GEO.de: Herr Riedler, die meisten Fotografen fliegen quer durch die Welt, um den schönsten Strand, den tollsten Ausblick abzulichten. Sie haben sich für Freizeitparks entschieden. Warum?
Reiner Riedler: Das Projekt fing an mit aufgeschütteten Stränden, die es mittlerweile in vielen Städten gibt. Die habe ich gesehen und mich gefragt, was es damit auf sich hat. Wir können im Westen alles haben, uns Reisen überallhin leisten, alles ist immer und überall erreichbar. Und trotzdem gibt es diese Stadtstrände. Hier reichen ein paar Ingredienzien, um ein Urlaubsgefühl zu simulieren. Das war der Ausgangspunkt. Dann habe ich zusammen mit dem Autoren Jens Lindworsky recherchiert und gemerkt, welch riesige Industrie dahinter steckt. Uns interessiert, wie man Gefühle simuliert und künstlich erzeugen kann. Uns geht es auch um die Verbindung von Natur und Mensch – und dem, was wir unter Natur verstehen. Man träumt oft von einer Idylle, aber die Originale sind dann doch weniger attraktiv. Eine Reise in den Dschungel etwa ist ja auch mit Gefahren verbunden, gefährlichen Tieren beispielweise. In einem Park wie Tropical Islands
habe ich den Dschungel auch – aber dort kann mir nichts passieren. Zusammengefasst: Wir wollen den Reiz, diesen Thrill, ein Abenteuer zu erleben, aber auch nur innerhalb eines bestimmten Rahmens. Alles Negative wollen wir weglassen.
Nach welchen Kriterien haben Sie die Orte ausgewählt?
Die Arbeit hat sich im Laufe der Zeit entwickelt. Das Urlaubsgefühl war das zentrale Thema.
Begonnen habe ich mit Stadtstränden, dann folgten Skihallen. Da hat mich insbesondere das Spiel mit den Jahreszeiten fasziniert, die in diesen künstlichen Welten das ganze Jahr über verfügbar sind. In Dubai etwa können Menschen nun das Element Schnee berühren – in einer Region, in der man es überhaupt nicht kennt. Dann hat es mich nach Eurodisney in Paris geführt – dort habe ich schnell gemerkt, dass dieser Ort für mich uninteressant ist. Hier ist alles zu perfekt. Ich wollte Brüche aufzeigen zwischen real und künstlich. Man muss sich das im Prinzip so vorstellen: Links sieht man den künstlichen Strand und rechts die Baustelle. Wie im Tropical Islands: Dort sieht man einen Wahnsinns-Himmel, einen künstlichen. Und dann entdeckt man mittendrin plötzlich eine Tür. Diesen Bruch habe ich in meinen Arbeiten immer gesucht. Im Disneyland sucht man vergeblich.
Gab es Orte, die Sie besonders beeindruckend fanden?
Tropical Islands. Dieser Riesen-Horizont, dieser Dschungel, Mondlichtsimulation; man kann übernachten und zelten. Das ist wirklich ein Abenteuer. Für junge Menschen ist das sicher toll. Disneyland und Las Vegas haben mich nur abgetörnt. Spannend fand ich dann wieder Freizeitparks in China. Da gibt es viele Ecken und Kanten und weniger Regeln.
Gehen Sie privat in solche Freizeitparks?
Ich ziehe die Natur vor. Denn ich sehe diese Parks schon als eine Art Bedrohung. Wie wir da zusammengemixt und zu einer Masse geformt werden. Beispielsweise im World Disney Resort Epcot: Da hat man das Oktoberfest in Miniatur neben der Sphinx und Venedig. Da wird alles durcheinandergemischt, da lernt man nichts. Es geht nur um Reize. Man wird bombardiert mit Eindrücken - mehr nicht. Man konsumiert und ist Teil einer Masse.
Was kommt als nächstes Projekt: Noch mehr Freizeitparks?
Ich bin ein bisschen müde geworden nach der anfänglichen Begeisterung für diese Arbeit. Jetzt möchte ich wieder mit Menschen arbeiten, mit echten Geschichten, die man erleben und hören kann. Ich möchte wieder zurück ins Leben. Ohne etwas erleben zu dürfen war es zum Schluss eine hohle Angelegenheit.
Mehr Informationen über Reiner Riedler finden Sie unter seiner Homepage www.photography.at und bei seiner Agentur Anzenberger
Der Bildband "Fake Holidays" ist im Juli 2009 im Verlag Moser München erschienen; 144 Seiten, 56 Fotos, gebunden, 59 Euro.
Von Susanne Traub-Schweiger (Bearbeitung), Bill Kouwenhoven (Herausgeber), Jens Lindworsky (Herausgeber), Reiner Riedler (Fotograf) und David Smith (Übersetzer)
