Einzigartiges Projekt Utrechts "Fisch-Türklingel": Internetnutzer aus aller Welt machen Fischen den Weg frei

Schleuse mit virtueller Türklingel in Utrecht
In Utrecht in den Niederlanden gibt es eine Schleuse mit virtueller Türklingel für Fische
© Robert Oosterbroek/Stadt Utrecht /dpa
Wandernde Fischarten schwimmen an Schleusen oft vor verschlossener Tür. Im niederländischen Utrecht haben sich Ökologinnen und Ökologen eine charmante Lösung dafür einfallen lassen

Manche Fische wandern verblüffend weite Strecken. Europäische Aale etwa legen mehr als 5000 Kilometer in ihr Laichgewässer, die Sargassosee, zurück. Doch was, wenn der Weg verbaut ist? Stauwehre und Schleusen machen es für viele wandernde Fischarten unmöglich, ein normales Leben zu führen – besonders dort, wo künstliche Gewässer vor allem menschlichen Zwecken dienen. In der niederländischen Stadt Utrecht mit ihren kilometerlangen Grachten haben sich Ökologinnen und Ökologen etwas Besonderes einfallen lassen, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen: eine Visdeurbel, zu Deutsch Fischtürklingel.

Ein Zander "klingelt" nach dem Schleusenwärter
Ein Zander "klingelt" nach dem Schleusenwärter
© Visdeurbel.nl/Gemeente Utrecht

Die 200 Jahre alte Weerdsluis, eine Schleuse im Stadtzentrum von Utrecht, ist im Winter und im Frühjahr monatelang geschlossen: Es gibt in dieser Zeit auf dem Wasser einfach keinen Bootsverkehr. Das Problem unter  Wasser: Jedes Frühjahr ziehen tausende von Fischen durch die Grachten zum Krummen Rhein, einem Arm des Niederrheins – und schwimmen in dieser Zeit buchstäblich vor verschlossener Tür. So werden sie für Fressfeinde wie Kormorane, Haubentaucher oder Hechte zur leichten Beute. Außerdem verlieren die Fische viel Zeit und Energie.

Selfies vor der Unterwasserkamera

Darum installierten die Initiatoren vor fünf Jahren eine Unterwasserkamera samt Fischtürklingel. Im Livestream auf der Seite visdeurbel.nl können Interessierte in aller Welt verfolgen, ob und wie viele Fische sich gerade vor der Schleuse aufhalten – beziehungsweise von ihr aufgehalten werden. Wer Fische entdeckt hat, kann einen Knopf drücken. Eine Meldung und ein Screenshot gehen dann an die Ökologen. Gibt es einen Treffer, informieren diese den Schleusenwärter, der das alte Schleusentor dann von Hand öffnet. "Das ist auch nicht für jeden einzelnen Fisch, sondern ein paarmal pro Woche", sagt die Utrechter Stadtökologin Anne Nijs gegenüber der Deutschen Presseagentur. Der Fisch-Alarm per Klingelknopf sei zwischen Anfang März und Ende Mai möglich. 

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Zu den Highlights des Projekts zählen Schnappschüsse von Flussbarschen, Welsen, Hechten – und ein jagender Haubentaucher. Auch menschliche Spaßvögel haben schon vor der Kamera posiert. Und wurden "gemeldet". Die meisten Fische sind, so erzählt der Initiator Mark van Heukelum im Video, in der Morgen- oder Abenddämmerung unterwegs, wenn ihre Fressfeinde noch nicht aktiv sind. Etwa Mitte April, wenn die Wassertemperaturen steigen, beginnt die Hauptwanderzeit für die Fische in der Gracht.

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Geboren werden Aale vor der Küste Floridas. Als Fischlarven treiben sie mit den nordatlantischen Strömungen bis an die europäische Küste. Die meisten verlassen das Meer und schwimmen ins Süßwasser – um nach 15 bis 30 Jahren zu einer letzten großen Reise aufzubrechen: zurück in die Sargassosee

Allerdings können nur etwa 950 Menschen den Stream gleichzeitig schauen und den Klingelknopf bedienen. Sind es mehr, fehlt der Klingelknopf. Und oft sind es mehr. Weltweit schauten im vergangenen Jahr fast drei Millionen Menschen zu und hielten nach Fischen Ausschau. Die Ökologen bekommen sogar Berichte aus Australien, den USA und von den Philippinen. "Es ist eine Art Slow-TV", so Anne Nijs. "Viele finden das eine positive Geschichte, und sie können auch selbst etwas für die Natur tun." Die meisten Fans hat das Projekt allerdings nicht in den Niederlanden – sondern in Deutschland.

mit Material der dpa

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