Wer morgens seinen Tee genießt, hat sich bislang wohl allenfalls über Pestizid-Rückstände Gedanken gemacht. Doch die getrockneten Pflanzenblätter enthalten noch weit mehr. Zum Beispiel Spuren von Insekten, Spinnen und anderen Organismen. In einem einzigen Teebeutel fanden Forscher nun DNA von rund 400 Insekten, wie sie in den Biology Letters der Royal Society berichten. Insgesamt sammelten sie Hinweise auf mehr als 1200 verschiedene Spezies.
Fast jedes Tier, das mit einer Pflanze in Berührung kommt, hinterlässt winzige Spuren mit Genmaterial, so genannte Umwelt-DNA: Raupen verraten sich durch ihre Fraßspuren, Spinnen bauen Netze, und zahllose Organismen hinterlassen ihre Ausscheidungen auf den Blättern. Die Urheber dieser winzigen Hinterlassenschaften aufzuspüren, hat sich ein Team von der Universität Trier zur Aufgabe gemacht.
Seine Proben entnahm der Biogeograf Henrik Krehenwinkel nicht in der Wildnis – sondern im Lebensmittel-Einzelhandel nebenan, in Form von Tees verschiedener Hersteller.
Die erste Herausforderung für das Team: tierisches von pflanzlichem Erbgut zu unterscheiden. "Ungefähr 99,999 Prozent der DNA, die wir extrahieren, ist Pflanzen-DNA", sagte Krehenwinkel dem Smithsonian Magazine. Dafür identifizierten er und sein Team eine Sequenz, anhand derer sich Pflanzen- sicher von Insekten-DNA unterscheiden lässt.
Im Schnitt Spuren von 200 Tierarten pro Tee
In den Teeproben, die das Team analysierte, fanden sich im Schnitt Spuren von rund 200 Gliederfüßern. Nicht alle von ihnen ließen sich allerdings konkreten Spezies zuordnen. Hier gebe es noch Forschungsbedarf, so Krehenwinkel. Bei den identifizierten Arten allerdings stellten die Forschenden eine hohe Übereinstimmung mit den bekannten Verbreitungsgebieten der Pflanzen und ihrer tierischen Besucher fest. So enthielt Minze aus dem pazifischen Nordwesten der USA Spuren von dort vorkommenden Insekten, während grüner Tee Spuren ostasiatischer Krabbler aufwies.
Die Vorteile der neuen Methode: Während frühere Analysen nur Aufschlüsse darüber erlaubten, was auf der Pflanze krabbelte und lebte, gewährt das neue Verfahren nun auch einen Blick in ihr Inneres. Zudem müssen Insekten nicht, wie bislang üblich, mit Fallen gefangen und getötet werden, um ihr Vorkommen in der Natur zu ermitteln.
Für die neue Methode der "Spurensicherung" kann sich Krehenwinkel neben der Erforschung des Insektensterbens mehrere Einsatzmöglichkeiten vorstellen: Da Pflanzen eine enge Beziehung zu Insekten, zum Beispiel Bestäubern, haben, ließen sich mit der Methode Rückschlüsse über aktuelle Bedrohungen, auch durch Schadinsekten, ableiten. Und dank getrockneter Pflanzenteile in den Archiven von Naturkundemuseen und wissenschaftlichen Institutionen ließen sich auch Erkenntnisse über wechselseitige Abhängigkeiten im Lauf der Jahrhunderte herausfinden.
Dass sich Spuren von Hunderten Insekten und anderen Kleinlebewesen auf Pflanzen finden, die wir konsumieren, findet Krehenwinkel übrigens eher beruhigend. Immerhin sei es ein Zeichen dafür, dass der Tee nicht vor Pestiziden tropfe.