Ich will wissen, wie es sich anfühlt, einen der größten Ballungsräume Europas heute zu besuchen – am Ende einer Epoche. Am 21. Dezember 2018 schloss die Zeche Prosper-Haniel in Bottrop, die letzte in der Region. Ich will nah dran sein, an den Menschen, aber auch an dem geschundenen Land, dessen Boden durchlöchert ist von Jahrhunderten des Bergbaus, dessen flachen Horizont Hochöfen, Fördertürme und künstliche Berge und Halden durchbrechen. Und ich will wissen, wie es den Gelsenkirchenern, Bottropern, Essenern oder Dortmundern damit geht, dass das Zeitalter des Bergbaus, der einst 600 000 Menschen Arbeit gab, jetzt endgültig vorbei ist.
Eines vorweg: Der Niedergang der Schwerindustrie war ein schleichender Prozess, der aus Bergehalden, auf denen einst die Gesteinsreste aus den Zechen landeten, Wanderreviere machte und Aussichtspunkte schuf. Riesenhafte Anlagen, in denen Stahl gekocht oder Kohle sortiert wurde, sind heute Industriedenkmäler oder Museen. Vor 15 Jahren wäre noch niemand auf die Idee gekommen, durch den Pott zu radeln. Allein schon wegen der Luft. Heute überzieht ein 1200 Kilometer langes Radwegnetz das Revier, vor allem entlang der Kanäle und auf den ehemaligen Bahntrassen, auf denen einst endlose Güterzüge Kohle, Stahl und Erze transportierten: Es verbindet Hamm, Kamen, Unna im Osten mit Duisburg, Dinslaken, Essen und Duisburg im Westen.
Lesen Sie die ganze Geschichte in GEO SAISON. Unser Autor erkundete den Pott per Rad und das sind seine Tipps.
Was Sie im Ruhrgebiet nicht verpassen sollten
Situation Kunst
Spannendes Ensemble im Park von Haus Weitmar mit Installationen und Skulpturen von Dan Flavin bis Richard Serra. Der neueste Museumstrakt «Unter Tage« zeigt »Weltsichten«, Landschaftsmalerei vom 15. Jahrhundert bis heute. Außerdem ist viel Platz für Sonderausstellungen.
Bochum, Nevelstr. 29 c, Tel. 0234-322 85 23, www.situation-kunst.de
Dortmunder U
In der siebenstöckigen alten Union-Brauerei sitzen Museum Ostwall, Hartware MedienKunstVerein, Kino etc. Fast jeden Tag sind in dem Kunst- und Kulturzentrum spannende Veranstaltungen. Ganz oben ist das »View« samt Dachterrasse, Restaurant, Club und der LED-Installation »Fliegende Bilder«, die demnächst komplett überholt werden muss.
Dortmund, Leonie-Reygers-Terrasse, 0231-50-247 23, www.dortmunder-u.de
Skywalk Phoenix-West
Wer schon in Dortmund ist, sollte unbedingt die Tour auf den Skywalk der Hochofenanlage Phoenix- West machen und sehr früh Tickets buchen. Es lohnt sich.
Halde Beckstraße
Eine der Halden des Bergwerks Prosper-Haniel. Hinauf führen gewundene Serpentinen oder eine schnurgerade Treppe. Auf dem Plateau steht eine mächtige, pyramidenförmige Skulptur, der berühmte Tetraeder. Von hier aus reicht der Blick von Duisburg bis Gelsenkirchen.
Bottrop, Beckstraße
Zeche Zollverein
Wohl die bekannteste Sehenswürdigkeit des Ruhrgebiets – und Besuch und Führung wert. Die gewaltige, in Anlehnung an den Bauhausstil errichtete Anlage ist UNESCO-Weltkulturerbe. Auf gar keinen Fall verpassen: das Treppenhaus des Ruhrmuseums in der ehemaligen Kohlenwäsche, alles in Orange und wild beleuchetet, designt von Rem Kohlhaas. Viel Kunst findet sich auf dem Gelände. Nehmen Sie sich unbedingt Zeit dafür. Manches ist etwas versteckt. Im Winter gibt es hier eine Eislaufbahn, während der Nordrhein-Westfalen- Sommerferien ein kostenloses Schwimmbad in Containern.
Essen, Gelsenkirchener Str. 181, www.zollverein.de, Tel. 0201-24 68 10
Landschaftspark Duisburg-Nord
180 Hektar große Grünfläche mit Sommerfreiluftkino, Kletterpark in alten Erzbunkern oder einem Tauchbecken in einem ehemaligen Gasometer. Der Höhepunkt ist das alte Hüttenwerk Meiderich, dessen mächtiger Hochofen bestiegen werden darf.
Duisburg, Emscherstr. 71, 0203-429 19 19, www.landschaftspark.de
Gasometer
Der 117 Meter hohe ehemalige Gasspeicher zeigt zurzeit »Der Berg ruft«, eine Fotoausstellung über die Welt der Berge. Legendär: die riesige 3-D-Installation des Matterhorns im Innenraum – mit XL-Lümmelkissen und meditativer Musik.
Oberhausen, Arenastr. 11, Tel. 0208-850 37 30, www.gasometer.de
Zeche Waltrop
Einheitliches, sorgfältig saniertes Ensemble von Backsteingebäuden aus dem frühen 20. Jahrhundert mit zahlreichen, über das Gelände verteilten Skulpturen. In den alten Kauen, den ehemaligen Waschräumen, ist ein großer Manufactum-Laden. Die Spezialräder-Fabrikation von »Hase Bikes« im Magazingebäude kann gegen Voranmeldung auch besichtigt werden.
Waltrop, Sydowstraße, Anmeldung: www.hasebikes.com
Zeche Schlägel & Eisen
Recht weit nördlich gelegenes, erst im Jahr 2000 geschlossenes Revier, das langsam umgewidmet wird. In den ehemaligen Waschräumen finden Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Das gastronomische Angebot beschränkt sich bisher auf eine Imbissbude.
Herten, Glückauf-Ring 35–37, Tel. 02366-18 09 26, www.schlaegel-eisen.de
Lecker Essen im Pott: Kneipen und Restaurants
Erzbahnbude
Der ehemalige Fahrradkurier Holger Müller betreibt jetzt das berühmte Fahrradbüdchen und versorgt Radler mit Bier, Kaffee, Kuchen, Frikadellen, Flickzeug und Tourentipps.
Gelsenkirchen. An derRadwegkreuzung Erzbahntrasse/Kray-Wanner-Bahn, Tel. 0177-899 74 44
Wolperding
Ausflugslokal mit riesigem, bis in den Abend sonnigem Garten unter Ahornbäumen mit Blick auf das Fördergerüst der ehemaligen Zeche Bonifacius. Kleine Karte mit Schwerpunkt auf knusprigen halben Hähnchen.
Essen, Rotthauser Str. 34, Tel. 0201-557 95 99, www.wolperding-essen.de
Bauernhof am Mechtenberg
Schöner alter Klinkerbau direkt an der Radtrasse »Kray- Wanner-Bahn« (ausgeschildert). In den ehemaligen Pferdeställen befindet sich ein Hofladen, hinter dem Gebäude ist ein hübscher Gastgarten mit einem Streichelzoo.
Essen, Am Mechtenberg 5, Tel. 0201-558 77 26, www.bauer-budde.de
Walsumer Hof
Rustikales Fischlokal vor kurioser Kulisse: Rückseitig fließt der Rhein, nach vorn fällt der Blick auf die gewaltigen Hallen und den Kühlturm eines Heizkraftwerks. Große Portionen und ruhrgebietsgemäß kecke Bedienung.
Duisburg, Rheinstr. 16, Tel. 0203-49 14 54, www.walsumerhof.de
Gdańska
Polnisches Restaurant mit kleiner Bühne im Zentrum von Oberhausen. Auf der Speisekarte stehen Gerichte mit Roter Bete und saurer Sahne, auf der Bühne Jazz- und Bluesmusiker oder Schriftsteller.
Oberhausen, Altmarkt 3, Tel. 0208-620 13 75, www.gdanska.de
Kiosk der Bergmannbrauerei
Am Dortmunder Innenstadtring gelegener Ausschank der 2010 neu gegründeten Brauerei. Pott-typisch klassenloser Treffpunkt aller Freunde von Pils, Export oder Bock.
Hoher Wall 36, Tel. 0231-700 25 90, www.harte-arbeit-ehrlicher-lohn.de
Zum Hübi
Schimanski-Fans treffen, kann man bei Dirk Hübertz. Seine Kneipe ›Zum Hübi‹ ist eine der letzten am Hafen Ruhrort – und in den 80ern eine beliebte ›Tatort‹-Kulisse. Heute trifft sich hier der halbe Pott bei Livemusik und Schimanski-Anekdoten. Und wenn die Sonne scheint, man draußen auf der Kaimauer einen Tisch erobert und die Kähne ziehen, ist das so ziemlich der schönste Platz im Revier.«
Duisburg, Dammstr. 27, www.zum-huebi.de, Tel. 0203-878 85 44
Wat zum Schlafen: Camping und Hotels
Ruhrcamping
Am Ufer der Ruhr gleich um die Ecke der ehemaligen Zeche Wohlverwahrt kann man auch Bauwagen (fast alle mit kleinen Küchen) mieten, die im Schatten der Bäume stehen.
Essen, In der Lake 76, Tel. 0178-156 39 10, www.ruhrcamping.com, DZ ab 40 €
In Hostel Veritas
Ein Schlafplatz im Verwaltungsgebäude der früheren Zeche Oberhausen mit einfachen Einzel- bis Achtbettzimmern. Im Biergarten wird im Sommer montags und donnerstags gegrillt.
Oberhausen, Essener Str. 259, Tel. 0208-869 08 84, www.inhostel-veritas.de, DZ 44 €
Mintrops Stadt Hotel Margaretenhöhe
Fünf Kilometer südlich der Essener Innenstadt mitten in der alten Gartenstadt aus den 20ern liegt das hübsche Hotel. Allein die Siedlung (mit Musterwohnung, die man auch besichtigen kann) samt Kirche, Marktplatz und viel Grün ist eine Attraktion.
Essen, Steile Str. 46, Tel. 0201-438 60, www.mintrops-stadthotel.de, DZ ab 75 €
Alte Lohnhalle
Schlafen, wo früher Bergleute ihren Lohn abholten. Die Zimmer sind einfach, aber einwandfrei. Und im Hotelrestaurant »Über Tage« wird verfeinerte Hausmannskost aufgetischt, z. B. Pierogi mit Hackfüllung, dazu knackigbunter Salat.
Essen, Rotthauser Str. 40, Tel. 0201-85 76 57 70, www.alte-lohnhalle.de, DZ ab 90 €