Mindestens fünf Mal während der Geschichte des Lebens wurde es richtig ungemütlich auf dem Planeten Erde. So ungemütlich, dass ein Großteil – darunter ganze Tierarten und -stämme verschwanden. Das berüchtigste dieser Massenaussterben ist das Verschwinden der Dinosaurier vor rund 66 Millionen Jahren. Nun ist es Forschenden gelungen, eine weitere solcher globaler Katastrophen für die irdirsche Artenvielfalt zu identifizieren – und zwar die erste überhaupt.
Vor etwa 550 Millionen Jahren, im sogenannten Ediacarium, bevölkerten Wesen die Meere, die uns heute wie Aliens erscheinen würden. Darunter federähnliche Tiere, die Nährstoffe aus den Ozeanen filterten, schneckenähnliche Wesen, die Bakterien von den Felsen abgrasten, oder Urahnen der heute lebenden Quallen. Doch die Spuren von etwa 80 Prozent des damaligen Lebens in den Ozeanen verlieren sich vor rund 550 Millionen Jahren.
Dass sich zu dieser Zeit die Spuren vieler Tier-Arten und -Stämme verlieren, ist nun zwar schon länger bekannt. Doch bislang rätselte die Fachwelt über die Ursache. Schließlich wäre es denkbar, dass sich aus bislang nicht bekannten Gründen einfach weniger Fossilien im Sediment der Meere erhalten haben. Diskutiert wurde etwa auch, dass die damals aufkommenden Trilobiten der älteren Ediacara-Fauna die Lebensgrundlage entzogen.
Doch beides ist nicht der Fall, konstatiert das Forscherteam in seiner im Fachjournal PNAS publizierten Studie.
Um das plötzliche Verschwinden der Fossilien zu verstehen, startete das Forscherteam eine umfassende Literaturrecherche zu Funden aus dem Ediacarium, sammelte Daten zum Fundort der Fossilien, der Körpergröße und der Ernährungsweise. Dabei zeigte sich: Vor 550 Millionen Jahren lebten auf der Erde noch Tiere aus etwa 70 verschiedenen Stämmen. Zehn Millionen Jahre später fanden sich nur noch Spuren von 14 Stämmen. Zugleich gab es weder Hinweise darauf, dass die Bedingungen für die Konservierung von Tierkörpern im Sediment sich verschlechtert hätten, noch ließen die Ernährungsweisen auf eine Nahrungskonkurrenz, etwa mit frühen Trilobiten schließen.
Auffällig war jedoch, dass vor allem solche Tiere überlebt hatten, deren Körperoberfläche im Verhältnis zu ihrem Volumen besonders groß war. Den Forschenden zufolge könnte das ein Hinweis auf Sauerstoffmangel in den Ozeanen sein, den Tiere mit großer Oberfläche besser ausgleichen konnten. Es habe sich gezeigt, sagt Co-Autor Shuhai Xiao, "dass Organismen, die nicht mit niedrigen Sauerstoffgehalten zurechtkamen, selektiv entfernt wurden".
Gründe für das Verschwinden des Sauerstoffs weiter unklar
Was jedoch das tödliche Absinken des Sauerstoffgehalts ausgelöst hat – darüber herrscht weiter Unklarheit. Denkbar wären den Forschenden zufolge etwa ein Asteroideneinschlag, Vulkanausbrüche infolge von tektonischen Plattenverschiebungen, aber auch subtilere Veränderungen, wie etwa die Konzentration von Nährstoffen.
Das große Verschwinden, so der Leitautor der Studie, Scott Evans vom Virginia Tech, repräsentiere das älteste, heute bekannte Massenaussterben. Scott hebt hervor, dass es, wie alle heute bekannten, großen Massenaussterben im Zusammenhang mit einer Klimaveränderung steht.
Was auch immer die Reset-Taste auslöste – in der Folge explodierte die Vielfalt des Lebens geradezu: Im sogenannten Kambrium, vor 518 bis 543 Millionen Jahren, entstanden wahrscheinlich die Baupläne aller heute noch lebender Arten.