GEO: Fischzucht und Gemüseanbau – wie passt das zusammen? Und wann haben Sie Blün gestartet?
Gregor Hoffmann: Blün ist 2016 entstanden und ist die erste kommerzielle Aquaponik-Anlage in Österreich. Fischzucht und Gemüseanbau gehen durch diese Technik Hand in Hand. Es geht um Wasser, Wasserqualität und eine Kreislaufwirtschaft der neueren Art.
Das heißt: Wir produzieren Fische – Raubwels – in Wien. Und am Ende der Fischzucht steht zum einen die Vermarktung des Fisches und zum anderen fließen die Fischstoffwechselendprodukte in den Gemüseanbau. Das ist eine sehr alte Technik – der Ursprung geht auf die Maja zurück.
Und wie funktioniert das Aquaponik-System genau?
Die Aquaponik ist ein System, dessen Name sich aus Aquakultur, also der Fischzucht und der Hydroponik, einem erdelosen Kulturverfahren im Gemüseanbau, zusammensetzt. Die beiden Systeme können komplett unabhängig voneinander eingesetzt werden. Bringt man aber beide Systeme zusammen, erhält man ein sehr nachhaltiges Produktionssystem für den Bereich Fisch und Gemüse. Unsere Fischzucht haben wir in unsere bestehenden Gewächshäuser integriert. Täglich wird Wasser aus der Fischzucht zum Gewächshaus gepumpt, um das Gemüse so zu wässern und zu düngen. Im letzten Schritt fließt sauberes Wasser aus dem Gemüseanbau wieder in die Fischtanks.
Und die Fische züchten Sie in einer geschlossenen Umgebung?
Die Fische leben in großen Becken, die überdacht sind. Wir züchten die Fische in einer kontrollierten Umgebung, weil wir so vermeiden können, dass Umweltgifte oder Pestizide an unsere Fische gelangen und die Becken nicht durch Vogelkot oder ähnliches verschmutzt werden können. Das gilt auch für den Gemüseanbau im Gewächshaus.
Was ist der Vorteil an Ihrem Vorgehen?
Diese Art der Landwirtschaft kann alle Fragen zu CO2, Wasserverbrauch, urbaner Landwirtschaft und Nachhaltigkeit positiv beantworten. Ein klarer Vorteil ist, dass wir die Ressource Wasser zwei Mal verwenden: in der Fischzucht und zum Gießen. Außerdem sparen wir noch Wasser, weil wir Gurken, Tomaten oder Auberginen auf Substrat anbauen. Durch diese Anpflanzung geht kein Wasser durch Versickerung verloren. Es ist ein nachhaltiges und wasserschonendes System.
Das Kondenswasser, das in der Nacht im Gewächshaus entsteht, wandert über Rinnen wieder zurück und fließt in die Bewässerung der Pflanzen ein. Das Prozesswasser fließt auch in den Bewässerungstank. Wir benötigen keinen zusätzlichen Dünger – die Pflanzen werden ausschließlich mit den Fischstoffwechselprodukten gedüngt. Wir nutzen im Gemüseanbau zudem keinerlei Pestizide.
Ist die Produktion von Gemüse in einem Gewächshaus nicht trotzdem wasser- und CO2-intensiv?
Wir arbeiten nicht konventionell. Bei dem Blick auf die Nachhaltigkeit einer Anbaumethode ist der Ertrag sehr wichtig. Bei der Aquaponik-Tomate oder Gurke liegt der Ertrag bei bei 40 bis 50 Kilogramm pro Quadratmeter Anbaufläche. Vergleiche ich das mit einem Ertragspotential bei extensiver Landwirtschaft in den Sommermonaten von 12 Kilogramm pro Quadratmeter, ist das ein großer Unterschied. Wir arbeiten sehr lokal – was lange Transportwege unnötig macht. Wir positionieren uns nicht gegen konventionelle oder biologische Landwirtschaft. Unsere Art zu landwirtschaften geht noch einen Schritt weiter.
Welche regionalen Gemüsesorten produzieren Sie?
Streng genommen gibt es viele Gemüsesorten in Mitteleuropa nicht regional: die Tomate ist eine Südafrikanerin, die Gurke kommt aus dem Kaukasus, die Paprika aus Südamerika und die Kartoffel ebenso. Doch sie können heute regional hier in Wien angebaut werden. Das ist, was wir hier auf der Blün machen.
Wir haben keine Winterproduktion und verzichten dadurch auf künstliches Licht in den Gewächshäusern. Ende Oktober spätestens gibt es bei uns kein Gemüse mehr. Wir bieten im Winter keine Tomaten oder Gurken an. Ende Januar pflanzen wir neu an und ab März haben wir die ersten Tomaten oder Gurken. Wir haben sehr viele Sorten und Arten in unserem Angebot. Zum Beispiel Ochsenherztomaten oder Fleischtomaten, wie früher bei der Oma, die es im Supermarkt lange nicht mehr gab.
Wie viel Wasser sparen Sie bei der Herstellung eines Kilos Fisch gegenüber der herkömmlichen Zucht?
Die Wasserersparnis ist immens. Für die Produktion von einem Kilo Fisch benötigen wir auf der Blün nur 120 Liter Wasser.
Nach welchen Kriterien arbeiten Sie?
Bei Blün geht es um höchste Qualitäten in einem ressourcenschonenden und technologischen Umfeld. Wir haben uns selbst Produktionsstandards auferlegt: Wir arbeiten transparent und Konsumentinnen und Konsumenten können den Weg jeder Tomate oder jedes Fischs bei uns erfragen oder bei einer Führung mehr über uns erfahren. Ökoeffektivität ist ein wichtiger Bestandteil – der Fischdung kann in der Fischzucht nicht mehr genutzt werden, dient aber als Dünger für unser Gemüse und wir arbeiten lokal in Wien und für die Wienerinnen und Wiener.
Warum sind Ihre Produkte nicht bio-zertifiziert?
In der EU-Bioverordnung wird festgelegt, welche Lebensmittel bio-zertifizierbar sind und welche nicht. Es ist ein Gesetzestext mit festen Vorschriften und diese sind sehr schwer reformierbar. Wie erwähnt, sind unsere Fischbecken überdacht, das ist ein Punkt, wodurch unsere Art zu produzieren nach dieser Verordnung nicht bio-zertifizierbar ist. Wir arbeiten nach gewissen Bio-Richtlinien, können aber nicht zertifiziert werden. Bio ist ein Produktionsstandard und kein Qualitätssiegel. Wir haben uns mit unserer Produktionsweise entschieden, auf Qualität zu setzen und keinem Label nachzulaufen.
Warum sind Ihrer Meinung nach neuen Anbau- und Produktionsformen in der Landwirtschaft wichtig?
Wir werden ein Problem mit der Nahrungsmittelknappheit bekommen, wenn wir uns die ganz konventionelle Anbauart anschauen. Eine extensive Landwirtschaft braucht sehr viel Fläche. Deshalb ist es sehr schwierig, mit den herkömmlichen Ansätzen aus der biologischen und konventionellen Landwirtschaft eine Versorgung aller Menschen zu gewährleisten und Lebensmittel fair zu verteilen. Die eine Art ist nicht gut für den Planeten und nur mit Bio-Anbau können wir eine wachsende Weltbevölkerung nicht versorgen. Wir empfinden uns als Teil der Lösung dieses Problems.
Was planen Sie in der Zukunft?
Wir werden in den nächsten Jahren wachsen. Wir stammen alle aus Landwirtschaftsfamilien – sind Gärtner oder Landwirte. Wir wollten eine enkeltaugliche Weise unseres Tuns aufbauen und entwickeln. Fisch war für uns dabei ein wichtiger und interessanter Aspekt. Es ist eine sehr wichtige Ressource für die Ernährung – aber mit ihr wird teilweise sehr schändlich umgegangen und Meere überfischt. Für unsere Enkel ist es nicht zumutbar, dass wir so weiter machen wie bisher.
Uns war klar, dass wir uns an die Tradition der Kreislaufwirtschaft anschließen. Schon unsere Vorfahren haben sich in der Subsistenzwirtschaft mit der Anbauart auf den Feldern in einem Kreislauf befunden. Wir haben dieses Verfahren in die Gegenwart geholt und wollen dies auch künftig weiterverfolgen.
Wo kann ich Produkte von Blün in Wien kaufen oder in einem Restaurant essen, wenn ich dort Urlaub mache?
Unsere Produkte kann man mittlerweile mannigfaltig erwerben: Wir sind selbst auf Märkten aktiv – zum Beispiel auf dem Karmelitermarkt im zweiten Bezirk, sind in rund zehn Kreislereien (Tante-Emma-Läden) zu finden, in drei bis fünf Fleischereien finden Kunden unseren Fisch und in rund 60 Restaurants können Urlauber unsere Produkte essen. Über unseren Webshop kann man sich in Wien die regional angebaute Gurke oder Tomate liefern lassen.