündungen gegenüber skeptisch. Weil das Spiegelbild nicht immer richtig interpretiert wird. Das könnte gefährliche Situationen erzeugen. Außerdem müssen sie instandgehalten werden. Aber die Resonanz zu den runden Verkehrsspiegeln zum Überblicken des toten Winkels ist durchweg positiv. Von Radfahrern und dem Fahrpersonal unserer Verkehrsbetriebe. Wir beziehen die Spiegel von verschiedenen Herstellern und stehen mit Ulrich Willburger im Austausch, um die Kreuzungen sicherer zu machen."
Sein Antrieb für die Verbreitung des Trixi-Spiegels: "Ich möchte nicht, dass andere Menschen erleben müssen, was wir durchgemacht haben."