Forschende staunen Erstmals dokumentiert: Orang-Utan verarztet Wunde mit einer Pflanze

Der männliche Sumatra-Orang-Utan namens Rakus im Urwald von Suaq Balimbing
Zwei Monate nach der Selbstbehandlung: Die Wunde im Gesicht des Sumatra-Orang-Utans ist kaum noch sichtbar
© Safruddin/Max-Planck-Institut für Tierverhalten/SUAQ foundation/dpa
Bisher war nicht bekannt, dass Tiere Wunden mit Heilpflanzen behandeln. Nun beobachteten Forschende zum ersten Mal, wie ein Sumatra-Orang-Utan nach einer Verletzung überraschend zielgerichtet eine Pflanze nutzte, um eine Verletzung im Gesicht zu versorgen

Erstmals haben Forschende systematisch dokumentiert, dass ein Wildtier eine Pflanze medizinisch gegen Verletzungen nutzt. Evolutionsbiologen des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie in Konstanz berichten im Fachjournal "Scientific Reports", dass ein Sumatra-Orang-Utan eine Wunde im Gesicht aktiv mit einer Heilpflanze behandelt hat.

Das Männchen Rakus habe einige Tage nach einer Verletzung, die es im Kampf mit einem Artgenossen erlitten hatte, Blätter einer Liane abgerissen, darauf herumgekaut und den Saft mehrere Minuten lang wiederholt auf die Gesichtswunde aufgetragen. 

"Als letzten Schritt bedeckte er die Wunde vollständig mit den zerkauten Blättern", sagt Erstautorin Isabelle Laumer. Sie beobachtete das Verhalten am Forschungsstandort Suaq Balimbing, einem geschützten Regenwaldgebiet auf Sumatra, in dem etwa 150 vom Aussterben bedrohte Sumatra-Orang-Utans (Pongo abelii) leben. Die zur Heilung verwendete Liane (Fibraurea tinctoria) ist für ihre schmerzstillende und fiebersenkende Wirkung bekannt und wird in der traditionellen Medizin zur Behandlung verschiedener Krankheiten wie etwa Malaria eingesetzt.

Orang Utan-Männchen im Urwald von Suaq Balimbing
Ein Blick auf die Wunde im Gesicht des Orang Utan-Männchens Rakus im Urwald von Suaq Balimbing. Das Foto wurde zwei Tage vor Beginn der Selbstbehandlung aufgenommen
© Safruddin/Max-Planck-Institut für Tierverhalten/SUAQ foundation/dpa

Die Autoren berichten außerdem, dass es bei dem Orang-Utan in den Folgetagen nicht zu einer Wundinfektion kam. Die Wunde habe sich innerhalb von fünf Tagen geschlossen und sei binnen eines Monats vollständig verheilt. "Interessanterweise ruhte Rakus auch mehr als sonst, als er verletzt war. Schlaf wirkt sich positiv auf die Wundheilung aus, da die Wachstumshormonausschüttung, die Proteinsynthese und die Zellteilung im Schlaf gesteigert werden", erklärt Laumer.

Das Verhalten von Rakus schien demnach absichtlich zu sein, da er selektiv nur die Gesichtswunde an seinem rechten Flansch und keine anderen Körperteile mit dem Pflanzensaft behandelte. "Das Verhalten wurde auch mehrmals wiederholt, nicht nur mit dem Pflanzensaft, sondern später auch mit festerem Pflanzenmaterial, bis die Wunde vollständig bedeckt war. Der gesamte Prozess hat viel Zeit in Anspruch genommen", sagt Laumer. 

Bisher war der Studie zufolge nur bekannt, dass Menschenaffen bestimmte Pflanzen zur Behandlung von Parasiteninfektionen zu sich nehmen und Pflanzenmaterial auf ihre Haut reiben, um Muskelkater zu behandeln. Kürzlich sei zudem in Gabun beobachtet worden, wie eine Schimpansengruppe Insekten auf Wunden auftrug.