Wenn Dezemberfrost die Deutschen zittern lässt und es abends um halb sechs schon stockdunkel ist, erfreuen sich Menschen in Australien zur gleichen Zeit beim Picknick unter freiem Himmel. Anfang Juli dagegen glimmen hierzulande an lauen Sommerabenden die Grillkohlen, während auf der anderen Seite des Erdballs, in den Snowy Mountains in New South Wales, die Skisaison eingeläutet wird.
Im Verlauf eines Jahres durchlaufen – spiegelbildlich auf der Nord- und auf der Südhalbkugel – viele Gegenden der Welt alle vier Jahreszeiten. Wandeln sich die Landschaften und ihre Vegetation im saisonalen Rhythmus von Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und die Temperaturen schwanken je nach Landstrich nicht selten um mehr als 40 Grad Celsius – von hochsommerlicher Hitze zu winterlichen Minusgraden.
Doch warum gibt es Jahreszeiten?
Aber warum herrscht bei uns nicht bloß eine Saison, das ganze Jahr hinweg? Dem Wechselspiel der Jahreszeiten liegt die sich verändernde Position der Erde im Sonnensystem zugrunde. Denn: Unser Planet dreht sich nicht bloß innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse, sondern umkreist im Laufe eines Jahreszyklus von 365 Tagen einmal die Sonne.
Dabei ist die Rotationsachse des Globus – bezogen auf seine Umlaufbahn – leicht geneigt, die Erde steht also schräg, und zwar in einem Winkel von knapp 23,5 Grad. Diese Neigung behält der Planet bei – ganz gleich, wo auf seiner Umlaufbahn er sich befindet (siehe auch die entsprechende Illustration).
Frühling, Sommer, Herbst und Winter: Tageslänge und Sonneneinstrahlung variieren je nach Jahreszeit
Die Erde ähnelt damit einem gekippten Kreisel, der beständig um sich selbst rotiert und währenddessen das Zentralgestirn umrundet. Dass die Achse dieses Erdenkreisels immer in die gleiche Richtung im All zeigt (und zwar in Richtung des Polarsterns), fußt auf einem physikalischen Grundsatz, der als Drehimpulserhalt bezeichnet wird.

Und genau diese gleichbleibende Neigung der Erdachse ist es auch, die schließlich für die Jahrezeiten sorgt. Denn je nachdem, wo sich unser Planet gerade auf seinem Orbit befindet, ist entweder die Südhemisphäre oder die Nordhemisphäre der Sonne zugeneigt. Diese sonnenzugewandte Seite des Globus wird nicht nur länger beschienen als die sonnenabgewandte Erdhälfte – die Strahlen des Gestirns treffen auch in einem steileren Winkel auf die Oberfläche.
Die Folge: Die Temperaturen steigen und zwar umso mehr, je steiler der Strahlungswinkel ist und je länger die Sonnenscheindauer. So kommt es, dass in der Jahresmitte auf der Nordhalbkugel Sommer herrscht, während der Südwinter die andere Seite der Erde im Griff hat.
Am längsten Tag des Jahres, dem 21. Juni, geht die Sonne zum Beispiel in Hamburg schon um 4:48 Uhr auf und erst um 21:56 Uhr wieder unter. Ein halbes Jahr später, am kürzesten Tag, dem 21. Dezember, schiebt sich das Gestirn erst um 8:32 Uhr über die Horizontlinie und verschwindet schon wieder um 16:04 Uhr. Und während am 21. Juni mittags die Sonne hoch am Himmel steht – in der Hansestadt zum Beispiel beträgt der Winkel zwischen Horizont und Sonne fast 60 Grad –, erreicht die typisch tiefstehende Wintersonne am 21. Dezember nicht einmal 13 Grad.
Die Entstehung der Jahreszeiten lässt sich leicht erklären – mit einem Blick auf den Umlauf der Erde um die Sonne
In der Südhemisphäre herrschen zur gleichen Zeit genau umgekehrte Verhältnisse: Im australischen Canberra dauert der Tag um Silvester herum rund 14,5 Stunden, Mitte Juni dagegen nur neuneinhalb Stunden. Am stärksten kommt der Effekt der geneigten Erdachse an den Polen zum Tragen: In der Sommerzeit gibt es dort keine Nacht, die Sonne scheint durchgehend, während sie im Winter nicht ein einziges Mal aufgeht. Am Nordkap dauert der "Polartag" daher rund elf Wochen, von Mitte Mai bis Ende Juli. Die "Polarnacht" dagegen fängt Mitte November an und hört erst Ende Januar auf.
Warum ist die Erdachse geneigt?
Dass unsere Erde schief steht, also die Achse, um die der Globus rotiert, einen Neigungswinkel von rund 23,5 Grad aufweist, hat vermutlich mit der stürmischen Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems zu tun. Damals, vor etwa viereinhalb Milliarden Jahren, als sich unser Planet formte, kam es unentwegt zu Kollisionen: Zahllose Himmelskörper krachten mit Wucht auf die junge Erde. Einer von diesen Asteroiden war so groß, dass der Zusammenstoß gigantische Gesteinsmassen in die Umlaufbahn schleuderte. Daraus bildete sich schließlich unser Mond. Und manche Fachleute spekulieren, dass es wohl jener Aufprall war, der die Erdachse zu ihrer heutigen Neigung brachte. Die anderen Planeten in unserem Sonnensystem haben ganz unterschiedliche Neigungswinkel. So steht der Merkur etwa fast senkrecht – auf ihm gibt es keine jahreszeitlichen Schwankungen. Während der Mars ganz ähnlich stark gekippt ist wie unsere Erde.
Warum aber beschert die Sonne umso mehr Wärme, je höher sie am Firmament steht? Das Phänomen begegnet uns auch anderswo im Alltag. Zum Beispiel, wenn wir uns vor eine Wärmelampe setzen: Positionieren wir uns schräg zur Strahlungsquelle, wirkt die Lampe weniger stark, als wenn wir uns direkt davor begeben. Oder wenn wir mit einer Taschenlampe einen dunklen Raum ausleuchten. Richten wir den Strahler senkrecht auf eine Wand, strahlt eine kleine Fläche hell auf. Halten wir die Taschenlampe jedoch schräg auf die gleiche Wand, erscheint eine viel größere Fläche, aber in viel schwächerem Licht. Das Gleiche geschieht mit der Strahlung der Sonne, je nachdem, in welchem Winkel sie auf die Erdoberfläche trifft.
So vertraut uns die Jahreszeiten sind, so sehr der Takt von Frühling, Sommer, Herbst und Winter unseren Planeten prägt, so gibt es einen Bereich auf dem Globus, der keine Jahreszeiten kennt: Es sind jene Gegenden, die rund um den Äquator liegen. Hier steht die Sonne mittags das ganze Jahr über hoch am Himmel – der maximale Winkel zum Horizont schwankt über die Monate zwischen 70 und 110 Grad. Und Tag und Nacht dauern jeweils etwa zwölf Stunden lang, im Dezember ebenso wie im Juni. Diese besonderen Umstände sorgen für vergleichsweise gleichbleibende Temperaturen. So ist es etwa in Kampala, der fast auf dem Äquator liegenden Hauptstadt Ugandas, das ganze Jahr hindurch rund 26 Grad warm.