Wildschweine schlafen im Sommer kürzer und unruhiger als im Winter. Das haben Forscher nachgewiesen, die 28 dieser zumeist nachtaktiven Wildtiere für ein Jahr mit Messhalsbändern versehen hatten. Der tägliche Schlaf sei im Sommer etwa 17 Prozent kürzer gewesen als im Winter und zudem fragmentierter und von schlechterer Qualität, was möglicherweise zu Schlafmangel geführt habe, schreibt das britisch-tschechische Team im Fachjournal "Proceedings B" der britischen Royal Society. Es schätzt, dass der Klimawandel den Schlaf von Wildtieren zusätzlich beeinträchtigen könnte.
Der Winter hingegen begünstige den Schlaf, auch da niedrigere Temperaturen und Schnee wahrscheinlich den Wert der vergleichsweise warmen Schlafplätze erhöhten und Wanderungen im Schnee besonders viel Energie benötigten, schreibt das Team um Euan Mortlock von der Queen’s University Belfast.
Wildschweine reagieren auf Temperatur und Tageslänge
Schlaf sei entscheidend für die Gesundheit, aber wie der Schlaf von Wildtieren durch sich verändernde Umgebungen beeinflusst werde, sei wenig verstanden, schreiben die Forscher. Sie beobachteten 24 weibliche und 4 männliche Wildschweine (Sus scrofa) in zwei Regionen von Tschechien und nutzten zudem Daten von Wettermessstationen.
"Die meisten Menschen wissen gut, dass sie an heißen Sommernächten Schwierigkeiten haben einzuschlafen und durchzuschlafen", sagte Mortlock der Deutschen Presse-Agentur. Insgesamt reagierten auch die Wildschweine mit einem veränderten Schlafverhalten auf die Temperatur und die Tageslänge, die Größe der Effekte hänge jedoch sehr stark vom Individuum ab. "Das heißt, die Unterschiede zwischen Wildschwein A und Wildschwein B können größer sein als die Unterschiede zwischen heißen und kalten Tagen."
Zudem seien Wildschweine "fantastisch anpassungsfähig", sagte Mortlock. "Sie können höchstwahrscheinlich im Moment gegen warme Tage durch Verhaltensanpassung vorgehen - zum Beispiel durch Nutzung von Suhlen oder durch Streifzüge und die Suche nach Schatten und kühleren Gebieten in Schluchten oder Dickichten." Mit zunehmender Temperatur und Veränderungen der Landschaft könnten diese Verhaltensanpassungen jedoch unzureichend werden. Extrem heiße Tage seien für den Schlaf von Wildschweinen bereits jetzt nachteilig.
Die Studienergebnisse im Detail
Schlaflänge: Die Wildschweine schliefen wie erwartet zumeist tagsüber, einige jedoch auch nachts. Im Sommer (Juni bis August) schliefen sie im Schnitt 10,14 Stunden, im Winter (November bis Februar) 12,22 Stunden. Dabei habe es große individuelle Unterschiede gegeben. Kurzschläfer schliefen bis zu 46 Prozent weniger pro Tag als Langschläfer.
Schlafeffizienz: Sie sank ebenfalls im Sommer. Die Forscher zählten dafür die Anzahl der Schlafabschnitte - je gestückelter der Schlaf war, desto geringer war die Effizienz, da ein häufigeres Aufwachen weniger erholsamen Tiefschlaf bedeutet. Die Anzahl der Schlafphasen nahm demnach linear mit höherer Temperatur und längeren Tagen zu. Die Wildschweine erreichten im Winter ein Minimum von 17,49 Schlafphasen pro Tag und im Sommer ein Maximum von 25,21 - obwohl die Tiere dann kürzer schliefen.
Schlafqualität: Als Maß dafür diente die Dauer der längsten Schlafphase. Sie war ebenfalls im Sommer schlechter. Die Forscher gehen im Durchschnitt von einem Minimum von 1,99 Stunden im Sommer und einem Maximum von 2,83 Stunden im Winter aus.
Bei Wildschwein-Weibchen könne auch der Nachwuchs im Sommer Auswirkungen auf den Schlaf haben. Die Ergebnisse legen nach Angaben der Forscher nahe, dass heiße und feuchte Sommertage die nachteiligen Auswirkungen von Schlafmangel bei reproduzierenden Weibchen verschärfen könnten.
"Angesichts der wichtigen Rolle, die der Schlaf für die Gesundheit spielt, dürften sich der Klimawandel und die damit verbundene Zunahme extremer klimatischer Ereignisse voraussichtlich auf den Schlaf und folglich auf die Gesundheit von Wildtieren auswirken, insbesondere bei nachtaktiven Tieren", schließen die Forscher in der Studie.